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Gaetano Donizetti (1797-1848)

**********gosto Frau
16.058 Beiträge
Themenersteller 
Gaetano Donizetti (1797-1848)
Sooo, meine lieben Freunde der klassischen Musik, die Würfel sind gefallen.

Donizetti hat das Rennen gemacht und ist von euch mit 7 von 18 Stimmen zum Künstler des Monats November gewählt worden.


Gaetano Donizetti (1797-1848) war einer der wichtigsten und produktivsten Komponisten des Belcanto und hat 71 Opern geschrieben.

Sein bekanntestes Werk ist wohl „Lucia von Lammermoor“. Heute aber zur Einstimmung erstmal ein kurzes Stück für Klavier und Flöte.


**********gosto Frau
16.058 Beiträge
Themenersteller 
Beim Lesen von Donizettis Wikipedia-Artikel bin ich beim Schicksal seiner Frau Virginia Vasselli hängengeblieben:
Sie hatte den Komponisten 1828 mit Neunzehn geheiratet. Nach etlichen Schwangerschaften, die mit Früh- oder Totgeburten endeten, starb sie 1837, nur achtundzwanzig Jahre alt, an der Cholera.

Natürlich kann niemand was dafür, dass ihrer beider Leben so unterschiedlich verlaufen ist, aber der krasse Gegensatz hat mich schon berührt.




*****966 Paar
3 Beiträge
Ein weiteres Kammermusikhighlight von Donizetti
**********gosto Frau
16.058 Beiträge
Themenersteller 
Statt eines systematischen Einstiegs in Leben und Werk unseres KdMs gibt es dieses Mal eine schrittweise Annäherung in kleinen Appetithappen. Hier „Il dolce suono“ aus Donizettis bekanntester Oper „Lucia di Lammermoor“ … *fernglas*


*******sima Frau
2.445 Beiträge
"Gaetano Donizetti - Meister des Belcanto"
Unter dieser Überschrift sendete der SWR2 eine fünfteilige "Musikstunden"-Reihe vom 29. Januar bis 2. Februar 2018. Das Manuskript zu dieser Sendung stammt von Ulla Zierau, der Musikredakteurin, die auch das parallel noch laufende Manuskript im Verdi-Manuskript Thread konzipiert und verantwortet hat.

Nach Rücksprache mit @**********gosto werde ich das in diesen Donizetti gewidmeten Thread hier einbringen, in gewohnter Weise in "Häppchen" aufgeteilt und in loser Abfolge.

Dennoch wäre es schön und belebend, wenn sich auch weitere Mitglieder de Gruppe ab und zu mal aktiver hier beteiligen würden. Bitte keine falschen Skrupel, je mehr verschiedenartige Blicke auf einen Künstler wir hier zusammentragen können, desto interessanter wird es für alle!

Donizetti hat, was kaum einer weiß, nahezu 70 Opern geschrieben, von denen heute nur noch wenige bekannt sind. Daher wird es auch keine leichte Aufgabe werden, entsprechende Musikvideos zu finden, die ich begleitend jeweils in den Text einfügen und hier einstellen kann. Die ursprünglich verwendeten Musikbeiträge der Sendung sind für uns meist nicht zugänglich, das hat rechtliche Gründe, viele Aufnahmen sind eben den Archiven der ARD-Sendeanstalten entnommen und stehen dann auch nur ihnen frei zur Verfügung. Dafür bitte ich an dieser Stelle bereits um Nachsicht.

Ulla Zierau habe ich bereits an anderer Stelle vorgestellt (KLASSIK: Giuseppe Verdi), daher beginne ich jetzt unmittelbar mit dem Manuskripttext.

MANUSKRIPT ZIERAU (1)

Gaetano Donizetti ist der Meister des Belcantos. Lucia, Maria, Adina, Lucrezia, Anna, Linda, Marie, Norina, so heißen seine unendlich schön singenden Frauen, die kennen Sie nicht alle? Macht nichts, Sie werden sie in dieser Woche kennen und vielleicht auch lieben lernen. Eine Musikstundenwoche für Opernfreunde und die, die es werden wollen. Wir begleiten den Meister des Schöngesangs, Gaetano Donizetti durch sein Leben. Ihr Guide ist Ulla Zierau.

Ohne Frage reihen wir Gaetano Donizetti unter die großen italienischen Opernkomponisten des 19 und 20. Jahrhunderts ein, Rossini, Bellini, Verdi, Puccini. Stellt sich jedoch die Frage nach seinen nahezu 70 Opern, dann kommt man schnell ins Grübeln. Eine davon, ist vermutlich allen bekannt, seine populärste tragische Oper, d i e romantische italienische Liebesoper schlechthin, "Lucia di Lammermoor".

Gustave Flauberts Romanfigur Madame Bovary lässt sich von ihr zu ungeahnten Regungen führen. Beim Gesang der Lucia di Lammermoor verspürt Emma Bovary den Widerhall ihres eigenen Innern. Über neun Seiten beschreibt Flaubert den Opernbesuch in Rouen und die Gedanken Emmas. „Lucia stimmte mit ernster Miene ihre Kavatine in G-Dur an; sie beklagte ihre unglückliche Liebe, sie wünschte sich Flügel. Emma hätte sich ebenfalls gern, das Leben fliehend, in eine Umarmung geflüchtet.“



Donizetti LUCIA DI LAMMERMOOR 1991.10.19 Nationaltheater München (Edita Gruberova, Bayrisches Staatsorchester, Leitung: Michel Plasson)

Neben der Lucia sind nur wenige Opern Donizettis im internationalen Repertoire angelangt. "Don Pasquale" gehört mit Mozarts "Figaro", Rossinis "Barbier" und Verdis "Falstaff" zu den Eckpfeilern der komischen italienischen Opern.

"L’elisier d’amore“ – „Der Liebestrank" zählt weltweit zu den rührendsten Pastoralstücken und "La fille du régiment“ – Die Regimentstochter" ist der Franzosen liebstes Stück. Sie ist noch heute fester Bestandteil der Feierlichkeiten zum 14. Juli, nicht nur wegen der Militärmusik, sondern auch wegen der liebreizend, komischen Geschichte: das Findelkind Marie wird von den Soldaten eines französischen Regiments groß gezogen und im Gesangsunterricht singt sie dann auch lieber die Regimentshymne als Belcanto-Arien.

„Lucia di Lammermoor“, „Don Pasquale“, „Der Liebestrank“ und „Die „Regimentstochter, das sind gerade mal vier Opern von 70. Dem Engagement einiger Sängerinnen, unter ihnen Joan Sutherland und Edita Gruberova – verdanken wir in den vergangenen Jahrzehnten eine Donizetti Renaissance, mit Werken wie "Anna Bolena", "Maria Stuarda", "Lucrezia Borgia", "Roberto Devereux", "La Favorita" oder "Maria di Rohan". Aber wer hat je etwas von "L´esule di Roma", "Rosmonda d’Inghilterra", "Gemma di Vergy", „Emma di Liverpool“, „Elvida“ oder "Ugo, conte di Parigi“ gehört. Von vielen Donizetti-Opern gibt es nicht einmal eine Aufnahme, geschweige denn auch nur eine Arie.

Und wie sieht es mit seinem Leben aus. Auch darüber wissen wir nur wenig. Ganz anders als bei Rossini, über dessen Privatleben zahlreiche Anekdoten kursieren oder bei Giuseppe Verdi. Denken wir an ihn sehen wir das Bild eines alten, eigensinnigen Gran Signore, der sich gerne als Bauer von Sant‘ Agata präsentierte.

Und welches Bild verbinden wir mit Donizetti? Ich behaupte mal keines. Wer war Gaetano Donizetti. In welchem Umfeld hat er gelebt, was hat ihn geprägt, wer waren seine Freunde, welche Ziele hat er verfolgt?

Was für ein Verhältnis hatte er zu seiner Musik, zu seinen Heldinnen auf der Bühne? Hat er selbst gesungen, hat er Geige gespielt, war er Pianist, liebte er Walzer?


Pietro Spada, Donizetti, Walzer in C Dur
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (2)
Um den italienischen Opernkomponisten, den Meister des Belcantos, des Schöngesangs geht es in der SWR2 Musikstunde dieser Woche.

Heute betrachten wir die frühen Jahre in seiner Geburtsstadt Bergamo und in Bologna. Morgen werden es die ersten Prüfsteine auf italienischen Bühnen sein, der Kampf um die Anerkennung an der Scala und die Konkurrenz mit Bellini.

Am Mittwoch und Donnerstag begleiten wir Donizetti auf dem steinigen Weg nach Paris, wo er mit seinen komischen Opern Erfolge feiert und er endlich den Höhepunkt seiner Laufbahn erreicht.

Am Freitag werden wir in Wien sein, wo er am Ende seiner Karriere in den Diensten des Kaisers steht, dann folgen die traurigen Jahre seiner Krankheit. Gerade er, der den Wahnsinn so kunstvoll auf die Bühne gebracht hat, stirbt in geistiger Umnachtung.

Nach Wunderkind-Geschichten sucht man bei Donizetti vergeblich. Domenico Gaetano Maria Donizetti - so der vollständige Taufname - kommt im oberitalienischen Bergamo als fünftes von insgesamt sechs Kindern zur Welt, zwei sterben im Säuglingsalter. Die Donizettis leben außerhalb der Stadtmauern. Das ist ein eindeutiges Indiz für die finanziell schlechte Lage der Familie. Die Behausung gleicht eher einem Keller als einer Wohnung, zwei muffige Räume im Untergeschoss: "Ich war unter der Erde des Borgo Canale geboren - man musste eine Kellertreppe hinuntersteigen, zu der kein Lichtschein je eindrang," erinnert sich Donizetti.

Die erbärmlichen Umstände seiner Kindheit belasten Donizetti zeit seines Lebens. Das Verhältnis zum Vater ist schwierig. Der glaubt nicht an seinen Sohn und hält einen Aufstieg als Opernkomponist für unmöglich. Egal ob Erfolg oder Niederlage - Donizetti hat dem Vater gegenüber immer ein schlechtes Gefühl. Einerseits hält ihn der Vater für größenwahnsinnig, andererseits für einen Versager.

Nicht einmal zu seiner Hochzeit lädt Donizetti seine Eltern ein, sie lernen seine Frau niemals kennen. Erst als Donizetti ein anerkannter Komponist ist, bessert sich die Beziehung zu seiner Familie, auch zu seinem älteren Bruder Giuseppe, der Hofmusiker beim türkischen Sultan ist.

Nach einigen Jahren kann sich die Familie endlich eine bessere Wohnung innerhalb der Oberstadt leisten. Der Vater ist inzwischen Pförtner in der städtischen Pfandleihe. Um das Talent der Kinder kümmern sich die Eltern nicht.

