Gefaehrlicher Auftrag
ES SCHUETTET, WAS DER HIMMEL HERGIBT. Rennend ueberquere ich die Via Moscova und suche einen Hauseingang, wo ich mich einen Augenblick unterstellen koennte, bevor ich meinen Fussmarsch zur Piazza Cavour fortsetze. Doch um diese Zeit sind alle Haustore verschlossen. Von der nahen Kirche S. Angelo schlaegt es zehn.Schon bin ich zu spaet dran und nass bis auf die Haut, trotz meines Trenchcoats, den ich doch extra aus Cansas city habe kommen lassen.
Wenn ich am Zentralbahnhof in Mailand aus dem Intercity steige, springe ich einfach in ein Taxi und los gehts, hatte ich noch bei der Abfahrt gedacht. Aber ich habe wieder feststellen muessen , dass in diesen stolzen Metropolen der Sprung ins Taxi der Vergangenheit angehoert.
Ich schreibe schnell die Beobachtung der Natur in mein Notizbuch und setze meinen Weg, dicht an den Hauswaenden entlang, durch die via Turati fort.
Als ich die via Montebello hinter mir habe und an dem zugesperrten Tabaccho an der Ecke zur via Carlo Porta vorbeikomme, prasselt der Regen mit doppelter Macht auf mich nieder.
Aber da ist er endlich, der Platz, da sind sie, die mittelalterlichen Arkaden von Porta Nuova. Und da ist auch, direkt vor mir, das massige , hell erleuchtete Gebaeude wo ich meine Instruktionen bekommen werde.
"Du musst ihn einfach nur finden, und ihn mir herbringen" schliesst der grosse, magere Mann mit den durchdringenden Augen, der auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzt.
Er drueckt bedaechtig die Zigarette aus, lehnt sich wieder in seinem Sessel zurueck und fixiert mich mit amuesiertem? hoehnischem? Blick.
Doch wenn er meint mich ueberrascht zu haben, taeuscht er sich gewaltig. Zwar zeigt mir das Zischen meines nassen Trenchcoats an, dass ich meine Zigarillo auf den Knien vergluehen lasse, und meine Augen, denen der noetige Grauton dazu abgeht, bringen kein staehlernes Blitzen zustande. Aber ohne mit der Wimper zu zucken nehme ich den Auftrag an.
"Sechshundert Dollar am Tag, zuzueglich Spesen" begnuege ich mich nur zu antworten.
"Einverstanden. Und wann denkst du abzureisen?"
"Sobald ich entschieden habe wohin", lautet meine gelassene Antwort.
Der Mann billigt das mit einem bedaechtigen Kopfnicken.
"Ich habe mich nicht getaeuscht. Du bist wahrscheinlich der einzige, dem ich einen Auftrag wie diesen anvertrauen kann. Ich frage mich nur....du musst schon entschuldigen, du gefaellst mir ja gerade weil du nicht so viele Fragen stellst, aber....hast du auch wirklich verstanden, was ich von dir will?"
Ich laechle (wie so oft hier im JC). Ich schlage meine Beine uebereinander, jetzt ist es an mir den Mann zu beeindrucken.
"Eine ganz normale Ermittlung, scheint es mir doch. Was soll es da gross zu verstehen geben? Du willst, dass ich..."
"Ja aber wir haben nicht einmal ausgemacht wo...."
"Das sind doch Details ...du willst dass ich den Sinn des Lebens suche. Stimmts?"
"Stimmt , aber ...."
"Und exclusiv hier in deinem Blatt darueber berichte. Stimmts?"
"Ja , ich bin ueberzeugt, der Sinn des Lebens ist immer noch eine grosse Sache und seine Entdeckung waere gerade heutzutage ein bemerkenswerter Coup"
"Ist doch klar," laechle ich. " Du wuerdest schliesslich keine sechshundert am Tag abdruecken, wenn es nicht um einen dicken Fisch ginge."
"Ist doch klar" laechelt seinerseits der alte Fuchs."Aber du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass du morgen frueh schon weisst wo du hinfahren wirst? Wo du anfangen willst? Ich hatte mir gedacht dir vorzuschlagen....."
