Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Faro 8
2107 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Kritik zu 8 Blickwinkel

****man Mann
12.950 Beiträge
Themenersteller 
Kritik zu 8 Blickwinkel
8 Blickwinkel

Copyright aller Bilder: SONY Pictures

Originaltitel: Vantage Point
Produktionsjahr: 2008
Herstellungsland: USA
Regie: Pete Travis
Darsteller: Dennis Quaid, Matthew Fox, Forest Whitaker, Bruce McGill, Edgar Ramirez, Saïd Taghmaoui, Zoe Saldana, Sigourney Weaver, William Hurt, James LeGros u.a.

Der Präsident der vereinigten Staaten von Amerika verweilt in Spanien, um hier einen Gipfel wider den weltweiten Terror zu beehren. Doch dazu soll es nie kommen, denn bei einer Rede vor einer begeisterten Menge brechen zwei Schüsse und der Präsident bricht getroffen zusammen. Kurz darauf vernimmt man von irgendwoher einen explosionsartigen Knall und wenig später explodiert auch noch die Bühne, auf der der US Präsident gerade gesprochen hatte. Eine Massenpanik ist die Folge und es stellt sich die Frage, wer hinter dieser Anschlagsserie steckt ...

Die Antwort dröselt der Streifen 8 Blickwinkel auf äußerst raffinierte Art und Weise auf. Natürlich ist die Darstellung einer Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln in der Filmgeschichte nichts Neues (Quentin Tarantinos "Jackie Brown" kommt einem in den Sinn genau wie Stanley Kubricks yeiks "Die Rechnung ging nicht auf" oder Kurosawas "Rashomon"), selten aber geschah die Bebilderung eines Ereignisses aus verschiedenen Blickwinkeln derart rasant wie in Pete Travis neuem Film. Jener liefert nämlich einen Cliffhangerstreifen par Excellenze ab und türmt so Spannungshöhepunkt auf Spannungshöhepunkt. Dies erreicht er, indem er fünf der namensgebenden Blickwinkel immer an einem Punkt enden lässt, an dem eine große Enthüllung bevorsteht oder eine Wende im Film unumgänglich zu sein scheint. Genau hier unterbricht Pete Travis dann seinen Streifen und beginnt wieder von vorn, diesmal aus einem anderen Blickwinkel.


Dieser endet dann allerdings nicht bei dem vorhergehenden Cliffhanger, sondern löst ihn auf und steuert dabei selber auf einen weiteren Cliffhanger zu, der seinerseits erst im Laufe eines der nächsten Blickwinkel aufgelöst wird. Diese Form der Dramaturgie funktioniert hervorragend und verschafft 8 Blickwinkel einen wirklich permanent vorhandenen, sich stetig steigernden Spannungsbogen. Dieser schlägt dann wahrhaft Kapriolen, als Travis die Blickwinkel 6-8 in einer Episode zusammenfasst und dabei das ohnehin hohe Tempo ins Extrem verschärft, den Bodycount unglaublich ansteigen lässt und die actionreiche Ausrichtung seines Streifens deutlich hervorstreicht. Und dann bricht der Showdown los und der Zuschauer kommt gar nicht mehr zum Durchatmen.

Die Storyingredienzien greifen zunehmend mehr ineinander, das Komplott hinter dem Anschlag wird aufgelöst und nebenher setzt es Action, Action, Action. Und dann sind sie endlich da, die Sekunden und Minuten der Ruhe. Sprich: Der Abspann läuft. 8 Blickwinkel ist ein Uptempoactionthriller, gegen den Speed wie eine gemütliche Rentnerkaffeefahrt wirkt. Das stetig anziehende Tempo walzt dann während der Laufzeit des Streifens einige echte Probleme einfach platt. Ärgerlicherweise haben die Bäddies nämlich wieder einmal kein Motiv für ihr Handeln bzw. es erschöpft sich in: "Wir müssen den Präsidenten killen." Das Warum hinter diesen Bestrebungen wird nie wirklich greifbar, es ist halt so. Besonders problematisch wird diese schwache Unterfütterung der Charaktere dann, wenn einer der "Guten" auf einmal die Seiten wechselt, was gleich gar nicht nachvollziehbar oder gar plausibel erscheint, da realistische Beweggründe dafür fehlen. Auch die restlichen Charaktere wirken eher arg reißbrettartig und wenig glaubwürdig, doch dies fällt im Film selber gar nicht auf.


