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Ares
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The Zone of Interest (2023)

******pei Mann
40 Beiträge
Themenersteller 
The Zone of Interest (2023)
Nun ist The Zone of Interest von Jonathan Glazer in Deutschland gestartet. Ich habe bis jetzt im Forum nichts darüber gelesen und möchte ihn hier kurz anreißen. Vor allem, da der Film bereits als „Meisterwerk“ angekündigt und betitelt wird.

Zur Handlung:
Es wird die Familie des Leiters des Vernichtungslagers Auschwitz begleitet, welche es sich, auf dem zum Lager angrenzenden Grundstück, sehr angenehm eingerichtet hat.

Der Zuschauer ist hier voyeur des Alltags und die Szenen sind statisch, teilweise heimlich beobachtend gefilmt. Ich möchte nicht die Filme des Studios A24 über einen Kamm scheren, kann denke ich aber behaupten, dass Liebhaber deren Filme auch diesen optisch ansprechend finden werden.
Während wir mit dem Bild in der Familie und im Beruf des Familienvaters bleiben, dröhnen kontrastierend die Geräusche der Vernichtungsmaschinerie.


Nun ja ich will es versuchen kurz zu halten. Wie bei vielen A24 Filmen gibt es bereits auf YouTube einige Analysen zur Genialität der Bildsprache. Aus meiner sich ist der Film gerade deswegen und wegen des kontrastierenden Sounddesigns sehen- und hörenswert.
Gänsehaut oder eine Dissonanz blieben bei mir jedoch aus. Inhaltlich konnte mich der ebenfalls nicht verstören. Ja, das solch unmenschliche Taten nur durch ein System der Verdrängung und Abkopplung möglich sind, in der die Entscheidungen über die Vernichtung von Menschen wie in Business Meetings getroffen werden, war mir bereits bewusst und wenig schockierend. Oder verdränge ich schon unterbewusst genau so wie die Familie im Film? Diese Frage bleibt mir zumindest. Für ein Meisterwerk halte ich The Zone of Interest jedoch nicht.

Wenn es jemandem anders ergangen ist, würde ich gerne über andere Erfahrungen beim sehen des Films lesen.



*******_zh Frau
666 Beiträge
Ich fand den Film sowas von verstörend, gerade weil er so eine heile Welt zeigt und nicht den Horror der sich direkt hinter der Mauer abspielt (man hört allerdings immer die Geräusche vom KZ nebenan). Mir war richtig übel, es war so beklemmend, emotional kaum auszuhalten diesen Film zu schauen. Extrem belastend. Das heisst nicht dass er nicht alle Preise und begeisterten Kritiken verdient hätte mit denen er überschüttet wird. Es ist ein grossartiger, ganz besonderer und wichtiger Film. Aber sehr schwere Kost. Mich hat er sehr mitgenommen
***42 Mann
84 Beiträge
Ich habe den Film gestern gesehen und verstehe durchaus die Kritik von @******pei . "Neu" sind die dort vermittelten Erkenntnisse zur Verdrängung nicht. Es gibt keine Überraschungen und eine Story gibt es auch nicht. Trotzdem ist das zur Schau gestellt Nebeneinander von banalem Familienleben und Vernichtungsmaschinerie gut gemacht. Fast jede Szene wirkt irgendwie grotesk, surreal, absurd. Bei so viel Absurdität weiß man mitunter nicht, ob man lachen oder weinen soll. Es ist dann schon etwas anderes, wenn man weiß, dass Menschen völlig normal direkt neben dem Horror leben können, oder ob man es einmal mit eigenen Augen sieht. Gut fand ich auch, dass sehr deutlich auf die ökonomischen Interessen hinter dem Lagersystem hingewiesen wurde (mitunter in Nebensätzen, aber immer klar artikuliert). Insgesamt bin ich mit dem Film ganz zufrieden, auch, wenn ich sonst keine Filme ohne Story mag, die so vor sich hin mäandern.
*********Limit Mann
313 Beiträge
Ja, der Film ist gut gemacht, beklemmend und verstörend.

