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Tango um Fünf - Eine Liebesgeschichte

Tango um Fünf - Eine Liebesgeschichte
Tango um Fünf:

Sein Name ist Maurice. Vater Flame, Mutter Baskin - sein Alter könnte Anfang Zwanzig sein - soweit zur Geschichte. Also, er saß auf seinem Sofa, vor sich auf dem Tisch ein Strauß gelber Lilien. Drei Tage alt. Und drei Tage alte Lilien stinken. Sie versprühen den Duft des Todes. Süßlich und nachhaltig penetrant; ihn schauderte. Er zwängte seine Pupillen in die Blütenöffnung, begierig zu sehen, was ihn so ärgerte. Aus nächster Nähe lokalisierte er die gelben, samenverklebten Blütenstengel. Sie zappelten förmlich vor Energie. Er beschloss, sie herauszureissen, quasi eine waschechte Blütenkastration - er zuckte zusammen bei diesem Gedanken. Kastration! Wie alle Männer konnte auch er gut vergessen und rupfte die kleinen Stinker heraus. Er war froh, so abgelenkt zu sein, denn in Wirklichkeit krausten ganz andere Gedanken durch seinen hübschen Kopf: Sie. SIE! Dieses verdammte kleine Miststück, hatte sie ihm schon den Kopf verdreht, ihn ganz in ihren Bann geschlagen? Alles nochmal überdenken. Wer war sie, was hatte er gesehen, beim ersten Mal. Sie mit dieser schlanken, großen Blonden. Hatte er nicht den ganzen Abend um sie gebuhlt, sie umgarnt, hatte er nicht all seine Register gezogen? Wozu, kalt angelächelt hatte sie ihn, und sein Blick war ganz auf ihre Mundwinkel gerichtet und die sprachen eine andere Sprache, die Sprache des Verlangens. Sie spielte. Mit ihm. Mit dem kleinen Maurice.

Also er saß auf dem Sofa, die Lilien verströmten ihren letzten Atem. Während sich draussen die Sonne auf den Weg nach Westen machte. Er lauschte. Im Radio spielten sie einen Tango, seinen Tango. In seinen Gedanken tanzte er alle Schritte nach, mit ihr.


Maurice

Die Stadt flirrte vor Hitze. Meine Poren erstickten im eigenen Schweiß. Überall orientalische Düfte, Geschrei und Hektik. Diese Stadt ist mir so fremd und doch so voller Abenteuer. Ziellos schlingerte ich durch die endlosen Gassen, kein Café zog mich an, kein Basar übte seinen Reiz auf mich aus. Die Nachmittagssonne verbrannte mir den Nacken, ich brauchte einen Hut. Also steuerte ich ein kleines Hutgeschäft an, fand sogleich einen Strohhut, den ich gleich aufsetzte. Dann folgte der Spiegeltest. Passt genau. Weiter quälte ich mich durch die überfüllten Gassen, dieses Gedrängel, Blicke von überall her, ich stierte Luftlöcher in die Menschenmenge. Mir war alles egal, dachte nur an sie. An SIE! Dabei kannte ich sie kaum. Doch immer dachte ich an ihr Gesicht, ihr schönes Gesicht, an ihr Strahlen, ihre Stimme, ihr Lachen.

Schließlich fand ich doch ein Café. Eines, das ich kannte. Ich suchte mir einen freien Platz und bestellte mir türkischen Kaffee. Die Zeit verrann. Ich war schon beim Dritten, als ich sie erblickte. Arm in Arm mit der großen Blonden tänzelte sie schwerelos durch die Menge, gleich an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Ich drehte mich um, legte Geld auf den Tisch und folgte ihnen heimlich.