Der Musiktradition der Stadt Bergamo und dem Einsatz eines deutschen Komponisten verdankt Donizetti seine musikalische Förderung. Johann Simon Mayr, in Bayern geboren, lässt er sich nach seinen Studien am Jesuitenkolleg in Ingolstadt, in der Lombardei, in Bergamo nieder.

Er komponiert über 50 Opern, Kirchenmusik, Kammer- und Orchestermusik. Als Kapellmeister an San Maria Maggiore in Bergamo schreibt er das Miserere g-Moll, die Vertonung des Psalms 51.

(Bitte zu Nr. 3 der Aufnahme scrollen!)
https://mozaart.com/en/a/simon-mayr

Asperges me, befreie mich von Blutschuld, aus dem Miserere g-Moll von Johann Simon Mayr in einer neuen Ersteinspielung. Franz Hauk leitete den von ihm begründeten Simon Mayr Chor, verstärkt durch Mitglieder des Chores der Bayerischen Staatsoper und das Concerto de Bassus.

Als Komponist erlangt Mayr kein allzu großes Ansehen, aber als Lehrer. Mit der Unterstützung des Kirchenrates von Santa Maria Maggiore gründet er in Bergamo eine Chorsängerschule und erweitert sie um Literaturkurse, Geigen- und Cembalo-Unterricht.

Da die Schule kostenfrei ist, meldet Vater Donizetti seine beiden Söhne in Mayrs Institut an, den ältesten, Giuseppe, mit 18 Jahren und den jüngsten, Gaetano, mit 9 Jahren. Giuseppe wird abgelehnt, er ist schon zu alt. Gaetano hingegen wird aufgenommen. Doch der Start als Chorknabe läuft nicht glatt. Er leide an einem "Kehlkopfdefekt", heißt es, in Wirklichkeit kann er gar nicht singen. In den Schulzeugnissen steht, er habe eine fehlerhafte Stimme.

Was sucht ein solcher Junge auf einer Chorschule? Eigentlich nichts und so steht der Ausschluss kurz bevor. Doch Mayr glaubt an die musikalische Begabung seines Schützlings und fördert ihn weiter.
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (3)
Neun Jahre bleibt Donizetti unter der Obhut seines Lehrers. Aus dieser Schulzeit in Bergamo stammen seine ersten Kompositionen, geistliche Werke, darunter auch Vokalmusik und einige Klavier-Kompositionen. Für seinen Jugendfreund Antonio Dolci und sich selbst schreibt er die Klaviersonate zu vier Händen in B-Dur.

(An dieser Stelle erfolgte in der Sendung eine Einspielung dieser Sonate leider konnte ich kein Video dazu finden oder auch nur einen podcast. Falls jemand diesbezüglich erfolgreicher sein sollte, wäre es schön, dies nach meinem Beitrag hier einzustellen. Danke!)

Nach der Chorsängerschule schickt Johann Simon Mayr den jungen Donizetti ans Lyzeum nach Bologna. Bei dem Franziskaner-Mönch Padre Stanislo Mattei soll er kontrapunktische Kirchenmusik lernen.

Kurz zuvor hat ebenda ein junger Musiker aus Pesaro seine Studien absolviert und ist gerade dabei, die italienischen Opernbühnen aufzurütteln. Gioacchino Rossini, knapp sechs Jahre älter als Donizetti. Er hat bereits ein Dutzend Opern komponiert oder sagen wir: aus dem Ärmel geschüttelt, darunter "Die Seidene Leiter", "Tancredi", „Die Italienerin in Algier" und "Ein Türke in Italien".

Donizettis Lebenslauf hingegen ist ein anderer.
Für die Studien in Bologna muss sich Mayr um finanzielle Unterstützung bemühen. Er schreibt zahlreiche Bittbriefe an wohlhabende Persönlichkeiten und an Institutionen in Bergamo. Nach überschwänglichen Lobeshymnen über den jungen Studenten kommt Mayr auf den Punkt seines Anliegens und wirbt für die Ausbildung bei Padre Maestro Stanislo Mattei in Bologna. Er schreibt:

"Da jedoch der junge Mann ohne Mittel ist, solcher Vorteile teilhaftig zu werden, so haben einige großzügigen Seelen sich bereit erklärt, auf zwei Jahre mit offenen Händen den Unterhalt dieses jungen Mannes zu unterstützen. Da dies aber nicht ganz ausreicht, erlaube ich mir die Erlauchte Congregazione darum zu bitten, als eine Tat wahrer Wohltätigkeit für diesen überaus verdienstvollen Zweck an dieser Unterstützung teilzunehmen und mit ihrer bekannten Großzügigkeit zu dem erwarteten Resultat beizutragen."

Die wortgewandte Bitte Mayrs bleibt nicht unerhört. Die finanzielle Unterstützung wird zugesichert; einen Monat vor seinem 18. Geburtstag ist Donizetti auf dem Weg nach Bologna.

Bei Padre Mattei lernt er vor allem das Fugen-Schreiben. Über 60 sind es, die Donizetti unter den gestrengen Augen des Padres ausführt. Doch der Schüler hat nicht nur Kontrapunktik im Kopf. Im ersten Bologneser Jahr entstehen eine erste Oper, geistliche Werke und das Concertino für Englischhorn und Orchester.



(Donizetti: English Horn Concertino, A 459 - Andante - Andante: Tema con variazioni - Allegro · Heinz Holliger · Bamberg Symphony Orchestra · Peter Maag)

Nach zwei Jahren intensiven Studiums am Lyzeum in Bologna kehrt Donizetti nach Bergamo zurück. Nicht nur als Komponist ist er gereift. Der junge Donizetti hat einige Liebschaften hinter sich und es wird vermutet, dass er sich hierbei Syphilis zugezogen hat. Eine Krankheit, die zu Lebzeiten nie diagnostiziert wird, die aber 30 Jahre später zu Donizettis körperlichen und seelischen Zerfall führen wird.

Im Haus des vornehmen Bürgers Alessandro Bertoli nimmt Donizetti an den wöchentlichen Kammermusik-Abenden teil. Je nach Bedarf spielt er Geige oder Bratsche. Gemeinsam spielen sie Streichquartette von Mozart und Haydn. Donizetti wird mit offenen Armen empfangen:

"Er war ein ansehnlicher junger Mann geworden, groß und schlank, mit einer zwischen Offenheit und Eleganz liegenden Haltung und einem Benehmen, das sowohl Charakter wie Zurückhaltung zeigte (...) Die Kopfform war lang und ausgeprägt, mit weichem Gesichtsausdruck (…); er hatte dichtes Haar, das ins Dunkelbraune ging, zum Teil lockig, und faszinierende Augen", soweit eine Beschreibung Donizettis.

Ab und zu zaubert Donizetti ein eigenes Streichquartett aus der Tasche, ganz im Stile Haydns. Damit erfüllt er die Wünsche seiner Hausmusik-Partner, allesamt Humanisten, die gerne von guten alten Zeiten träumen.



Ein nicht näher identifizierbares Orchester spielte den 4. Satz aus Gaetano Donizettis Streichquartett Nr. 11 C-Dur
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (4)
Zurück am ärmlichen Tisch der Familie im städtischen Pfandhaus unternimmt Donizetti eher klägliche Versuche in Richtung Operngeschäft. Im Teatro San Luca in Venedig studiert er erstmals eine eigene Oper ein: "Enrico di Borgogna" / "Heinrich von Burgund".

Das Premierenpublikum ist mehr an der Ausstattung des neu renovierten Theaters interessiert als an der Musik eines jungen Bergamasken, der als "Donzelletti" angekündigt wird. Nicht gerade ein guter Start für einen jungen Komponisten, der sich einen Namen machen will.

Zweimal wird Donizettis Oper wiederholt, damit ist sein Debüt beendet.
Mit dem Durchbruch will es nicht klappen. Es folgen keine weiteren Aufträge. Das einzige, wofür Donizetti immer wieder Abnehmer findet, sind geistliche Werke.

Immerhin ist er zumindest in Bergamo inzwischen so angesehen, dass er von einer wohlhabenden Bürgerin vom österreichischen Militärdienst freigekauft wird. Bergamo bleibt während seines gesamten Lebens besetztes Gebiet, zuerst von den Franzosen, dann von den Österreichern. Vom Militär verschont, kann Donizetti sich weiter der Musik widmen. Doch der Erfolg ist noch fern, er mag in diesen Jahren selbst nicht mehr daran glauben: "Ja, ich habe von Anfang an gewusst, dass der Beruf eines armen Opernkomponisten zu den unglücklichsten gehört, und nur die Not lässt mich daran festhalten."

Vermutlich hilft wieder einmal Johann Simon Mayr, er vermittelt, und bald verhandelt Donizetti mit dem Impresario des römischen Teatro Argentina über eine Oper. Er soll für die nächste Karnevalszeit eine Seria schreiben: "Zoraida di Granata" nach einem Libretto seines Schulfreundes Bartolomeo Merelli.


Zoraida di Granata, Act 1: Overture
Orchestra: Academy of St. Martin in the Fields
Conductor: David Parry

Die Premiere ist erfolgreich, das Publikum begeistert. Nach der dritten Aufführung wird Donizetti auf dem Weg in die nächste Trattoria von einer Militärkapelle und einer Fackelroute begleitet. Ein Kritiker schreibt: "Eine neue vielversprechende Hoffnung hat sich für die italienische Opernhäuser aufgetan. Der junge Maestro Gaetano Donizetti hat mit seiner Opera "Zoraide di Granata" eine starke Initiative ergriffen. Der Beifall war allgemein, ehrlich und einstimmig, den er mit Recht von dem vollen Haus erhielt, das seinem Werk einen triumphalen Empfang bereitete."

Der Erfolg steigt Donizetti nicht zu Kopf. Seinem Lehrer Mayr gegenüber äußert er sich zurückhaltend. Nach Hause sendet er überhaupt keine Nachricht. Und er tut gut daran, denn der Durchbruch ist noch lange nicht geschafft.

Von Rom macht er sich auf den Weg nach Neapel. Dort will er eine neue Oper spielen. Neapel soll für die nächsten Jahre die Hauptwirkungsstätte werden. Von hier aus wird er ganz Italien bereisen, auch Mailand.
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (5)
Nach dem beachtlichen Erfolg seiner Oper "Zoraida di Granata" verlässt der 25 -jährige Komponist Rom in Richtung Süden. Er will in Neapel sein Glück versuchen....

Mit der Entscheidung für die Oper legt Donizetti sein Schicksal in die Hände der mächtigen Impresarios. Sie, die Besitzer der Opernhäuser, bestimmen, ob ein Werk gespielt wird oder nicht, kurz sie entscheiden über eine Karriere. Das Leben als Opernkomponist bedeutet eine ständige Auseinandersetzung mit Theaterintendanten und Librettisten. Es ist ein fortwährendes Ringen um Erfolg.