Allerdings gesellt sich hierzu auch das Gefühl der Langeweile, weil die Parallelwelt der Protagonisten völlig banal ist. Es gibt keine innere Entwicklung, keine Ambivalenzen oder Konflikte, keine tiefschürfenden Dialoge, kaum Handlung.

Da genau das das Stilmittel ist, um den Kontrast zwischen Alltag und Holocaust darzustellen, ist die Stärke des Films gleichzeitig auch seine Schwäche.

Man geht mit einem verstörenden Gefühl nach Hause, mehr nicht.
Eine halbe Stunde kürzer hätte dafür auch gereicht.
****e22 Mann
768 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich habe ihn gestern ebenfalls gesehen und ich bin sehr beeindruckt, da es doch ein Film ist, den ich so noch nie gesehen habe und der für mich vieles anders macht als bisherige Holocaust-Filme. Das beginnt schon mit dem gewagten Ansatz aus der Täterperspektive zu erzählen. Das Konzept geht aber auf, da man sich aufgrund des dauerpräsenten Klangteppichs der im Hintergrund stattfindenden Gräueltaten der Opfer stets bewusst wird, diese sich im inneren Auge abspielen und der Film so auch auf mehreren Ebenen funktioniert.

Für mich ist es aber auch kein Film, der mich inhaltlich anspricht - wie könnte er auch -, sondern vor allem durch seine Form überzeugen kann. Glazer macht durch innovative Regieeinfälle, die in mir dann doch ein Gefühl von Dissonanz erzeugt und mich aus dem Alltag der Familie Höß herausgezogen haben. Ich glaube Glazer ist sich hier durchaus bewusst, dass auch sein Film der Problematik unterworfen ist, dass er nie die Realität wirklich abbilden kann, so viel er auch versuchen mag ihm einen dokumentarischen Charakter zu verleihen. Also entscheidet er sich bewusst für eine sehr artifizielle Herangehensweise und einer Musik, die mit ihrer Atonalität ebenfalls große Dissonanzen hervorruft und zur akustischen Tour de Force für das Publikum beiträgt.

Aber auch optisch drängen sich die Bilder des Hintergrunds in das sich im Vordergrund abspielende Familienleben, die Verbrechen der Nazis bleiben stets präsent. Und genau durch diese äußeren Formen des Films muss ich vielen Inhaltsangaben widersprechen, die von einem Verdrängen und Ausblenden der Geschehnisse im Vernichtungslager schreiben. Das ist kein Film über das Verdrängen, das ist ein Film über das ständige Bewusstsein, dass das was man macht, da wo man sein Familienleben eingerichtet hat, Böses und Abscheuliches geschieht und es dennoch hinnimmt, akzeptiert und immer weiter macht: Immer noch mehr Optimierungen, Beförderungen und Ertragssteigerungen. Und damit fängt Glazer genau das ein, was man auch in den autobiografischen Aufzeichnungen von Rudolf Höß herauslesen kann, denn auch wenn er keine Reue gezeigt hat, war ihm das Ausmaß dieser Taten bewusst. Ich erlaube mir hier aus seinen Aufzeichnungen zu zitieren:

“Wohl allen, bis auf wenige Ausnahmen, der zu dieser ungeheuerlichen „Arbeit“, zu diesem „Dienst“ Kommandierten und wie auch mir selbst haben diese Vorgänge genug zu denken gegeben, haben tiefe Eindrücke hinterlassen. Die meisten der Beteiligten traten oft bei meinen Kontrollgängen durch die Vernichtungsstellen an mich heran, um ihr Bedrückung, ihre Eindrücke an mich loszuwerden, um durch mich beruhigt zu werden. Aus ihren vertraulichen Gesprächen hörte ich immer und immer wieder die Frage heraus: Ist das notwendig, was wir da machen müssen? Ist das notwendig daß Hunderttausende Frauen und Kinder vernichtet werden müssen? Und ich, der ich mir unzählige Male im tiefsten meiner Innern selbst diese Frage gestellt, mußte sie mit dem Führer-Befehl abspeisen, damit vertrösten.“