Mein Herz pochte vor Aufregung bei dieser Verfolgung, aus Angst, entdeckt zu werden. Nach einer Weile verschwanden sie in einen Innenhof, ich schlich hinterher. Sah sie wackelnden Hinterns die Treppe zu ihrer Wohnung besteigen. Ich wartete, bis die Tür ins Schloß fiel. Dann stieg ich auch hinauf, nahm Platz an einem Fenster. Unten im Hof beobachtete mich eine pfeiferauchende Alte mit bösem Blick. Ich tat so, als wäre sie Luft und tatsächliche löste sie sich in solche auf, sie verschwand endlich. Süße Gerüche drangen durch die Fensterritze in meine Nase, dann sah ich sie. Ausgelassen umarmten sie sich, sie und die Blonde. Die eine drückte die andere an einen Türpfosten, eng und vertraut umschlungen, ihre Hände überall, Kniee wurden vorgestreckt, Beine öffneten sich. Ihre Bewegungen waren elegant und aufreizend langsam, so als würden sie tanzen, ganz aufeinander abgestimmt. Sie waren ein Paar, das wurde mir schmerzlich bewusst. Sie küssten sich. Ich wollte mich gerade abwenden, als SIE mich erblickte. Vor Scham errötete ich, erwiderte kurz den Blick und verschwand. Ich hatte genug gesehen. Im Weggehen hörte ich eine Tangomelodie aus ihrer Wohnung. Dieses Biest.


Julia

Mit schmalen Augen sah ich ihn fortgehen. Er hatte so ein trauriges Gesicht, am liebsten wäre ich hinter ihm her gelaufen. Mein kleiner Maurice. Mein armer Maurice. Wir waren ein paar mal aus, haben Tango getanzt, getrunken, uns geküßt. Und er schwor mir Liebe. Schenkte mir Blumen, schenkte mir sein Herz. So gern kraulte ich ihm seinen Lockenkopf, irgendwie mochte ich ihn ganz gern, deswegen tat er mir jetzt leid.
Es war bestimmt ein Schock für ihn, zu sehen, wie mich meine Freundin verführte. Zu gerne hätte er selber mit mir geschlafen, er hat es oft versucht, immer wieder hielt ich ihn hin. Wenn er wüßte, dass ich es noch nie mit einem Mann gemacht habe, obwohl ich schon auf die 25 zugehe.
Seit meiner Jugend habe ich immer Frauen bevorzugt, so wie im Moment Helen, die blonde Engländerin. Wir arbeiteten beide bei der gleichen Bank. Beide in ein fernes Land versetzt, natürlich des Geldes wegen, ein bißchen Abenteuerlust gehört schon dazu und es schadet niemandem, sich ein wenig Wind um die Nase wehen zu lassen.

Maurice war Botschaftsangestellter. Was er dort genau machte, darüber schwieg er sich aus. Vielleicht sollte ich Schluß mit ihm machen, bevor sein Herz bricht. Andererseits zog er mich auch an. Wenn er mich berührt, bekomme ich jedes mal eine Gänsehaut vor Erregung. Und er macht mich sehr neugierig darauf, wie es wohl ist, mit einem Mann ins Bett zu gehen. So sanft wie er aussieht, ich denke, in ihm steckt auch etwas von einer Raubkatze. Er hat so etwas Wildes an sich, was mich fasziniert.

Das alles ging mir durch den Kopf, während ich Helen dabei beobachtete, wie sie sich anzog. Helen ist über einsachzig groß und sehr schlank, fast schmal, dabei aber auf wunderbare Art geschmeidig. Ihr Gesicht sah ein wenig herb aus, ihre wahre Schönheit strahlte sie von innen heraus. Ich liebte sie nicht. Ich will nur Sex mit ihr, und sie weiss das. Helen, die dominante Helen. Sie brachte mich immer wieder zum Höhepunkt und sie fand ihren Genuss darin, mich zu nehmen. Langsam schlich ich mich zu ihr hin und streichelte sie über ihren Rücken bis hin zu ihrem schönen, kleinen, runden Po. Wie lasziv sie ihren Nylons über ihre langen Beine stülpte, das war schon eine Klasse für sich. Jeder wollte mit ihr ins Bett. Alle, die ich kannte. Männer und Frauen. Sie war einfach tierisch geil anzusehen. Und wieder dachte ich an Maurice. Seinetwegen hatte ich ein schlechtes Gewissen, ich sollte ihn anrufen, mich mit ihm treffen.
Mein kleiner Maurice.