Der Weg ins Rampenlicht ist für Donizetti mühsam und langwierig. Über 30 Opern schreibt er, eine an der anderen, insgesamt 19 für Neapel. Und es dauert Jahre bis er sich im Geschäft behaupten kann, bis seine Opern auf nationalen und internationalen Bühnen gefragt sind. Seinen ersten großen Erfolg feiert der 33-jährige mit seiner 35. Oper "Anna Bolena". Für eine Gruppe Mailänder Adliger und reicher Kaufleute hat er sie geschrieben. Und die legendäre Giuditta Pasta singt bei der Uraufführung im Teatro Carcano die Titelrolle.



„Anna Bolena" von Gaetano Donizetti, 2. Akt, die Arie der Anna mit Maria Callas.

„Anna Bolena“ ist also Donizettis erster großer Erfolg. Und das zu einem günstigen Zeitpunkt. Gerade hat Rossini seinen Rückzug von der Opernbühne erklärt. Donizetti und der vier Jahre jüngere Vincenzo Bellini können sein Erbe antreten. Sie sind jetzt die führenden Opernkomponisten Italiens. Der Weg führt über Neapel.

In Neapel hat Donizetti Rossini kennengelernt. Für ihn eine zwiespältige Begegnung. Einerseits bewundert er Rossini. Einiges hat er von ihm übernommen, den reichverzierten Stil, die Koloraturen, die Vokalisen. Anderseits hat Donizetti noch die mahnenden Worte seines Lehrers Mayr im Ohr, der die Rossini‘sche Komponier-Weise immer kritisch beurteilt hat. Rossini missachte die Ausgeglichenheit zwischen der kontrapunktischen Tradition und der italienischen Musizierlust, zu Gunsten der Italianità.

Vor allem aber missfällt Mayr das Durcheinander verschiedener Stilelemente der weltlichen und geistlichen Musik: " Auf der Bühne klingt es wie im Concertsaal, und in der Kirche ist es nicht anders. Überall Mengerey und also etwas Wirres, wild Aufgeregtes. Dadurch müssen wir notwendig ärmer werden. Das muss ein schlechtes Ende nehmen."
so lamentiert Mayr. Dabei war er es gewesen, der mit seiner Musik Rossini den Weg geebnet hat - mit dem Unterschied, dass Rossini den Lauf der Melodien, die typischen Crescendi und Formen wie die Cabaletta häufiger und vairabler einsetzt als es Mayr getan hat. Rossinis "Tancredi" ist ein Paradebeispiel.



Tancredi: Act II: Secondo finale

Viel eindrücklicher als das Treffen mit Rossini ist für Donizetti die Begegnung mit Vincenzo Bellini. Der vier Jahre jüngere Sizilianer hat in Neapel studiert. Er wird ein ernst zu nehmender Konkurrent, ja Bellini wird Donizetti das Leben in den nächsten Jahren schwer machen. Über einen Opernbesuch Bellinis in Neapel berichtet ein gemeinsamer Freund: "Der angesehene Komponist Carlo Conti sagte eines Tages zu mir und Bellini: ‚Geht und hört Euch Donizettis "La Zingara" an, die ich jeden Abend mit wachsendem Eindruck genieße: unter den anderen Nummern werdet Ihr ein Septett finden, das nur ein Schüler von Mayr begabt und fähig genug ist zu schreiben.‘ Wir beeilten uns hinzugehen, und dieses Septett, der Höhepunkt der Oper, zog Bellinis Aufmerksamkeit und Bewunderung auf sich. Kurz danach bat er Conti dringend, ihn Donizetti vorzustellen, und ich erinnere mich, dass der Tag, an dem diese Begegnung stattfand, ein Festtag für Bellini war“.



Sie haben es gemerkt, das war kein Septett, sondern eine Arie, der einzige Ausschnitt, den ich von der Oper „La Zingara“ gefunden habe.

Bellini ist also beeindruckt von Donizettis Oper. Sicher ist den Beiden bei ihrer ersten Begegnung noch nicht klar, dass sie bald als Konkurrenten um die Gunst der Impresarios, der Librettisten, der Sänger und des Publikums werben werden. Und dass sie beide der romantischen italienischen Oper ihren Stempel aufdrücken werden. Bellini mit seinen „Melodie lunghe“, seinen langen Melodien und Donizetti mit der "Oper der neuen Kürze". Das bezieht sich nicht auf die Gesamtlänge, sondern auf die effektvollen zugespitzten Formen wie Cavatina und Cabaletta, deutliche Kennzeichen seines Belcantos.
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (6)
Nach zwei erfolgreichen Auftritten in Neapel wagt sich Donizetti mutig in den Löwenkäfig nach Mailand, er schreibt eine Oper für die Scala. Dieses Debüt steht unter keinem guten Stern. Der renommierte Librettist Felice Romani liefert das Manuskript nicht rechtzeitig, der Premierenabend muss verschoben werden. Am Ende wird "Chiara e Serafina" 12mal gespielt, am letzten Abend sind die Sitzreihen im Zuschauerraum fast leer. Kurz: Die Eroberung der Scala ist gescheitert.

Am besten nicht weiter darüber nachdenken und weiter machen. Donizetti heiratet Virgina Vasselli, Tochter einer römischen Anwaltsfamilie, er nimmt die Stelle des Musikdirektors am Teatro Carolino in Palermo an. In nur acht Jahren komponiert er 20 Opern und zwei Neufassungen. Die Leistungskapazität wird er in den nächsten Jahren noch steigern.

Der Musikkritiker Louis Engel erinnert sich:
"Donizetti schrieb schnell, derartig schnell, dass ich, als ich ihn zum ersten Mal beim Schreiben beobachtete, nicht glaubte, dass er Noten schrieb. Er hatte eine Gabe, das Notensystem mit Punkten wie einen Telegrammstreifen zu bedecken und danach fügte er die Hälse und Balken ein."

Inzwischen ist auch Vincenzo Bellini auf den italienischen Bühnen angelangt In Neapel besucht Donizetti Bellinis Oper "Bianca und Fernando“ und sie gefällt ihm.



A tanto duol, Bianca & Fernando de Bellini

Bellini macht Donizetti den Rang streitig. Bei der Eröffnung des Teatros Carlo Felice in Genua wird seine "Bianca" gespielt, Donizettis neue Oper ist nicht rechtzeitig fertig geworden, mal wieder wegen Verzögerungen des Librettisten Romani.

Bereits mit seiner dritten Oper "Il Pirata" behauptet sich Bellini an der Mailänder Scala. Noch vor Donizetti, der muss auf diese Heldentat weiter warten. Seine tragisch-lyrische "Anna Bolena" wird zwar in Mailand gefeiert, aber nicht an der Scala, sondern im Teatro Carcano. Vereinzelt sucht Donizetti darin Bellinis himmlische Längen und dessen sanfte, weiche Bögen. In „Anna Bolena“ und "La Sonnambula" kommen sich die beiden Komponisten erstaunlich nah. Das Rezitativ der Anna, gesungen von Maria Callas geht in der folgenden Collage nach zwei Minuten nahtlos über in die Arie der Amina aus Bellinis Sonnambula, gesungen von Lucia Aliberti.
(Diese Klangcollage ist hier leider nicht verfügbar. Ich habe aber die entsprechenden Einspielungen gefunden und stelle sie hintereinander hier ein).





Eine frappierende Ähnlichkeit in der Melodie- und Stimmführung. Zuerst Maria Callas mit dem Rezitativ der Anna aus dem 2. Akt der „Anna Bolena“, danach Lucia Aliberti in der Rolle der Amina aus Bellinis "Nachtwandlerin".

Nicht nur der Erfolg, sondern auch die innere Struktur der Oper "Anna Bolena" deuten auf einen Neubeginn. Zum einen sind es die eben demonstrierten Bellinisimen, zum anderen die dramatische Gestaltung. In der bühnenwirksamen Handlung Felice Romanis findet Donizetti optimale Voraussetzungen für seine kontrastreiche Musikdramatik. Nirgendwo sonst sind Liebe und Hass, Rache und Vergebung, Hoffnung und Verzweiflung so nah beieinander.

Schnell wird "Anna Bolena" in Italien und im Ausland populär. Ein Jahr nach der Pariser Premiere von Rossinis "Wilhelm Tell" und kurz vor dem Karrierehöhepunkt Bellinis gelingt Donizetti endlich der Durchbruch.
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (7)
Ein Wermutstropfen bleibt. Ein erneuter Versuch an der Scala geht abermals schief. "Ugo, conte di Parigi" wird nach wenigen Aufführungen von Bellinis neuer Oper "Norma" abgelöst.
Mailand lässt Donizetti nicht los. Das Teatro della Canobiana schickt einen Auftrag für eine heitere, lyrische Oper, wiederum nach einem Text von Felice Romani. Zwei Wochen später liegt die Partitur auf dem Tisch, ein gelungener Streich des Komponisten, ein Erfolgsgarant bis heute: "L‘Elisir d’amore", „Der Liebestrank". Eine Arie daraus kennen Sie alle:



Luciano Pavarotti mit der Romanze des Nemorino aus dem 2. Akt des „Liebestranks“. Pavarotti, dem die lyrischen Partien Donizettis auf den Leib geschrieben waren, er behauptete einmal, er liebe Verdi, aber seine Stimme liebe Donizetti.

Nach dem sensationellen Erfolg des "Liebestranks“ gibt sich Donizetti bescheiden. An seinen Lehrer und Freund Mayr schreibt er: "Die Gazetta beurteilt "L’Elisir d’amore" und spricht zu günstig, zu günstig glauben sie mir...zu günstig."

Nein, mit einer komischen Oper will er nicht berühmt werden. Niemals misst er einem "Liebestrank" die gleiche Bedeutung zu wie einer "Anna Bolena". Was ihm am Herzen liegt, sind die düster, romantischen Opern, die qualvoll liebenden und leidenden Menschen. Die an Macht und Abhängigkeit scheitern und die nicht selten im Wahnsinn enden. Das ist Donizettis Welt.

Nach den Aufführungen an Mailänder Bühnen melden sich weitere namhafte Theater Italiens: La Fenice in Venedig, das Teatro Valle in Rom, Genua, Florenz, Turin und immer wieder Mailand. Auf einmal sind die Impresarios an Donizettis Opern, an seinem Namen interessiert. Erfolge feiert er mit "Parisina d’Este" in Florenz, mit "Torquato Tasso" in Rom und endlich ist es dann soweit: Er erobert zum ersten Mal die Mailänder Scala mit "Lucrezia Borgia".