Dieser legt nämlich vor allem Zeugnis ab von den famosen Fähigkeiten des Meistercutters Stuart Baird (Regisseur des tollen Einsame Entscheidung), der hier eine echte Duftmarke im Genre setzt und wirkliche Fitzelarbeit geleistet haben muss. So wiederholen sich trotz mehrfacher Wiederholung von ein- und derselben Geschichte wirklich ausschließlich einige Schlüsselbilder, alle anderen Momente werden IMMER aus anderen Perspektiven präsentiert, so dass 8 Blickwinkel nie Gefahr läuft, den Zuschauer mit endlosen Bildwiederholungen zu langweilen. Und so gelingt es 8 Blickwinkel, eine Handlung, die wohl nur für knapp 20 Minuten gereicht hätte, grandios unterhaltsam auf äußerst kurzweilige 90 Minuten zu strecken. Eine echte Meisterleistung.

Auch in anderen technischen Belangen überzeugt 8 Blickwinkel durchgehend. Pete Travis pumpt zusätzlich zu der energiegeladenen formalen Beschaffenheit seines klug zusammengesetzten und erzählten Actionthrillers viel Energie mittels unmittelbarer Kameraarbeit in seinen Streifen. Er ist immer mittendrin, ganz nah dran an seinen Charakteren und insbesondere in der Action wackelt seine Kamera dann auch mal gar furchterbar. Doch da er sich während den Actionhöhepunkten immer auf Augenhöhe des Geschehens befindet, entsteht so eine herrlich authentische und direkte Atmosphäre, die den Zuschauer mitten in den Film hineinzieht. Abgesehen von der energetischen Kameraarbeit setzt er auf edle und farbgesättigte Bilder, denen er nur in den starken Szenen um die große Explosion der Präsidentenbühne scheinbar alle warmen Farben entzieht und ein fast apokalyptisches Szenario entwirft. Weitere kleine technische Schmankerl bilden eine saucoole, computergenerierte Kamerafahrt in dem hektischen Showdown und die spannend umgesetzte, ausführliche Autoverfolgungsjagd, die alle Fronten klärt. Im Grunde gibt es nur einen technischen Ausreißer und das ist eine enttäuschend mies getrickste Explosion eines Hotelstockwerkes.

Am Ende des Streifens bedanken sich die Macher im Übrigen bei Hans Zimmer. Verständlich, da man permanent das Gefühl hat, der Score zum Film stamme direkt aus seinen Händen. Treibend und pulsierend peitscht die Musik den Film voran und lässt nur in ganz kurzen Momenten des Verschnaufens etwas spanische Folklore einfließen. Ansonsten gibt es in jeder Szene das zimmertypische Rumtata vom Allerfeinsten. Der Macher heißt allerdings nicht Hans Zimmer sondern Atli Örvarsson und ist ein Zögling vom deutschen Filmmusik Qualitätsgaranten Nummer Eins.


Schauspielerisch kann man sich nach den bisherigen Ausführungen sicher vorstellen, dass der recht prominente Cast hier nicht über die Maßen gefordert wurde. Man kann aber konstatieren, dass die Leistung des gesamten Ensembles auf den Punkt stimmt und dem Film so bei all dem Tempogeknüppel auch ein echtes Herz verliehen wird. Vor allem, da die Darsteller aus den schwach gezeichneten Charakteren ein Maximum an Grundsympathie herausholen können. Dabei gefallen die großen Namen wie Dennis Quaid, Sigourney Weaver, William Hurt oder Forest Whitaker (den ich selten in einer derart physisch anspruchsvollen Rolle gesehen habe!!!) genauso wie die Newbies Matthew Fox (Lost) oder Edgar Ramirez (der nach seinem grandiosen Auftritt im Bourne Ultimatum wieder einige enorm gelungene Actioneinlagen zu bewältigen hat!). Einen echten Hauptcharakter gibt es bei der Anlage des Filmes natürlich nicht und man könnte auch nicht wirklich einen Charakter benennen, der den Film in irgendeiner Weise prägen würde. Mich freut es eigentlich vor allem für Dennis Quaid, dass er nach einer gigantischen Durststrecke in den späten 90igern jetzt einen echten zweiten Frühling erlebt und mit viel Mut zur Selbstironie schon so manchen Streifen über die Runden rettete. Auch in 8 Blickwinkel darf er einen sehr menschlichen Charakter geben, der eben auch nicht umhin kommt, festzustellen, dass er auch nicht mehr der Jüngste ist. Sehr charmant.

Was bleibt ist ein überaus klug und vor allem rasant montierter Actionthriller, der ein Mördertempo fährt und vor allem auf den Bauch des Publikums abzielt. Der tolle Aufbau des Streifens und die allmähliche, von Cliffhanger zu Cliffhanger hangelnde Auflösung von 8 Blickwinkel sorgen dann dafür, dass auch der Kopf nicht zu kurz kommt. Kurzweilige und spannende Unterhaltung mit einigen ordentlich inszenierten Actioneinlagen. Echte Schwächen leistet sich dieses Uptempobrett nur in der Figurenzeichnung, die teils wenig plausibel wirkt und vor allem den Bösewichtern keine wirkliche Handlungslegitimation zugestehen will.

In diesem Sinne:
freeman
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.