Als Helen gegangen war, zog ich mir schnell ein Kleidchen über und machte mich auf den Weg. Zu ihm, ohne vorher anzurufen. Ich will ihn überraschen. Ihm seine Traurigkeit nehmen, ihn zum Lachen bringen, ihn berühren.


Maurice

Wieder sog mich die Stadt auf. Wieder wandelte ich durch die engen, mir so fremden Gassen, durch all das Getöse - in meinem Zustand klang alles wie eine schlechte Melodie. Immer noch war ich voller Scham, was war ich doch für ein widerlicher Spanner. Julia. Was sie nun von mir denkt? Trotz des kühlen Abendwindes bildeten sich immer mehr Schweißtropfen wie Kainsmale auf meiner Stirn. Überflüssig, sie wegzuwischen, tausende wuchsen nach. Ich glühte, verglühte, mein Atem war so rauh und heiss wie der eines Drachen, mein Pulsschlag laut wie Donnerschläge. Mein Innerstes schrie nach Betäubung.

Ich schob mich durch die Menschenmassen, wurde geschoben, bedrängt, drängte selbst, drängte mich in eine Bar. Angewidert zog ich meine Hand von dem klebrigen, purpurroten Vorhang. Wer weiß, wie viele schmutzige Hände ihn schon berührt hatten. Unentschlossen suchte ich einen Tisch, einen freien Tisch. Ich wollte allein sein. Der Tisch im Halbdunkel zog mich magisch an, der überquellende Aschenbecher war mir gerade recht, er roch so schlecht wie ich mich fühlte. Eine schwere Haschischwolke erwischte mich, ich schaute in die Gesichter der Raucher. Noch klar ihre Blicke, doch gleich werden sich ihre Pupillen senken, benebelt werden sie kichern. Ich wollte nur trinken, mich sinnvoll betrinken bis zur Sinnlosigkeit. Der Platz an der Wand, alles im Augenschein, eine Bank mit Kissen, der Bezug abgeschabt, ich nahm mechanisch Platz. Aus dem kratzigen Lautsprecher röhrte Elvis, inspiriert von Love me Tender bestellte ich eine Flasche Whisky. Scotch, ein Stoff, bei dem ich sicher war, dass er mir nicht gut tat. Pur und ohne Eis, leicht angewärmt. Von der Bedienung sah ich nur den Teil abwärts des Tablettes, alles in allem ein Albtraum. Aus Furcht vor noch Schlimmerem schaute ich nicht nach oben. Sie knallte die Flasche und ein tatsächlich sauberes Glas lieblos auf den Tisch. Einen Moment lang schaute ich ihr nach, gedankenverloren, ihre Schuhe brauchten einen Schuster. Das randvolle Glas trank ich auf ex. Erstaunt darüber, mich nicht vor Ekel zu schütteln, steckte ich mir eine Zigarette an. Aus schmalen Schlitzen entdeckte ich eine kleine Bühne, Bewegung kam auf, orientalische Musik verdrängte den Sänger aus Memphis. Die Kellnerin zündete reihum Kerzen an, das Hauptlicht wurde ausgeschaltet. Eine viel zu schlanke Bauchtänzerin in einem billigen Kostüm betrat die kleine Bühne, sogleich nahmen ihre Hüften die Klänge auf und kreisten so gekonnt, dass mir schwindelig wurde. Leicht angetrunken fixierte ich ihre Augen. Sie war wunderschön, ich war fassungslos hier eine solch unerwartete Schönheit anzutreffen. Ihre funkelnden Augen, ihr sinnlicher Mund, ihre Bewegungen - ich dachte wieder an Julia. Ein zweites Glas wollte getrunken werden. Diesmal etwas langsamer, ich wollte Julia nicht aus meinem Kopf verlieren. Ja, ich stellte mir vor, Julia tanzt dort auf der Bühne. Beim dritten Glas war ich sicher, sie ist es. Ich schaute verliebt zu ihr hinüber, sie erwiderte meinen Flirt nicht. Der Anblick ihres wackelnden Arsches machte mich trunkener als der Whisky. Ein viertes Glas. Eine vierte Zigarette, nebenan kicherte der Raucherclub. Wieder schwängerten sie die Luft, man lud mich auf einen Stick ein. Ich lehnte ab und flirtete weiter mit meiner Julia, die mich immer noch total ignorierte. Stattdessen schaute mich der Thekenmann interessiert an, mit fetten schwarzen Augenbrauen und klobiger Nase. Im nächsten Leben manage ich dich als Preisboxer, teilte ich ihm in Gedanken mit.