Im Vorfeld gibt es Querelen mit dem Kollegen Mercadante. Der erhält zur selben Zeit den Auftrag zur Eröffnung der Stagione eine Oper nach Victor Hugos Drama "Lucrèce Borgia" zu schreiben. Mercadante zögert, Donizetti schlägt zu und muss sich dann mal wieder höllisch beeilen, denn Felice Romani rückt das Libretto erst spät raus. Dann gibt es Ärger mit der Zensur und mit der kapriziösen Primadonna. Die Diva weigert sich, bei ihrem ersten Auftritt eine Maske zu tragen, und sie fordert im Finale eine reich verzierte Cabaletta als wirkungsvollen Abgang. Donizetti fügt sich allen Wünschen, was bleibt ihm auch anderes übrig, wo der Vorhang der Scala zum Greifen nah ist. Am Ende zählt der Jubel!



Dame Joan Sutherland und Alfredo Kraus as Lucrezia and Gennaro Im Duett aus
"Lucrezia Borgia". Dirigent: Richard Bonynge, Royal Opera Covent Garden, 1980.

Das Publikum reagiert enthusiastisch. In der ersten Spielzeit wird die Oper 33 mal gespielt. Mit "Lucrezia Borgia" erzielt Donizetti einen seiner größten Triumphe. Wieder einmal geht es um die Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter.

Die Partie der Lucrezia Borgia erfordert einen enormen Stimmumfang, ein jugendlich dramatisches, ebenso ein lyrisches Timbre, eine technische Versiertheit in Koloraturen, also einen fächerübergreifenden Sopran, den es nicht allzu oft gibt. In den vergangenen Jahrzehnten waren das Montserrat Caballé, Joan Sutherland, Edita Gruberova und Renée Fleming.

Großartig sind auch die Ensembleszenen, die von weiten Spannungsbögen getragen werden. Das Septett im Finale des Prologs ist eines der Meisterstücke in Donizettis Satzkunst.


*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (8)
Von Mailand wieder zurück in Neapel schreibt Donizetti für das Teatro San Carlo eine Oper nach Friedrich Schillers Drama "Maria Stuart". Doch das tragische Schicksal der schottischen Königin gefällt den Herrschern in Neapel gar nicht.

Es wird erzählt, dass Maria Christina, Königin beider Sizilien, bei einer der Kostümproben dabei gewesen und beim Anblick der knieenden und beichtenden Königin von Schottland in Ohnmacht gefallen sei. Zu viel der Schande: ein gekröntes Haupt habe vor niemandem niederzuknien und schon gar nicht in der Öffentlichkeit Sünden zu bekennen.

Der König verbietet die Oper. Er befürchtet, die Risorgimento-Anhänger könnten es als Aufforderung zum Kampf für ein vereintes Italien verstehen. Donizetti, zwar missmutig, aber dennoch ein gehorsamer Royalist, schreibt die Musik auf ein anderes Textbuch um, aber auch hier greift die Zensur ein. Letztlich wird die Handlung der Maria Stuart stark abgeändert und unter dem Titel "Buondelmonte" am San Carlo uraufgeführt.

Donizetti klagt: "Ein neues Duett und neue Chöre, die schon einmal umgeschrieben waren, beliebige Rezitative, die schon kopiert waren; heute fand dann die erste Probe des Pasticcio satt; wenn ich da heil und gesund herauskomme, werde ich mich nie wieder, nie wieder so in die Klemme bringen. Du kannst Dir eine Vorstellung machen, wenn ich Dir erzähle, dass sich das große Gebet in der "Stuarda" in eine prächtige, voll ausgereifte Verschwörung im "Buondelmonte" verwandelt hat! Die Primadonna wurde zum Richtplatz geschleppt. Jetzt stirbt statt ihrer der Tenor. Waren es sechs Charaktere im Ganzen, so sind es jetzt zehn oder mehr. Du kannst Dir ausmalen, was aus der Oper geworden ist."

Ein Jahr später wird "Maria Stuarda" mit der ursprünglichen Handlung im liberalen Mailand an der Scala uraufgeführt. Alle warten gespannt auf die Premiere.

Doch dann ist die Sopranistin Maria Malibran erkältet, die Uraufführung wird zu einem Desaster. Das Publikum in Aufruhr, Mailänder eben. Nach nur sieben Aufführungen verschwindet "Maria Stuarda" vom Spielplan. Und Donizetti muss die Partitur seiner 48. Oper, in die er viel Mühe und Hoffnung gesetzt hat, zu den übrigen legen, die sich für ein Bühnenleben als nicht tauglich erwiesen haben.



Joan Sutherland in einer Live-Aufnahme als Maria Stuarda (Finale).

Bevor "Maria Stuarda" in Mailand mit einer indisponierten Maria Malibran über die Bühne geht, erfüllt sich Donizettis lang ersehnter Wunsch. Er soll eine Oper für das Théâtre Italien in Paris schreiben. Auf nach Frankreich. Wird er das Publikum dort überzeugen können?
*******sima Frau
2.445 Beiträge
Manuskriptauszug Zierau (9)
Paris gilt Anfang des 19. Jahrhunderts mit seinen liberalen Gedanken, mit seinen Opernhäusern und Theatern als das Opernzentrum schlechthin, selbst für Italiener. Rossini lebt hier und hat für die französische Metropole seine letzten Opern geschrieben. „Le comte Ory“ und „Guillaume Tell“. Seine italienischen Opern werden in Originalsprache im berühmten „Théâtre Italien“ aufgeführt. Und genau für dieses Theater will Donizetti tätig werden. Doch das ist gar nicht so einfach. An einen Auftrag ist zunächst überhaupt nicht zu denken. Wer interessiert sich im fernen Paris schon für Donizetti?



Donizetti: Streichquartett in D - Dur. Arrangiert für Streichorchester - 1. Allegro ·( Academy of St Martin in the Fields · Sir Neville Marriner)

Donizetti will mit seiner Musik Paris erobern und hofft dabei auf Unterstützung des Tenors Giovanni Battista Rubini. Denn Rubini ist in Paris erfolgreich. Einziges Problem, er wird dort voll und ganz von Bellini in Beschlag genommen.

Donizetti zieht alle Register. Er setzt sich ans Klavier und schreibt eine abendfüllende Opera buffa über den Kronprinzen Frankreichs "Gianni di Parigi".
Die Partitur schickt er als Geschenk an Rubini, mit dem Hintergedanken, der Tenor würde sich für die Aufführung der Oper einsetzen. Weit gefehlt. Rubini sendet nicht mal ein Dankesschreiben.

Erst acht Jahre später wird die Oper uraufgeführt, nicht in Paris, sondern in Mailand und auch nicht mit Rubini. Er wird die Titelrolle niemals singen.



Sextett mit Chor aus "Gianni di Parigi"

Über das Schweigen Rubinis, für den „Gianni di Parigi“ geschrieben war, ist Donizetti enttäuscht, doch er lässt sich nicht entmutigen. Weiter geht es mit dem Sturm auf Paris und dem Ehrgeiz, Bellini am Théâtre Italien herauszufordern. Giovanni Riccordi klagt er sein Leid: "Der Erfolg von Parisina hat in keiner Weise geholfen, den Weg nach Paris zu ebnen, wo die Impresarios sagen, da Rossini hier ist, brauchen wir niemand sonst zu suchen, um Aufführungen auf die Bühne zu stellen (fast als ob dieser Koloss eifersüchtig auf die Insekten sei.) Mein Unglück."
...
Sollte tatsächlich Rossini mit seiner Omnipräsenz den Weg Donizettis nach Paris versperren? Eine gute Freundin, die deutsch-ungarische Sopranistin Karoline Unger, hilft Donizetti. Sie bemüht sich um eine Aufführung der "Parisina d‘Este" am Théâtre Italien. Gleichzeitig schickt sie die beiden Impresarios des Theaters auf ihrer Talentsuche durch Italien zu Donizetti nach Rom.

Die Beiden kommen tatsächlich bei Donizetti vorbei, man plaudert über "Parisina d'Este", schüttelt sich die Hände und verabredet sich auf ein Wiedersehen auf der Rückreise.
In Gedanken sieht sich Donizetti schon als Triumphator in Paris einziehen. Aber auch diesmal holt ihn die Realität schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Robert und Severini reisen von Neapel direkt nach Paris zurück, ohne Zwischenstopp bei Donizetti, nicht einmal eine schriftliche Nachricht ist er ihnen wert.

Der Alltag in Italien geht weiter. Donizetti unterstützt seine Familie zu Hause in Bergamo und muss sich und seine Frau ernähren. Er arbeitet wie besessen, eine Oper nach der anderen. Für Rom schreibt er "Torquato Tasso" und stellt hohe Ansprüche an sich und das Werk. Ihr Ruf soll bis nach Paris reichen.

"Torquato Tasso" ist eine typische "Oper der neuen Kürze", wie sie Donizetti geschaffen hat. Charakteristisch sind die kräftigen Orchesterrhythmen und die knapp gehaltenen Melodien, gebündelt in Cavatiana und Cabaletta. Hier die Ouvertüre:



Plötzlich kommt er dann doch, der lang ersehnte Auftrag aus Paris. Donizetti soll für den kommenden Winter eine Oper schreiben. Man munkelt, der mächtige Rossini habe in Paris ein gutes Wort für den Kollegen eingelegt. Endlich ist es geschafft, doch schon gibt es neue Probleme: Wie kommt er aus dem laufenden Vertrag der Scala heraus? Paris wartet schließlich nicht. Ricordi, der gute alte Freund und ewige Retter in der Not, soll diese Terminschwierigkeiten für Donizetti regeln. Man könnte doch ganz einfach dem Impresario der Scala, auf einen früheren Termin festlegen und Paris am besten ganz verschweigen.

Alles läuft nach Plan, fast alles. In alt gewohnter Manier versetzt ihn mal wieder der Librettist Felice Romani, ausgerechnet jetzt, wenn es um eine Oper für Paris geht. Der Ersatzmann Bidera springt ein. Donizetti arbeitet fieberhaft, ja fast besessen an dieser Oper und bemerkt nicht, dass der Inhalt für Paris wenig geeignet ist. Die Oper "Marino Faliero“ handelt von einem Volksaufstand gegen das Patriziat im alten Venedig. Das interessiert in Paris keinen.

Also der Text ist nichts und in der Musik beweist Donizetti kein glückliches Händchen. Diesmal grenzt er sich vehement von Bellini ab und gerade jetzt wären Konzessionen an den in Paris gefeierten Rivalen klug gewesen, ein bisschen mehr von den berauschenden weitausgreifenden Melodien. Am Théâtre Italien führt Bellini seine letzte Oper "Die Puritaner" auf. Und Donizetti ist mit dabei.