"Halt" unterbreche ich ihn warnend mit in die Hoehe schnellender Hand, "wenn du eine ordentliche Arbeit willst, musst du mir freie Hand lassen und darfst nicht versuchen mich zu beeinflussen, ok?"
Hochzufrieden stehe ich auf.
"Ah, noch etwas, der Sinn des Lebens ist ein heisser Stoff, ein Stoff der eine Menge Leute veraergern kann. Willst du daher...."
Der Fuchs hebt beide Haende.
"Daher will ich die Wahrheit. Finde sie, und kein politischer Druck, keine dunklen Machenschaften von Interessengruppen, keine Prozessdrohungen werden mich davon abhalten, sie zu veroeffentlichen."
"Was sie auch sei?"
"Was sie auch sei."
Als ich wieder unten bin, erinnert mich der bis in den Gebaeudeeingang spritzende Regen daran, dass diese maennlichen Gespraeche, das hohe professionelle Bewusstsein, doch nicht alles im Leben sind.
Ich haette versuchen muessen ein Taxi telefonisch zu rufen, doch Gott sei Dank sehe ich direkt vor der Tuere ein Schwarztaxi.
"Brauchen sie einen Wagen?" fragt der Fahrer.
"Zum Bahnhof " antworte ich und schluepfe mit gesenktem Kopf in die grosse Limousine.
"Zum Bahnhof fahren wir spaeter" mischte sich ein Unbekannter ein, der bereits im Inneren des Wagens sitzt."Vorher will dich jemand sehen. Irgendwelche Einwaende?"
Die gedrungene Smith&Wesson mit der er herumspielt unterstreicht die Ironie seiner Frage. Der falsche Schwarztaxifahrer ist inzwischen schon in die via Manin eingebogen, und kurz darauf sausen wir ueber die viale Zara in Richtung Stadtrand, schneiden die Umgehungsstrasse und verlassen die Stadt. Weiter gehts auf Nebenstrassen, einmal nach rechts , einmal nach links, durch den immer noch schnurdicken Regen.
Als das Auto schliesslich ein breites Gittertor passiert und eine Kieselallee hinauffaehrt. die zu einer hinter Baeumen versteckten Villa fuehrt, habe ich nicht mehr die leiseste Ahnung wo ich mich befinde. Dafuer entgeht mir weder die koestliche Ornamentik der Backsteinfassade noch das Glasauge des philippienischen Dieners, der uns einlaesst. Von ihm gefuehrt und von dem Mann mit der Smith&Wesson eskortiert durchquere ich nacheinander einen LouisXVI Salon, ein Billiardzimmer, eine strenge Bibliothek. Der Diener klopft an eine hohe Nussbaumtuere.
"Entrez!"
Der Salon in den ich gefuehrt werde ist so gross, dass ich auf den ersten Blick nur Ausschnitte davon wahrnehme. Doch ich erkenne sofort , dass sein Prunk herrschaftlicher Natur ist. Dieses ausgewogene, wundervolle Bildnis eines Edelmannes zwischen zwei Saeulen an der Wand gegenueber ist ein echter Velazquez. Und die mit zarten Rosen gefuellte Vase auf dem Pleyel Konzertfluegel zwischen den Fenstern ist ein erlesenes praekolumbianisches Stueck.
Weniger erlesen sind die Zuege des jungen Mannes in weissem Dinnerjackett (unter dem sich eine P 38 abzeichnet), der am Fluegel sitzt und gemaechlich ein paar Akkorde schlaegt.
Mein Kidnapper sieht ihn fragend an und nach einem gleichgueltigen Blick auf mich weist der andere mit dem Kinn in den hinteren Bereich des Salons. Auf dicken Teppichen ziehen wir weiter.
Schliesslich gelange ich zu einer Gruppe tiefer Sessel zwischen einem Renessancekamin und einem kleinen aber komfortablem Schwimmbecken aus Marmor, das ein kahlkoepfiger Mann, den ich sofort erkenne, mit kraftvollen Stoessen im Delphinstil durchpfluegt.
Eine andere , ebenfalls wohlbekannte Persoenlichkeit erhebt sich aus einem der Sessel um mich zuvorkommend zu begruessen.
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