Die Zeit gallopierte ins Leere, die Flasche ebenfalls, mein Zustand schloss sich ihnen an. Meine Kainszeichen hatten sich über den ganzen Körper verteilt, ich schwitzte wie eine Sau beim Sonnenbad. Vermutlich roch ich auch so. Aber der verdammte Haschischgeruch ließ nichts anderes an Düften zu. Gerade, als ich mir mit dem fünften und letzen Glas zuprosten wollte, verklang die Bauchtanzmusik. Julia verschwand von der Bühne, aus der Box tönte wieder Elvis. Der Preisboxer hinter der Theke zwinkerte mir vielsagend zu, gestikulierte diskret in meine Richtung. Die Kellnerin kam angedackelt, räumte die Reste meiner Betäubungsmittel auf ihr schäbiges Tablett und machte mir mit Handzeichen klar, dass ich ihr folgen sollte. Ich folgte ihr. Vorbei am Raucherclub, vorbei an dem Preisboxer, geradewegs hinter die Bühne. Dort stand sie: Die Bauchtänzerin, Julia kein bißchen ähnlich, doch schön wie eine Mohnblume frisch nach dem Schlüpfen. Mein Lächeln mißlang, ihres nicht. Sie nahm meine Hand und zog mich in ihr Zimmer. Ich ahnte schwach, was ich zu tun hatte, und ahnte auch den Preis. Ich war so betrunken, vom Whisky, von Julia, von Elvis und von ihr. Ich gab ihr obendrauf noch einen Zuschlag. Sie verriegelte die Tür, ich schmiss sie aufs Bett.


Ein Hauseingang

Leute schauten im Vorbeigehen in einen Hauseingang und sahen eine junge Frau, die weinte. Andere vorher sahen eine junge Frau, die Sturm schellte, ungeduldig und immer wieder. Die junge Frau setzte sich auf eine Treppe vor der Haustür. Sie vergrub ihr Gesicht in zwei goldgebräunte Hände, lange dunkle Haare fielen herab. Sie presste die Knie aneinander, die Füsse zuckten im Takt der vergossenen Tränen. Sie weinte, Minuten vergingen, Leute gingen vorbei, sie sah niemanden. Mit einer langsamen Geste strich sie das Haar aus dem Gesicht, man sah einen vollen roten Mund, der sich immer wieder öffnete und schloß. Die Augen der jungen und hübschen Frau waren geschlossen, von ganz nah sah man Augenwimpern flattern. Eine letzte silberne Träne rollte über eine samtige Wange. Die Augen öffneten sich, man versank in einem braunen Meer voll bernsteinschimmernden Sternen. Die junge Frau stand auf, sie war mittelgroß und schlank, sehr weiblich, wunderschön anzusehen in einem bunten luftigen Sommerkleidchen. Sie wischte sich mit einer schmalen Hand die letzte Träne aus dem Gesicht. Sie stand auf und ging. Der Hauseingang war wieder frei, die Treppe mit den fünf Stufen verlassen. Leute gingen vorbei.

Die zurück gelassenen Gedanken rochen salzig und schmeckten nach Traurigkeit. Sie erzählten von einem Wunsch, von aufkeimender Liebe, von einem warmen Gefühl in den Lenden einer jungen Frau. Vor allem aber von Warten, von Enttäuschung, von Traurigkeit. Ein Windstoß sammelte die Gedanken ein und trug sie fort. Leute gingen vorbei.