„I Puritani“, Bellinis letzte Oper in Paris, ist ein durchschlagender Erfolg. Die Sorge, Donizetti könne ihm den Rang streitig machen, ist an diesem Abend wie weggeblasen. Für Donizetti hingegen ist der Jubel um Bellinis Oper nicht gerade ein Motivationsschub für sein Paris-Debüt.

Doch die Pariser zeigen sich gnädig. Donizettis erste Uraufführung am Théâtre Italien wird wohlwollend aufgenommen. Immerhin die Hautevolée der Pariser Gesellschaft ist anwesend: Adolphe Adam, Giacomo Meyerbeer, Theophil Gautier.

An seinen Jugendfreund in Bergamo, Antinio Dolci, schreibt Donizetti: "Ich denke doch, dass ich Dir zwei Worte über den zweiten und dritten Abend senden soll, die außerordentlich glänzend verliefen. Rubini hat gesungen, wie ich ihn noch nie singen gehört habe, und deshalb musste er die Kavatine und die Arie an beiden Abenden wiederholen. Der Erfolg Bellinis mit seinen "Puritanern" hat mich ganz außerordentlich bangen lassen, da wir aber verschiedene Charaktere haben, so haben wir beide großen Erfolg errungen, ohne dem Publikum zu missfallen."

Donizetti schließt Frieden mit seinem Rivalen. Bellini hingegen spart nicht an Kritik. Er hält "Marino Faliero" für Donizettis schlechteste Oper und prophezeit ihren Werdegang in Paris als eine regelrechte Beerdigung. Fast ein bisschen schadenfroh schreibt er:
"Donizettis neue Oper "Marino Faliero“, die gestern Abend gespielt wurde, hatte ein halbes Fiasko; vielleicht werden die Zeitungen nicht ungünstig über ihn urteilen, aber das Publikum blieb unbefriedigt; der Beweis wird sein, dass "Puritaner" sogleich wieder erscheint."

Hier das Duett Israele – Faliero (1. Akt)



Bellini behält Recht, trotz des gelungenen Duetts Israele – Faliero aus dem 1. Akt
bleiben "Die Puritaner" "Marino Faliero" zahlenmäßig überlegen. Donizettis Oper wird nur fünfmal gespielt, die Puritaner 18 mal. Sie beenden am Théâtre Italien offiziell und erfolgreich die laufende Saison.

Erfolglos war Donizettis Aufenthalt in Paris dennoch nicht. Seine Anwesenheit wird sogar vom König gewürdigt. Der sogenannte Bürgerkönig, Louis Philippe, ernennt Donizetti zum Ritter der Ehrenlegion. Auf dem Weg nach Neapel schreibt er an einen Freund:
"Ich glaube, dass Sie vom Empfang des Marino, den Missklängen und Wohlklängen in den Musikjournalen gelesen haben, aber es war eine glückliche, sogar sehr glückliche Sache; Paris ist eine große Stadt, in der Künstler überall geehrt, gewürdigt und wohl empfangen werden.“
*******sima Frau
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*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (10)
Zurück in Neapel macht sich Donizetti gleich wieder an die Arbeit. Er soll drei Opern für das Teatro San Carlo schreiben. Die Intendanten wählen das Textbuch aus, lassen es von der Zensur genehmigen und stellen es Donizetti vier Monate vor dem Aufführungstermin zur Verfügung. Zum ersten Mal steht ihm der junge Dichter, Salvatore Cammarano zur Seite. Ein Glücksgriff, er erfüllt wie kein anderer Donizettis Wünsche.

Die erste Zusammenarbeit zwischen dem neapolitanischen Dichter und Donizetti ist gleich die erfolgreichste: "Lucia di Lammermoor“ nach dem Erfolgsroman „The Bride of Lammermoor“ von Sir Walter Scott. "Lucia“ ist Donizettis populärste und heute noch meist gespielte Oper, Sinnbild der romantischen italienischen Oper.

Die Titelpartie eine Paraderolle und zugleich höchste Herausforderung für jede Koloratursopranistin. Sie muss nicht nur in schwindelerregende Höhen steigen, sondern sich auch dem Wahnsinn hingeben.

Hier ein Ausschnitt der Wahnsinnsarie mit der 70jährigen(!) Edita Gruberova in Osaka:



Die Primadonna assoluta Edita Gruberova ist und war eine der besten, ja die beste Lucia der vergangenen Jahrzehnte. Wer sie einmal auf der Bühne erlebt hat, blutüberströmt, mit versteinerter Miene, vollkommen verwirrt und entrückt, wie sie dann mit einem unheilvollen Lächeln, vom dolce suono, dem süßen Klang der Stimme ihres tot geglaubten Geliebten singt, dem stockt der Atem. Unzählige Male hat sie diese höllisch schwere Wahnsinns-Arie aus des dem 2. Akt der Oper gesungen und durchlitten, kurz nachdem sie den von ihrem Bruder aufgedrängten Ehemann ermordet hat.

Mit Ovationen wird "Lucia di Lammermoor" bei der Uraufführung in Neapel gefeiert. Für die junge, nicht mal 23-jährige Fanny Persiani hat er die Titelrolle geschrieben, der Rossini-Tenor Gilbert Duprez sang den Edgardo. Donizetti selbst ist zutiefst von seiner Oper begeistert. Ricordi gesteht er:

"Lucia di Lammermoor ging über die Bühne, und erlauben Sie mir auf freundschaftliche Weise, schamhaft die Wahrheit zu sagen. Sie gefiel und sie gefiel überaus, wenn ich dem Beifall und den Komplimenten glauben soll, die ich erhielt. Ich wurde viele Male herausgerufen, die Sänger sogar noch öfters. Der Bruder seiner Majestät, Leopold, der anwesend war und Beifall klatschte, machte mir die schmeichelhaftesten Komplimente. Am zweiten Abend sah ich eine für Neapel außerordentliche ungewöhnliche Sache, und zwar wurde im Finale, nach lauten ’vivas’ im Adagio, Duprez bei dem Fluch vor der Stretta kräftig beklatscht. Man hörte allen Nummern mit andächtigem Schweigen zu und zeichnete sie mit spontanen ‘vivas‘ aus..."

Luciano Pavarotti hier in einer Arie des Edgardo, der im Finale der Oper "Lucia di Lammermoor" seiner Lucia in den Tod folgt:



Vier Jahre nach der Uraufführung der Lucia wird in Paris am Théâtre de la Renaissance die französische Fassung der Oper gefeiert, während am Théâtre Italien immer noch das italienische Original gesungen wird. Beide Fassungen schreiben In Paris Musikgeschichte. Auf einmal ist Donizetti en vogue. Und die Franzosen lieben die Lucia, egal ob sie in ihrer Landessprache oder in Italienisch im Wahnsinn entschwindet.

Der große französische Romancier – Gustave Flaubert – greift das Schicksal der Lucia in seinem Roman „Madame Bovary“ auf. Er beschreibt einen Opernbesuch der Bovarys in Rouen und spiegelt die beiden Frauenschicksale. Emma und Lucia, beide unglücklich verheiratet, beide lieben einen anderen.

„Emma sah sich in die Lektüre ihrer Jugend zurückversetzt, mitten in Walter Scott. Sie glaubte durch den Nebel hindurch den Klang der schottischen Dudelsäcke zu hören, die auf der Heide wiederwiederhalten (…)“ und weiter unten heißt es: “Sie überließ sich dem Wiegen der Melodien und spürte, dass sie selbst mit ihrem ganzen Ich vibrierte, als hätten die Geigenbögen über ihre Nerven gestrichen“.

Sir Walter Scotts „The Bride of Lammermoor“ – „Die Braut von Lammermoor“ ist über Donizettis Oper zu einem Stück französischer Literatur geworden in Gustave Flauberts Madame Bovary.

Mit "Lucia" stellt sich Donizetti ein letztes Mal seinem Konkurrenten Bellini. Deutlich hörbar lässt er sich von seinem Rivalen beeinflussen. Doch bei allen Bellinismen, hält Donizetti an seinem Konzept der Dramatik fest. Wieder einmal beweist er auf eindrückliche Weise wie sehr er vermeintliche Gegensätze in sich vereinen kann. Salvatore Cammarano liefert in Wort und Text die Vorlage. Geschickt schafft er für Donizetti lyrisch-dramatische und psychologische Handlungsebenen und führt die Themen Liebe, Macht, Tod und Wahnsinn gegen- und miteinander.
Den Triumph der "Lucia" erlebt Bellini nicht mehr. Er stirbt drei Tage vor der Uraufführung, mit nur 34 Jahren, an den Folgen einer Ruhr in Paris.

Jetzt ist die Bühne frei für Donizetti. Doch bei aller Rivalität, Donizetti trauert um den jungen Kollegen, den er niemals geringschätzig beurteilt hat.
Nein, er hatte Respekt vor ihm, zeigte Anerkennung.

Betroffen von Bellinis Tod komponiert Donizettis ein kurzes Lamento, eine Sinfonie über Themen von Bellini und schließlich eine Messa da Requiem. Die Totenmesse bleibt unvollendet und wird wahrscheinlich nie zu seinen Lebzeiten gesungen.

Über 20 Jahre nach Donizettis Tod erscheint das Requiem erstmals im Druck. Die Uraufführung findet in der Basilika Santa Maria Maggiore in Bergamo statt, in jener Kirche, in der der junge Donizetti als Chorknabe gesungen hat und in der er in der Nähe seines Lehrers Johann Simon Mayr begraben liegt.



Das "dies irae" aus Donizettis Requiem.

Auf den Tod Vincenzo Bellinis hat Donizetti diese Messe komponiert. Der Rivale ist von der Opernbühne abgetreten, wird Donizetti jetzt der unangefochtene König?
*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (11)
Gaetano Donizetti steht mitten Leben und blickt auf eine Reihe von Opern zurück, nicht nur in Italien. In Paris hat er mit "Marino Faliero“ seinen ersten Auftritt gehabt, zugegeben mit nur mäßigem Erfolg, dennoch hat er in der französischen Hauptstadt seinen Fußabdruck hinterlassen. Vom König wurde er zum Ritter geschlagen. Er ist Musikdirektor des Königlichen Theaters in Neapel und Kompositionslehrer am Musik-Konservatorium. Er hat sogar Chancen auf die Direktorenstelle. Im Moment läuft alles bestens. Donizettis Herz schlägt nach wie vor mit Leidenschaft für die Oper. In Neapel bringt er mal wieder eine Opera buffa auf die Bühne, eine Farsa, zu der er selbst den Text geschrieben hat. „Il Campanello“, „Das Glöckchen“. Der ältliche Apotheker Annibale heiratet die junge Serafina, in die eigentlich Enrico bis über beide Ohren verliebt ist. In ihm brodelt es vor Eifersucht. Also klingelt er den frisch vermählten Apotheker während der Hochzeitsnacht mit der Nachtglocke gleich mehrmals aus dem Bett und bittet um Pillen und Säfte für all seine Leiden. Mal zwickt es da, mal zwackt es dort. Urkomisch ist das.