Und genau das ist für mich der entscheidende Punkt, dass Menschen die grausamsten Verbrechen begehen können - sei es aus ideologischer Verblendung, blindem Gehorsam oder machiavellistischen Beweggründen - sie die Grausamkeiten ihrer Taten nicht ausblenden können, aber dennoch weiter machen und genau hier ihre Menschlichkeit verlieren, so sehr sie auch versuchen ihre Fassade aufrechtzuerhalten.
**********sator Mann
1.336 Beiträge
Bin spät dran, aber hier läuft er noch und gestern war Zeit.
Zuallererst...als ich den Plot gelesen hatte, war klar, dass ich ihn mir anschauen muss, weil er mich sehr daran erinnerte, als ich das erste Mal in Fürstenberg/Havel war und mir das Frauen- und Kinder KZ Ravensbrück angeschaut habe.
Vor dem Eingang gibt es einen langgestreckten künstlichen Hügel, auf dem mehrere Wohnhäuser stehen. Das waren die Häuser der Lagerleitungen. Mit Blick über das KZ. Das war so unglaublich unwirklich...ich hab mich wirklich gefragt, was in Menschen vorgeht, die nach getaner "Arbeit" Abends vor der Tür sitzen, über ihren "Arbeitsplatz" blicken. Wie verroht muss man sein?
Das... hat der Film für mich sehr schön herausgearbeitet, dieses Ausblenden der Tötungsmaschine, kaum ein Wort über die Menschen, die dort gequält werden und sterben.
Das Drohen mit Verbrennung im Ofen, wenn die Hausangestellte einen Fehler macht.
Das geschäftsmäßige Abwickeln der Deportation von 700000 Menschen, "...da kommt einiges auf sie zu."
Sehr sparsam und langsam aufgebaut, die übersteuerten Geräusche fand ich oft überzogen. Da hat der Regisseur ein bisschen den Holzhammer herausgeholt.
Das zurückhaltende Spiel von Christian Friedel und Sandra Hüller fand ich sehr angemessen.
Mir war der Film auch nicht zu lange, ich fand Jonathan Glazer hat sich die Zeit genommen, die die Bilder brauchen um zu wirken.
******us2 Mann
232 Beiträge
Hallo in die Runde,
Hab mir mit meiner Frau diesen Film angesehen: Für mich haben die Geräusche "von hinter der Mauer" und der gelegentliche Blick auf Flammen und Rauchsäulen über dem Schornstein schon gereicht, mich ordentlich aus der Bahn geworfen: Ich hatte schon unabhängig vom Film oft über die Venichtungslager gelesen, gehört; Gegrübelt, wie Leute dazu kamen, in dieser Todesmaschine mitzuarbeiten. Und jetzt auch noch Familienidylle gleich neben der Mauer... Abartig! Immerhin wurde Rudolf Höß an Polen ausgeliefert. Damit wurde er einer der Nazis, die nicht straffrei davon gekommen sind; Im Unterschied zu viel zu vielen anderen, die mehr oder weniger friedlich und ungestört ihr Leben zu Ende leben durften.
Was soll ich sagen: Daß in einer Zeitungsrezension beklagt wurde, daß nicht genug grausame Bilder mitgeliefert wurden -- nee, für mich war das genug. Die anderen Bilder steuere ich schon aus meinem Kopf bei...
Der Mensch des Menschen größter Fein, da war und ist immer noch viel zu viel Wahres dran. Ich frage mich, ob wir wieder auf ähnliche Zustände zugehen: Grenzen zu; Wer dort, wo sie oder er weg will nicht leben kann, soll halt zusehen, wie er oder sie damit zurecht kommt. Uns geht's nichts an: "Wir können ja nicht die ganze Welt retten". Danke auch.
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