Maurice

Eilig schnappte ich meine Klamotten und zog mich an. Ein flüchtiger Blick in den Garderobenspiegel liess mich frösteln, ich sah aus wie ein Zombie. Tiefschwarze Augenringe, Bartstoppeln, wirre Haare, eine Bisswunde am Hals - ich sah echt scheisse aus. Die Tänzerin schlief, ich stahl mich davon. Draussen atmete ich tief durch. Der kurze Zeit mit ihr war heftig. Wir waren wie in einem Rausch, drehten uns, wälzen uns aufeinander, ineinander. Meine Hände schraubten sich um ihre Taille, ich packte sie, legte sie auf den Bauch, versohlte ihr den Arsch bis sie jammerte. Lustvoll jammerte, ich war egoistisch, rücksichtslos, keine Spur von Zärtlichkeit.

Die Nachtluft hielt mich wach. Die Bisswunde schmerzte, sie wird eine bleibende Erinnerung an diese Nacht. Die Kleine war danach sehr lieb, sie kochte mir einen Tee, streichelte mich eine Weile, wir redeten über alles mögliche, bis sie an mich gekuschelt einschlief.
Mein Instinkt führte mich zielsicher in meine Straße. Fast angekommen, kramte ich in meinen Taschen herum - mein Haustürschlüssel war nicht da, ich musste ihn verloren haben. Und der Hausmeister kam immer erst gegen acht. Müde kauerte ich mich auf die letzte Stufe der Eingangstreppe, meinen Kopf lehnte ich an die Tür. Ich schlief sogleich ein.


Der Hauseingang

Ein junger Mann schläft in einem Hauseingang, er sieht mitgenommen aus. Er schläft unruhig, sein Kopf lehnt an der Tür. Die Straße war menschenleer, die Luft kühl. Aus der Ferne erklang aus dem offenen Fenster einer jungen Frau die Ahnung eines Tangos, seine Melodie schlängelte sich unhörbar für andere bis in den Traum des junges Mannes. Es war fünf Uhr morgens. Der junge Tag bewegte sich noch auf Zehenspitzen.

Ein paar Stunden später werden Leute an dieser Haustür vorbei gehen und einen friedlich schlafenden jungen Mann anschauen.


Julia

Der Weg zu ihm hin glich einem Flug. Ich stellte mir seine Augen vor, wie sie staunten und so lieb schauten, wie er mit den Fingern eine Locke aus seinem Gesicht schnippte. All diese Bilder beflügelten meine Schritte, ich hob vom Boden ab und schwebte. Unterwegs spürte ich plötzlich eine so ungeheure Nähe zu ihm, so unmittelbar und so unerklärlich, eine so kribbelnde Lust auf ihn, meine Lenden strahlten ihre Hitze ohne Vorwarnung in mein Nervenzentrum. Die Nässe zwischen meinen Beinen und meine Fassungslosigkeit liessen mich wohlig erschaudern. Ich beschleunigte meinen Flug.

Niemand antwortete auf mein Klingeln. Immer und immer wieder drückte ich auf den Klingelknopf, immer wieder. Es kam mir endlos lange vor. Er war nicht zu Hause. Ich spürte, wie mich meine aufgestauten Emotionen zusammensacken liessen, wie ich innerlich zersprang. Ich musste mich setzen, Tränen liefen über mein Gesicht. Diese Scham, ich fühlte mich so zurückgewiesen. Fort, nur fort. Nach Helen, sie musste mich trösten, mich lieben. Mit den schweren Schritten eilte ich zu ihr, lief durch die Altstadt, direkt in ihre Arme. Einkaufstüten entglitten ihr, Zitronen und Feigen tanzten fröhlich auf der Straße. Ach, was sollte sie von mir denken. Unter den Tränen der Enttäuschung lachte ich sie an und küßte sie auf den Mund. Helen schaute mich aus ihren schrägen Augen fragend an, ich erzählte ihr alles.
Sie hatte einen Plan. Helen wußte immer alles. Er wird sich betrinken wollen, also klappern wir alle Bars auf dem Weg von dir zu ihm ab. Wir finden ihn.