Mit dieser musikalischen Posse begeistert Donizetti im Sommer 1836 die Neapolitaner.

Gerade sind die Donizettis in eine größere Wohnung in Neapel gezogen, da bricht die private Welt des Komponisten zusammen. Vor einem Jahr sind seine Eltern gestorben, jetzt verliert er seine kleine Familie, obwohl, eine Familie ist es eigentlich nie gewesen. Keines der Kinder hat überlebt und auch das dritte und letzte Kind bringt Virginia tot zur Welt. Wenige Tage später stirbt auch sie, mit nicht mal 29, an den Folgen der letzten Geburt.

Während sie todkrank im Bett liegt und ganz Neapel durch die Cholera zu einem Totenhaus wird, flüchtet Donizetti in Arbeit. Er vertieft sich in das düstere Sujet, der Oper "Roberto Devereux" nach einem Text von Salvatore Cammarano. Eine zornige rachsüchtige Frau betrügt nicht nur ihren Mann, sondern verurteilt den treulosen Geliebten zum Tod, kalt und unwiederbringlich. Der Herzog von Nottingham versteht seine Frau nicht.



Innerhalb der letzten drei Jahre hat Donizetti seine Eltern, seine drei Kinder und nun auch seine Frau verloren. Der einzige Mensch, der ihm noch bleibt, ist Virginias Bruder Antonio Vasselli, genannt "Totò".

An ihn schreibt Donizetti wenige Tage nach dem Tod seiner Frau:
"Oh! mein Totò, lass‘ meine Trauer in der Deinigen ein Echo finden, denn ich brauche jemand, der mich versteht. Ich werde ewig unglücklich sein. Vertreibe mich nicht, denke, dass wir allein in dieser Welt sind. Oh Totò, Totò, schreib mir aus Mitleid, aus Liebe für Deinen Gaetano."

In das Lied “Amore e morte” – „Liebe und Tod“ legt Donizetti den Schmerz um den Verlust eines geliebten Menschen. Da wird eine verwelkte Blume vom Symbol der Zuneigung zum Pfand des Schmerzes.



Cecilia Bartoli sang "Amore e morte", "Liebe und Tod" von Gaetano Donizetti. Am Klavier begleitete James Levine.

Über ihren Tod hinaus bleibt Donizetti seiner Frau Virginia treu. Trotz mancher Überlegung und dem Zureden einiger Freunde heiratet er nicht mehr. Affären gibt es schon, aber keine Ehe.

Der Zerfall seiner kleinen, privaten Welt stürzt Donizetti in eine tiefe Krise. Nach dem Misserfolg der Oper "Maria di Rudenz" in Venedig kehrt er allein in die leere Wohnung nach Neapel zurück, wo er sich einsam fühlt.

Donizetti plant eine Premiere am Teatro San Carlo. Die Titelrolle der neuen Oper "Poliuto" schreibt er für den Tenor Adolphe Nourrit. Der französische Sänger hat wegen Rivalitätskämpfen die Pariser Oper verlassen. Nun sucht er in Neapel nach neuen Aufgaben und trifft auf Donizetti. Und der muss sich wieder einmal mit der Zensur auseinandersetzen. Sie hat ihm schon manche Oper zerstört und Aufführung vereitelt, so auch diesmal. Der Inhalt sei zu religiös. „Poliuto“ wird verboten.

Für Adolphe Nourrit eine existenzbedrohliche Entscheidung. Kurze Zeit später stürzt sich der 39-jährige Tenor von seinem Wohnhaus in Neapel in den Tod. Die Uraufführung des Poliuto findet erst viel später statt.



Rolando Villazon mit der Arie des Poliuto aus dem 2. Akt der Oper.
*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (12)
Die Zensur verbietet die Uraufführung des "Poliuto". Donizetti ist von Neapel, seiner langjährigen Wahlheimat, tief enttäuscht. Hinzu kommen heftige Auseinandersetzungen am Konservatorium, wo er seit langer Zeit unterrichtet. Er ärgert sich so sehr und reicht als Musikprofessor seinen Rücktritt ein. Allein, missverstanden, bevormundet, Neapel ist nicht mehr das, was es einmal für ihn war. Nichts hält ihn mehr hier.

Da kommt ein Schreiben vom Intendanten der französischen Grand Opéra, Charles Duponchel, wie gerufen. Donizetti soll zwei Opern für Paris schreiben. Ohne zu zögern, willigt er ein und wartet sehnsüchtig, ja ungeduldig auf ein Libretto des Franzosen Eugène Scribe.

Doch ganz so reibungslos, wie erwünscht läuft es nicht. Donizetti ist mit dem Textbuch unzufrieden und schickt es kurzerhand zurück. Jahrelang hat er auf ein Zeichen aus Paris gewartet. Und jetzt setzt er gleich zwei Aufträge der Pariser Grand Opéra aufs Spiel, weil ihm der Text nicht gefällt. Donizetti will Gefühle auf die Bühne bringen und keine Schlachten, wie er sagt. Vertrauensvoll wendet er sich an seinen Freund Gilbert Louis Duprez:

„Ich habe geschrieben, dass ich einen solchen Stoff nicht haben möchte: ein Verräter seines Vaterlandes und Liebe fast nur wie eine Episode gefallen mir nicht. Ich wünsche ein charakteristisches Drama mit zwei oder drei interessanten, eindringlichen Situationen, die anders als die gewöhnlichen Sachen sind, die schon tausendmal in Italien gemacht worden sind. Bitte bringen Sie diese Sache ins Reine und tun sie es vorsichtig, damit Scribe nicht über die Änderungen, die ich in dem Libretto wünsche, beleidigt ist."

Zuversichtlich macht sich Donizetti auf den Weg nach Paris. Erst einmal will er seinen "Roberto Devereux" am Théâtre Italien aufführen und komponiert hierfür eine ordentliche Ouvertüre. Dann betreut er dort die Inszenierung seines Liebestranks. Eine begeisterte Besucherin schreibt am Abend nach der Aufführung noch an den Komponisten:

"Es ist mir unmöglich, diesen Tag zu Ende gehen zu lassen, ohne Ihnen für den unendlichen Genuss zu danken, den ich soeben beim Anhören der zauberhaften Musik des "Elisir d’amore" empfunden habe. Es ist ein herrliches Lustspiel voll Musik. Es ist lebhaft, geistvoll, zart und zugleich melancholisch und heiter, und nichts könnte den Reichtum ihres Talents besser zeigen. Trotzdem wir hier in Frankreich vorgeben, nur das Traurige zu lieben, zweifle ich nicht, dass "Elisir" einen großen und bleibenden Erfolg haben wird."





"Elisir" werde einen großen und bleibenden Erfolg haben, so prophezeit es eine Besucherin in Paris. Sie wird Recht behalten. Nach dem Rührstück geht es wieder zurück zum ernsten Fach. Die Uraufführung der Grand Opéra "Poliuto" steht an. Scribe hat den Text übersetzt und bearbeitet. Der französische Titel lautet: "Les martyrs". An seinen alten Lehrer Mayr schreibt Donizetti:

"Französische Musik und Theaterdichtung haben ein ganz eigenes Gepräge, dem sich jeder Komponist anpassen muss, ob es sich um Rezitative oder die gesungenen Nummern handelt. Zum Beispiel, Crescendos sind verboten, die üblichen Kadenzen sind verboten, herrlich, dann haben sie zwischen einer Kabaletta und der nächsten immer Gedichtetes, das die Handlung verstärkt, ohne dass die bei unseren Dichtern üblichen Zeilen wiederholt werden."

So erklärt Donizetti das französische Rezept. Ärger mit den Theaterleuten gibt es im Übrigen auch in Paris. Die Aufführung der "Martyrs" verzögert sich. Donizetti wartet nicht untätig ab, sondern nimmt kurz entschlossen einen Auftrag der Opéra comique an. Wenn es schon mal richtig rund läuft in Paris, sollte man nichts auslassen. Innerhalb kürzester Zeit schreibt er ein wahres Meisterwerk, bald der Franzosen liebstes Kind: "La Fille du Régiment", die "Regimentstochter", gespickt mit den komischsten Szenen, wie die folgende: Marie bekommt am Hofe ihrer strengen Tante Gesangsstunden. Zum Entsetzen der Marquise singt sie jedoch lieber die Regimentshymne als langweilige Arien.

Der englische Kritiker Henry Chorley über die "Regimentstochter":
"Die Musik ist von einer sorglosen Fröhlichkeit, die an Ausgelassenheit grenzt, von einer echt militärischen, aber nie ordinären Freimütigkeit. Sie ist leichtgewichtig, ist schnell vertraut, eingängig, sie ist alles, was die Pedanten gerne verurteilen."

"La Fille du Regiment" ist Donizettis erste original französische Oper. Hector Berlioz, selbst Komponist und angesehener Kritiker, ist das gar nicht recht. Er behauptet in aller Öffentlichkeit, Donizetti habe darin altbewährte Musik aus Italien einfach wieder aufgewärmt. Diesen Vorwurf lässt Donizetti nicht auf sich sitzen.

"Der Schreiber dieses Artikels zögert nicht zu behaupten“, kontert er, „dass meine Partitur bereits in Italien zu hören gewesen sei, zumindest zum großen Teil. Erlauben Sie mir meinerseits zu bestätigen, dass die Nummern, aus denen "La fille du regiment" besteht, alle speziell für die Opéra comique geschrieben wurden, und dass nicht eine einzige von ihnen je vorher in irgendeiner anderen Partitur erschienen ist."

Die Reaktionen des Publikums versöhnen Donizetti. Die Pariser feiern die "Regimentstochter" wie das Werk eines Franzosen. In knapp einem Jahr wird sie an der Opéra comique 50mal gespielt. Diese Zahl ist Triumph genug. Sie lässt das Nörgeln des Herrn Berlioz bald vergessen.

Sie ist übrigens eine Lieblingsoper der Franzosen geblieben. Sie gehört ebenso zum Nationalfeiertag, dem 14. Juli, wie die Marseillaise und das Feuerwerk.

Für einen Tenor gleicht die Rolle des Tonios einer Mutprobe. Neun hohe Cs muss er erklimmen. Legendär ist bis heute die Wiederbelebung der Oper durch Richard Bonynge und Joan Sutherland an Covent Garden im Jahr 1966. Diese Aufführung war auch Initialzündung für den damals jungen Tenor Luciano Pavarotti. In der halsbrecherischen Rolle des Tonios hat er als Stimmwunder zahlreiche Opernhäuser erobert, unter anderem auch die MET.