Er saß in einer dunklen Ecke, er schaute einer Kellnerin hinterher. Ein seltsamer Geruch erfüllte die Bar. Helen zog mich hinaus, zum Hintereingang. Ein bulliger Mann öffnete und ließ uns ein. Helen sprach mit ihm, ihre Augen leuchteten auf - wie immer, wenn sie eine Idee hatte. Sie grinste belustigt zu mir herüber, ich fühlte, wie ich errötete. Helen ist verrückt, ich stimmte ihrem Vorschlag zu. Genussvoll verwandelte sie mich in eine Bauchtänzerin, dann steckte sie dem Mann etwas zu und nahm ihm das Versprechen ab, auf mich aufzupassen. Sie küsste mich zum Abschied und wünschte mir Glück.

Orientalische Musik erklang.


Tango um Fünf

Während ein wenig weiter enfernt ein junger Mann an der frischen Nachtluft schnupperte, schlief im Hinterzimmer einer heruntergekommenen Bar eine junge Frau den ruhigen tiefen Schlaf einer Glückseligen. Das fast unmerkliche Zucken ihrer Mundwinkel verriet, dass sie träumte. Sie träumte.

>Sie war zu Hause, alles zu einem großen Raum verschmolzen. Durch die offenen Fenster verbreitete sich die nachttiefe Schwärze. Ein unwirkliches schwaches, doch intensives Licht tauchte den Fußboden in ein Meer von Orange. Sie stand regungslos inmitten des Raumes, schaute auf ihre Arme, die das blauschimmerne Licht der Sterne reflektierten. Es war so still. Sie wagte kaum zu atmen, sie stand nur da, barfuss in einem weitschwingenden und tief ausgeschnittenen Kleid. Sie hob ihren Kopf und schaute in die ernsten Augen eines Mannes, der schwarzgewandet einfach vor ihr aus dem Nichts erschien. Er trat auf sie zu, nahm ihre rechte Hand in die seine, ihre linke legte er sich auf seine Schulter, seine rechte Hand auf ihren Rücken, etwas oberhalb der Taille. Er schaute in die Nacht.
Aus der Ferne verwob sich das fünfmalige Schlagen einer Kirchenglocke zu einer Melodie, die als Tango den Weg durch die geöffneten Fenster in die Herzen der beiden Tänzer fand, ein winziger Rest machte sich auf die Reise in die schlafende Nacht.<

Es war fast Acht, als ein Brennen zwischen ihren Schenkel sie weckte. Traumfetzen vermischten sich mit dem Erlebnis der letzten Nacht, es dauerte eine Weile, bis sie begriff wo sie war. Maurice! war ihr erster klarer Gedanke. Mit einem Schlag kamen alle Erinnerungen zurück, ihre Lust, ihr Schmerz, ihre Raserei. Den ersten Sex mit ihm hatte sie sich anders vorgestellt, zärtlicher und ohne Kratzer, auch ihr Gesicht brannte von seinem Dreitagebart. Sein Blick war so düster, so verloren und doch so voller Leidenschaft gewesen.
Neben ihr lag ein Schlüssel, sein Schlüssel. Sie zog wieder ihr geblümtes Kleidchen an, ordnete ihr Haar und machte sich auf den Weg zu ihm.


Der Hauseingang

In einem Hauseingang küsste eine junge Frau einem schlafenden jungen Mann sanft auf den Mund. Dann schmiegte sie sich an ihn, ihren Kopf auf seinem Schoß. Der junge Mann wurde wach, er warf einen unendlich zärtlichen Blick auf die junge Frau, seine Lippen formten ihren Namen. Er legte seine Arme um sie.

Menschen gingen vorbei. Manchen von ihnen, die zufällig in den Hauseingang schauten, wurde seltsam zumute. Für einen Moment kroch die Ahnung eines Tangos in ihr Herz und liess sie lächeln. Andere Menschen gingen vorbei. Die ganze Straße kam in Bewegung, das ganze Viertel. Ein neuer Morgen begann mit all seiner Geschäftigkeit. Die Stadt pulsierte, es wurde lauter und hektischer. Händler verkündeten ihre Angebote, Maschinen ratterten, Cafés wurden geöffnet. Ein ganz normaler Tag. Ein normaler Sommertag in Beirut. Ein Tag im Sommer 1975, Kirchenglocken schlugen neun Mal. Vor einer Moschee versammelten sich Menschen. Darunter einige, die lächelten.