*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (13)
Nach dem spektakulären Intermezzo Donizettis an der Opera comique klappt es dann endlich auch mit der Premiere der "Martyrs" an der Grand Opera.

Donizetti amüsiert sich über eine Karikatur in einer Pariser Zeitung: Da sitzt er an einem Tisch, in beiden Händen eine Feder, mit der einen schreibt er eine ernste Oper und mit der anderen eine komische. Er fühlt sich geschmeichelt. Stolz schickt er die Zeichnung an seinen Freund Antonio Dolci.

Prompt folgt der nächste Auftrag. Eine ursprünglich für das Théâtre de la Renaissance vorgesehene italienische Oper soll wegen finanzieller Probleme nun unter dem Titel "La Favorite" an der Grand Opera herauskommen. Dafür muss Donizetti die Oper - wie zuvor "Poliuto“ den Bedingungen anpassen. Das heißt ein vierter Akt muss her. Der Librettist Alphonse Royer erinnert sich:

"Die Musik für den vierten Akt wurde in einer einzigen Nacht komponiert. Vaëz und ich haben den Text dem Maître nach dem Abendessen gebracht; am nächsten Abend um die gleiche Zeit sang er sie uns am Klavier vor, verklärt durch seine musikalische Eingebung".

Trotz der Umarbeitungen bleibt die Oper recht italienisch. Donizetti befürchtet, dass er damit an der Grand Opera kein Glück haben werde. Während der Premiere geht er unruhig spazieren. Seine Befürchtungen werden wahr. Die Partitur findet nicht mal einen Verleger.

Doch wie so oft, muss sich die Oper erst mal behaupten Nach einigen Aufführungen sieht es schon anders aus. Vor allem in der Provinz wird „La Favorite“ zum Lieblingsstück des Publikums. Das ist bemerkenswert. Nicht die Metropole bestimmt den Trend, sondern das Hinterland.

Viele Melodien der "Favorite" verbreiten sich auch außerhalb des Opernhauses, dazu gehört die Arie "O mon Fernand".



Elina Garanca mit der Arie "O mon Fernand" aus "La Favorite". Karel Mark Chichon leitete die Philharmoniker der Bayrischen Staatsoper München.

Innerhalb eines Jahres ist "La Favorite" in Frankreich so beliebt, dass der Verleger Leon Schlesinger bei einem jungen deutschen Komponisten sechs unterschiedliche Transkriptionen in Auftrag gibt: für Gesang und Klavier, für Klavier allein, Klavier vierhändig, Flötenquartett, zwei Geigen und für Kornett.

Und was glauben Sie, wer sich da an die Arbeit macht. Kein geringerer als der spätere Germanenschatz-Gräber Richard Wagner. Auf der Flucht vor seinen Gläubigern ist er in Paris gelandet und durchleidet hier drei elende Hungerjahre. Aus der Not heraus nimmt er sämtliche Aufträge an, schreibt novellistische Musikerzählung in Stile E.T.A. Hoffmanns und transkribiert Kompositionen aus fremder Hand, sogar die Oper eines Italieners. Viel Magenbitter mag er dabei trinken. Viel lieber würde er mit Hilfe von Meyerbeer seinen "Rienzi" an der Grand Opéra spielen. Doch nichts da. Er sitzt stundenlang über der Partitur der "Favorite" von Gaetano Donizetti und schreibt Note für Note.



Matthias Wollong und Jörg Faßmann mit der Ouvertüre zur Oper “La Favorite” von Gaetano Donizetti, in der Fassung für zwei Violinen. Richard Wagner hat sie in Paris angefertigt, sicher nicht aus Liebe zu Donizetti, sondern weil er Geld brauchte.
*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (14)
Mit Mitte 40 will es Gaetano Donizetti noch einmal wissen. Er erobert neues Terrain. Der Theaterintendant und Jugendfreund Bartolomeo Merelli lädt ihn nach Wien ans Kärntnertor-Theater ein. Eine willkommene Abwechslung. Zu Hause in Italien ist es ohnehin ein wenig ungemütlich geworden.

In Neapel hat sich Saverio Mercadante in den Vordergrund gedrängt und den Direktorenposten am Konservatorium ergattert. In Mailand macht ein neuer Opernstar von sich reden, der junge Giuseppe Verdi. Mit seinem "Nabucco" hat er Aufsehen erregt. Bereits in der ersten Spielzeit wird die Oper 40mal gegeben. Auch Donizetti war bei der Premiere mit dabei und zählt zu den aufrichtigen Bewunderern. Warum jetzt also nicht nach Wien ziehen, wo schon viele seiner Opern aufgeführt wurden, wo Donizetti seit Jahren geliebt und geschätzt wird und wo er selbst noch nie gewesen ist. "Linda di Chamounix" soll die erste Oper sein, die Donizetti in der k.u.k. Stadt uraufführt.



Edita Gruberova an der Züricher Oper im September 1996 mit der Kavatine der Linda aus dem ersten Akt der Oper "Linda di Chamounix", Donizettis erster Uraufführung in Wien.

Eigentlich verdankt es Donizetti Rossini, dass er an den Wiener Hof gerufen wurde.
Das kam so: In Bologna dirigiert Donizetti die italienische Premiere von Rossinis "Stabat mater". Bereits bei der Uraufführung in Paris war der Jubel über dieses Werk enorm groß und noch mehr über die Tatsache, dass Rossini nach jahrelangem Schweigen für dieses kurze Intermezzo ins öffentliche Musikleben zurückgekehrt war. Die Italiener wollen das Werk auch kennenlernen und so wird die Erstaufführung in Bologna mit höchster Spannung und Aufmerksamkeit erwartet. Es ist ausdrücklich Rossinis Wunsch, dass Donizetti sein "Stabat Mater" dirigiert. Die zwei Top-Favoriten der italienischen Oper Hand in Hand. Für Donizetti eine große Ehre und für alle Beteiligten ein denkwürdiges Ereignis. Nach der Aufführung berichtet Donizetti aus Bologna:

„...Die Begeisterung kann unmöglich beschrieben werden. Nach der letzten Probe, der Rossini bei hellem Tageslicht beiwohnte, wurde er mit lauten Zurufen von mehr als 500 Leuten nach Hause begleitet. Das Gleiche ereignete sich unter seinen Fenstern nach der Premiere...“

Der Erfolg des "Stabat mater" in Bologna unter der Leitung von Donizetti dringt bis nach Wien vor und Erzherzog Franz Karl, der Bruder des Kaisers ist so beeindruckt, dass er dieses denkwürdige Ereignis in seinen Privatgemächern wiederholen möchte.



Cecilia Bartoli mit der Cavatina “Fac, ut portem” aus Gioacchino Rossinis "Stabat Mater". Giuseppe Patane leitete das Orchester der Wiener Volksoper.

Donizetti also auf dem Weg nach Wien. Mit dabei: die fertige Partitur der "Linda di Chamounix", die Noten von Rossinis "Stabat mater" und ein Empfehlungsschreiben Rossinis für den Fürsten von Metternich. Kurz nach der Ankunft schreibt Donizetti begeistert nach Hause:

"Wien ist herrlich, herrlich, herrlich."

Über Donizettis Wiener Debüt am Hofe des Kaisers mit Rossinis "Stabat Mater", kann ich Ihnen leider nichts Näheres erzählen. Aber wie es danach weitergeht, mit der Uraufführung der "Linda di Chamounix".

Am Wiener Kärtnertor-Theater gibt es seit vielen Jahren eine besondere Eigenheit. Ist die deutsche Spielzeit beendet, werden zwischen April und Juni Opern mit italienischen Sängern in Originalsprache aufgeführt. Zu dieser kurzen Saison kommt Donizetti nun gerade recht. Er nimmt sich für die Proben seiner Linda ausgiebig Zeit, bis ins kleinste Detail will er alles vorbereiten. Als besonders gelungen und wirksam beurteilt er die Duette seiner Oper.



Luciano Pavarotti und Joan Surherland im Duett Carlo – Linda aus dem 1. Akt der "Linda di Chamounix". Richard Bonynge leitete das National Philharmonic Orchestra.

Donizetti und seine Linda werden in Wien mit offenen Armen empfangen. An seinen Verleger Giovanni Ricordi, der die Oper veröffentlicht, schreibt er:
„Sie werden wohl von dem Erfolg Ihrer "Linda" gehört haben, mindestens am ersten und zweiten Abend, jetzt kann ich Ihnen vom dritten berichten. Die ganze Familie des Kaisers war gestern Abend da und ging nicht fort, bis sie mich zweimal herauskommen sahen und zusammen mit dem Publikum applaudiert hatten. Nach dem zweiten Akt wurde mir am zweiten Abend ein riesiger Kranz mit wunderbaren Blumen zugeworfen, und am nächsten Abend wurde ein Lorbeerkranz von unbekannter Hand abgeliefert."

Mit diesem Triumph erobert Donizetti nicht nur den Wiener Hof, sondern auch das Publikum. Er wird gefeiert und verehrt. Dem Kaiser komponiert er ein Offertorium für die Hofkapelle, der Kaiserin widmet er die "Linda". Für so viel Charmeoffensive wird ihm die Stelle des Wiener Hofkapellmeisters angeboten, ein Amt, das einst Mozart innehatte. Donizetti nimmt es an und verpflichtet sich zur Präsenz in Wien, von Anfang Januar bis Ende Juni. Da bleibt noch genug Zeit für andere Verpflichtungen.
*******sima Frau
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Manuskriptauszug Zierau (15)
Für Paris schreibt Donizetti eben mal schnell eine Opera buffa, ein wahres Glanzstück, den "Don Pasquale". Es ist seine letzte komische Opera buffa und seine drittletzte Oper überhaupt. Ein alter wohlhabender Junggeselle will die junge hübsche Witwe Norina heiraten. Sehr zum Missfallen seines Neffen Ernesto, der selbst ein Auge auf Norina geworfen hat. Der gewiefte Doktor Malatesta, Arzt und Freund der Beiden, lässt sich ein Intrigenspiel einfallen, um den Alten von der Heirat abzuhalten. Während Ernesto nur Augen für die schöne Norina hat. Zur nächtlichen Stunde singt er ihr eine Serenade.



Juan Diego Flórez mit der Serenata des Ernesto aus Donizettis "Don Pasquale". Maurizio Benini leitete das Orchester der Metropolitan Opera New York.