Ein Parkplatz

Die Nachtluft roch nach Sommer, daran konnte auch der Regen nichts ändern, der mit Wucht auf die Erde donnerte. Walnussgroße Tropfen zerplatzten auf dem Asphalt eines großen Parkplatzes, der übersäät war von kleinen Pfützen, in denen sich das schwache Licht einer Laterne spiegelte. Der Mond hatte seine Auszeit und seine Abwesenheit ließ nur erahnen, dass riesige schwarze Wände genau diesen Platz von allen Seiten in tiefe Dunkelheit tauchen wollten. Der Platz wurde erfüllt von einer Erinnerung. Das Zentrum dieser Gedanken stand inmitten des Parkplatzes. Ein Mann mit geschlossenen Augen. Nasse Strähnen hingen schwer in seinem Gesicht. Der Mann stand regungslos dort und schaute in sein Innerstes, in die Ferne seiner Vergangenheit, begleitet von einer Melodie. Er wurde kurz zuvor von den Erinnerungen an längst vergangene Jahre eingeholt. Auf einer Vernissage sah er eine Frau, sah ihren erstaunten Blick, sah, wie sie ihn erkannte. Halblange, tahitibraune Haare umsäumten ihr schönes Gesicht. Julia.

Der Mann zündete sich eine Zigarette an, er ging fort. Zurück blieb ein leerer Platz. Die Laterne schaltete sich aus, ein neuer Morgen begann. Ein neuer Tag in einer großen Stadt. Berlin im Sommer 2006.


Julia

Maurice! Ich spürte, wie ich weiche Knie bekam, mein Puls beschleunigte sich. Er war älter geworden, ein reifer Mann mit grauen langen Haaren, genauso schlank wie früher, wie früher auch seine lässige Kleidung. Immer noch ging diese Wildheit von ihm aus, ich konnte sie körperlich spüren. Er bewegte sich wie ein Panther nach dem Mittagsschlaf, wieder hungrig, eine Beute im Visier. Wenn er mich nur nicht ansieht, dachte ich. Nervös schob ich mir eine Locke aus dem Gesicht. Dann traf mich sein graugrüner Blick mitten in mein Herz. Schlagartig war ich unfähig klar zu denken, alles kam zurück. Dreissig Jahre wie weggewischt. Am liebsten hätte ich laut geschrien, geweint, mich auf ihn gestürzt, wäre in seine Arme geflogen. Alles, alles, alles. Meine Hände wurden feucht, vor allem die Linke, die gehalten wurde von meinem Begleiter, meinem Mann, der in ein Gespräch vertieft war. Maurice und ich schauten uns lange schweigend an, wir brauchten keine Worte. Blindes Verstehen. Wie früher, wie damals in dem uns so fremden Land, als wir ein Paar waren.

Beseelt von dem Wunsch, seinen sinnlichen Mund zu küssen, den ich so liebte, erklärte ich meine zukünftige Abwesenheit mit der schlechten Luft und verließ die Galerie. Er folgte mir. Zwei Straßenblöcke weiter hatte er mich eingeholt.


Maurice

Sie lehnte an einer Schaufensterscheibe ("Ihr Sonnenparadies") und sie zitterte vor Erregung. Ihre Mundwinkel zuckten im Takt, wie früher. Meine Hände umschloßen ihre Handgelenke, ich presste sie an die Scheibe. Sie schloß die Augen, ihre Wimpern flatterten, meine Lippen hauchzart von den ihren. Wir rochen unseren Atem, der immer heftiger wurde. Voller Leidenschaft küßten wir uns endlos lange. Durch den Stoff schwitzten wir uns voll, rieben unsere Leiber aneinander, umschlangen uns.
Sie musste wieder zurück. Ein Stück begleitete ich sie, wir verabredeten uns für den nächsten Tag, ich gab ihr meine Telefonnummer.

Es wurde langsam dunkel. Es roch nach baldigem Regen und ich sog begierig die Abendluft ein. Freunde warteten in einer kleinen Bar auf mich, wenige Meter noch. Wenige Meter bis zu einer weiteren schlaflosen Nacht.


Ein Café

Die heiße Nachmittagssonne hatte die Stadt wieder getrocknet. Weiße Wölkchen auf blauem Grund warteten vergeblich auf den kühlenden Wind. Sämtliche Biergärten und Cafés platzten aus den Nähten, die Stadt brodelte, verkochte zu einem urbanen Eintopf. Blicke verschmolzen, ein Tag mit eingebautem Lächeln, manche Haut glühte und wollte berührt werden. Langsam bewegte sich der Zeiger einer Kirchturmuhr auf Fünf zu.

Gegenüber der Kirche vor einem kleinen Café. Ein Mann und eine Frau hielten sich an den Händen. Ihr Kaffee war längst kalt, ihr Mineralwasser warm. Sie redeten, lange und eindringlich. Redeten von ihrer Vergangenheit, ihrer Verzweifelung von damals, als er plötzlich aus ihrem Leben verschwand. Über Nacht wurde er an das andere Ende der Welt versetzt, keine Zeit, ihr Bescheid zu sagen. Sie suchte ihn wochenlang, monatelang. Als er zurück kam, war sie weg. Sie redeten über alles, über ihr Leben danach, über ihre Träume, Sehnsüchte, Gedanken. Zärtlich bewegten sich Lippen im Takt ihrer Worte. Sie küssten sich. In ihren Blicken stand Liebe.
Nichts als Liebe. Liebe.


Tango um Fünf

Die Uhr schlug Fünf. Der Mann stand auf, aus seinem Innersten erklang eine Melodie. Andere Cafébesucher schauten erstaunt auf, lauschten unbewußt. Die Frau verstand. Sie nahm seine angebotene Hand, schmiegte sich in ihn hinein. Sie tanzten durch all die Tische, Stühle, Menschen hindurch, tanzten auf der Straße, tanzten sich selbst. Sie hatten sich wieder.
Leidenschaft.
Liebe.

---

Copyright: Maurice de Winter 2006 - Überarbeitet 2/2008
wahnsinn
die geschichte. du hast eine art zu schreiben, die einen total fesselt.
die story ist mindestens einen pfau wert *zwinker* bewunderolaf
alternativ "oscar" ;-)
Mensch Olaf.
Danke für den Pfau.
Den stecke ich mir gleich an meinen Dichterhut *g*
(Hoffentlich zappelt der nicht so wild.)

Freut mich, wenn Dir meine Geschichte gefallen hat.

LG
Moritz
**********kubus Paar
1.252 Beiträge
moritz
ich freue mich, dass diese geschichte auch endlich den weg in das gruppenforum gefunden hat, weil ich sie einfach wundervoll finde.

liebe grüße
silke
Vielen Dank, liebe Silke.

Du weisst, wie sehr ich Deine Meinung schätze .-)

LG
Moritz
Orange Session
*********katze Frau
8.077 Beiträge
Moritz,
egal, wie oft ich diese Geschichte lese, sie berührt mein Innerstes jedes mal.

Grandios.

Danke, dass Du sie geschrieben hast!

Christine
Hallo Moritz
Von Abschnitt zu Abschnitt wurde ich mehr gefesselt von Deiner Geschichte.

Große Klasse !!

Da merke ich wiedermal, das ich beim schreiben meiner Geschichten noch viel lernen muß.

Liebe Grüße

Danke für den Beitrag


Marlis
Marlis.
Nein, muss Du nicht, du kannst, und nicht wirklich zwingend notwendig.

Habe Deine
http://kurzgeschichten.joyclub.de/forum/t118004.meine_liebe_griechische_verwandtschaft_teil_3.html

verfolgt, hautnah.

Jeder hat seinen ureigenen Stil, seine Gedanken, Phantasie, Erlebnisse in Worte zu fassen.

Bleib so, lass Dich nicht im Wort verbiegen.

LG
Moritz
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