Ein Tag nach der Uraufführung von Wagners fliegendem Holländer in Dresden findet in Paris die Uraufführung des Don Pasquale statt. Welten liegen dazwischen. Neben „Lucrezia Borgia“, „Lucia di Lammermoor“, „Liebestrank“ und „Regimentstochter“ ist „Don Pasquale“ einer von Donizettis größten Erfolge. Vielleicht sogar sein größter, weil er doch jetzt unangefochten als Maestro der italienischen Oper gilt. Italien wird zwar schon spürbar von Giuseppe Verdi ergriffen, aber der Neuling kann dem Meister des Belcantos nichts anhaben. Im Moment ist er der berühmteste Opernkomponist Europas, ja der Welt, denn auch in Amerika werden seine Werke immer häufiger gespielt.

Im "Journal des débats" steht drei Tage nach der Uraufführung des "Don Pasquale":
"Seit Bellinis Puritaner hat keine speziell für das Théâtre Italien komponierte Oper einen lauteren Beifall errungen. Vier oder fünf Nummern wiederholt, die Sänger herausgerufen, der Maestro herausgerufen - alles in allem ein Beifallssturm, wie er so ungeheuer und dutzendweise in Italien selbst den mittelmäßigsten kleinen Komponisten gespendet wird, während er in Paris für die wirklich großen reserviert wird."

Was den Don Pasquale heute noch spannend macht, sind nicht nur Musik und Witz, sondern das psychologische Geflecht. Hier komponiert einer, der komische und ernste Inhalte geschickt zu einander führt, der aus den Tiefen eines reichen Opernschaffens schöpft. Donizetti macht aus der Opera buffa eine gesellschafts-kritische Komödie und die Titelfigur zu einem Charakter.

Don Pasquale ist der lächerliche, liebestolle Alte, dem übel mitgespielt wird. Am Ende machen wir uns aber nicht lustig, sondern fühlen mit ihm, wenn er gedemütigt wird. Und Donizetti tut es auch, indem er das „E finita Don Pasquale“ in moll packt.



Der arme Don Pasquale, am Ende der Oper erniedrigt. Renato Bruson in der Titelrolle, Eva Mei als Norina. Roberto Abbado leitete das Münchner Rundfunkorchester.

Nach der Premiere des "Don Pasquale" in Paris nimmt Donizetti weitere Aufträge an, obwohl es ihm gesundheitlich schlecht geht. Immer häufiger ist er leidend, ihn plagen Fieberanfälle, Magen-, Darmbeschwerden.

Für das Teatro San Carlo in Neapel plant er eine Oper nach Victor Hugos "Ruy Blas". Gleichzeitig warten Paris und Wien auf neue Werke. Zeit und Kraft reichen nicht mehr aus.

Wen darf er am ehesten vertrösten. Neapel bietet er eine Umarbeitung an. Victor Hugos Schauspiel lässt er fallen, stattdessen vollendet er "Caterina Cornaro". Es wird Donizettis letzte Oper für Italien sein und seine letzte Oper, die zu seinen Lebzeiten - im Januar 1844 - uraufgeführt wird.



Troy Cook mit der Romanze des Lusignano aus dem 1. Akt der "Caterina Cornaro".

Gleichzeitig arbeitet Donizetti an einem neuen Werk für die Grand Opera in Paris und als Hofkapellmeister muss er auch in Wien ein neues Werk liefern. In alt-gewohnter Schnelligkeit wirft er die Partitur der "Maria di Rohan" aufs Papier. Wie "Caterina Cornaro" für Neapel wird "Maria di Rohan" das Abschieds-Geschenk für Wien.

Als ob die Wiener es spüren, feiern sie die Oper besonders enthusiastisch. Sie schließen die leidenschaftlich bitter-süßen Melodien spontan ins Herz. Und fühlen sich hinein in das gefährliche Dreiecksverhältnis der beiden Freunde und der von beiden geliebten Frau.
Im finalen Terzett stehen sich die Männer als Rivalen gegenüber. Verzweifelt bittet Maria um den Tod.



Annik Massis im Finale der Oper "Maria di Rohan" am Grand Théâtre de Genève.


Donizetti hält "Maria di Rohan" für eines seiner gelungensten Werke, wenn nicht sogar für sein Bestes. Er widmet es seinem innig verbunden Schwager Toto.
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Manuskriptauszug Zierau (16)
Kaum ist die italienische Spielzeit am Kärtnertor-Theater beendet, macht sich Donizetti ruh- und rastlos auf den Weg nach Paris. Unter extremen Beschwerden, unter körperlichen und geistigen Leiden arbeitet er an seiner letzten Oper, dem "Dom Sebastien". Er quält sich durch die Partitur, hinzukommen Auseinandersetzungen mit dem Librettisten Eugène Scribe.

Noch während der Proben arbeitet er die Oper um. Die Primadonna Rosine Stoltz fordert ständig Änderungen. Sie bringt Donizetti mit ihren Extravaganzen an den Rand seiner Beherrschung. Schließlich geht "Dom Sebastien" an der Grand Opera zum ersten Mal über die Bühne. Ein Tag später gibt es am Théâtre-Italien in Paris eine Neu-Fassung der "Maria di Rohan". Und damit geht Donizetti als erster Komponist in die Geschichte ein, der an zwei Pariser Theatern zur selben Zeit eigene Uraufführungen leitet.
"Dom Sebastien" gefällt den Franzosen nicht. Donizetti ist enttäuscht, ja sogar verstört. Doch er hält an der Oper fest.

Für seine letzte Spielzeit in Wien überarbeitet er sie und passt sie einem deutschen Text an. Auf Wunsch des Kaisers dirigiert Donizetti die ersten drei Aufführungen am Kärtnertor-Theater selbst. Eine große Ehre für den Komponisten. Was ihm allerdings Sorgen bereitet ist, dass er kein Deutsch versteht. Wie soll er da die Rezitative leiten. In mühevoller Kleinarbeit prägt er sich die Längen der Silben ein und meistert so diesen Drahtseilakt. Wichtig ist schließlich nur, dass es dem Kaiser gefällt, und dem hat es gefallen.

Zu guter Letzt gibt es auch noch eine italienische Version des "Dom Sebastien". Eine Oper, drei Fassungen, drei Sprachen.



Marcelo Alvarez mit der Romanze des Sebastiano aus dem 2. Akt der französischen Fassung des Don Sebastien.

Geschwächt von Kopf- und Gliederschmerzen fährt Donizetti von Wien wieder nach Paris. Das ist der Anfang seines qualvollen Endes.

Freunde aus Italien rufen den Bruder Giuseppe zu Hilfe. Der ist Musiker beim türkischen Sultan in Konstantinopel. Er schickt seinen Sohn Andrea. Erschüttert über den Zustand des Onkels zieht der junge Neffe einige Ärzte zu Rate. Die Diagnose: eine chronische Infektion des Nervensystems und des Großhirns, die zu einer sukzessiven Lähmung und dem geistigen Verfall führt. Eine spätere Autopsie bestätigt dies als Folge einer Syphiliserkrankung.

Gegen Donizettis Willen wird er in einer Nacht- und Nebelaktion in ein Sanatorium nach Ivry bei Paris gebracht. Dort sitzt er eingesperrt wie ein Gefangener, abgeschlossen von der Öffentlichkeit. Vergeblich bemühen sich Freunde, vor allem der Schwager Toto, um einen Transport Donizettis nach Bergamo. Pariser Bekannte und Ärzte verhindern dies - aus welchen Gründen auch immer.

Schließlich meldet sich ein Mann aus Wien zu Wort. Der Baron Edouard von Lannoy, ein Mitglied des Verwaltungsrates des Wiener Konservatoriums. Er schreibt an Giuseppe Donizetti:

"Vor einem Jahr war die Gefangenschaft notwendig. Jetzt ist sie es nicht mehr. Gaetano kann nicht mehr gehen, ohne von seinen beiden Wächtern gestützt zu werden, und er kann ohne ihre Hilfe nicht einmal mehr vom Stuhl aufstehen, infolgedessen ist es ihm nicht mehr möglich, seine Freiheit zu missbrauchen. Man kann nicht mehr hoffen, ihn zu retten, aber was getan werden kann - und sollte - ist, das Bemühen, die letzten Monate seines Lebens weniger kummervoll, weniger melancholisch zu machen."

Das Schreiben verfehlt seine Wirkung nicht. Auch die Pariser Öffentlichkeit äußert sich zu Donizettis Gefangenschaft. Heinrich Heine schreibt:

"Die Nachrichten über den Zustand von Donizetti werden täglich trauriger. Während seine Melodien die Welt mit ihren heiteren Klängen bezaubern und überall gesungen und getrillert werden, sitzt er selbst, ein erschreckendes Bild des Wahnsinns, in einem Sanatorium nicht weit von Paris. So ist das Schicksal der armen Menschheit."



Kate Aldrich und Yijie Shi und das Orchestre national du Capitole de Toulouse mit einem kurzen Ausschnitt aus Donizettis "La Favorite".

Nach 17 Monaten wird Donizetti aus den engen Räumen seiner Gefangenschaft im Sanatorium in Ivry befreit und nach Paris gebracht. Am 19. September 1847 verlässt Donizetti Paris, in Begleitung seines Neffen, eines Pflegers und eines Arztes. In Bergamo wird er von Freunden liebevoll aufgenommen. Die letzten Monate seines Lebens verbringt der nun völlig verstummte Komponist in vollkommener Abgeschiedenheit. Der Sprache ist er nicht mehr mächtig, körperlich fast unbeweglich, von seiner Umgebung nimmt er kaum mehr etwas wahr.

Sein kämpferisches und zugleich ruhmreiches Leben für die Oper geht in aller Stille zu ende. Am Nachmittag des 8. April 1848, also vor bald 170 Jahren stirbt Gaetano Donizetti in den Armen seines Freundes Antonio Dolci.

Seine Musik, sein kultivierter Gesang, der Belcanto, seine Figuren, die Gefühle seiner Charaktere leben auf den Bühnen weiter. Sie lieben, leiden, lachen auf eine ganz eigene, Donizetti typische Art und Weise. Vieles ist uns vertraut und bekannt, manches haben wir in dieser Woche neu kennengelernt, einiges gilt es immer noch zu entdecken, wie die Oper „Adelia“.

Hier Mariella Devia mit der Schlußarie aus dem Finale dieser Oper (Aufnahme eines Live-Konzerts in New York, Carnegie Hall am 11.11.1999).


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26.9.1835 Uraufführung der Donizetti-Oper "Lucia di Lammermoor" am Teatro San Carlo in Neapel.
Quelle: worlds-of-music.de

*******ata Frau
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Heute vor 225 Jahren:
29.11.1797 Donizetti wird in Bergamo geboren.


*******ata Frau
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4.2.1836 Am Teatro La Fenice in Venedig wird die Oper "Belisario" von Gaetano Donizetti uraufgeführt.
Quelle: worlds-of-music.de

*******ata Frau
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zum Geburtstag von Gaetano Donizetti
wurde das Thema nochmal gestartet...


https://worlds-of-music.de/WOM.php?idex=3368
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