Was mir der Locktober bisher eingebrockt hat ….
Es lief, wie das manchmal so läuft, wenn man sich spontan zu etwas entscheidet, ohne vorher erst einmal die Konsequenzen zu überdenken: So begonnen neulich, am Sonntag, 1. Oktober, 02.00 Uhr, als ich mich in einer Stimmung aus Lust und Frust kurzerhand verschlossen hatte, um den Locktober zu bestreiten oder zumindest zu schauen, wie lange ich es aushalten würde (wie oben nachzulesen ist). Kein blasser Gedanke daran, was diesen Monat laut Agenda anstehen würde. Die folgenden beiden Arbeitstage brachten nichts von Belang, der KG war manchmal lästig, die meiste Zeit habe ich ihn beim Arbeiten jedoch nicht einmal zur Kenntnis genommen! Latent rollig schaute ich Dienstagabend mangels anderer Betätigungsmöglichkeiten wieder einmal in den JC, sah mir die Nachrichten durch, die sich seit meinem letzten Login angesammelt hatten und stiess dabei an unpassender Stelle auf oben erwähnte Diskussion bezüglich Teasens und Anfeuerns von Keuschis während des Loktobers. «Sehr spannend – auf jeden Fall – man könnte ja – sehr gerne - tolle Idee» - und wie so oft, warteten alle, auf das ein Wunder geschehe und jemand anderer die Initiative ergreifen und den gewünschten Thread eröffnen würde.
Wiederum eine Spur zu spontan, ohne lange zu überlegen, eröffnete ich halt den Thread und machte mein Coming-out, gespannt darauf, was sich aus dem Thread ergeben würde.
Das Erwachen in der Realität erfolgte dann am kommenden Tag, als ich zu packen begann: Nicht, dass ich die zweitägige Weiterbildung vergessen hätte, ich hatte sie die ganze Zeit auf dem Radar, nur eben 1 und 1 nicht zusammengezählt oder auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was Locktober in Abgleichung mit meiner Agenda zu bedeuten hatte:
Da in einer anderen Stadt abgehalten, hatte ich frühzeitig mit einer dort wohnhaften Freundin abgemacht, dass ich für die Weiterbildung bei ihr übernachten könne.
Für eingefleischte KG-Träger wohl Peanuts, für mich, der ich den KG nur dann und wann einmal und fast ausschliesslich in der Freizeit zuhause oder bei der Arbeit im Homeoffice getragen hatte, für den das Bewegen in der Öffentlichkeit - wie etwa das Einkaufen - unter Verschluss ungewohnt und nach wie vor bereits eine kleine Herausforderung ist, eine ziemlich harte Landung!
Ich würde mich also ganze zwei Tage lang verschlossen in der Öffentlichkeit bewegen müssen, abends mit meiner Freundin zum Essen gehen, um danach bei ihr zu übernachten! Zwei volle Tage unter Leuten unterwegs, ohne mich auch nur eine Minute in meine eigenen vier Wände zurück ziehen zu können! Ein Blick auf die Teilnehmerliste trug ihr übriges zu einem unsanften Erwachen bei. Etliche der TeilnehmerInnen waren mir bestens bekannt: sei es als langjährige BerufskollegInnen sei es als Auftraggeber und Auftraggeberinnen. Auch das noch!
Was also tun? Den KG klamm heimlich ablegen, den Locktober unrühmlich beenden, nachdem ich keine zwei Tage zuvor grossspurig einen Thread eröffnet und mich zum Locktober bekannt hatte? Es bräuchte ja niemand davon zu erfahren!? Doch das kam für mich nicht in Frage, dies liess mein Stolz dann doch nicht zu!
Verschlossen, wie ich nun einmal aufgrund eigenen Verschuldens war, machte ich mich frühmorgens auf den Weg zur Weiterbildung, begrüsste beim Willkommenskaffe alte Bekannte, als ob nichts wäre! Zu Beginn ein Blick in die Runde: Die Teilnehmer oder viel mehr die Teilnehmerinnen waren mehrheitlich Frauen und wie dies in meinem Alter bei Weiterbildungen so ist, war ich mit Abstand der Älteste. Die nächste Generation übernimmt unverkennbar das Ruder, darunter - inzwischen selbstverständlich - viele junge Frauen! Der KG machte sich unliebsam bemerkbar und rief mir in Erinnerung, dass ich hier wohl nichts mehr zu melden hatte, auch wenn mir die eine oder andere der Frauen gut gefallen und ich in jüngeren Jahren diese Chance zum Flirten sicherlich nicht ausgelassen hätte!
Ich verscheuchte den deprimierenden Gedanken, öffnete mein Laptop und Word, um mir meine Notizen zu machen. Eine Weile hörte ich mir die Begrüssung und Einführung an, bevor mein Blick wieder auf meinen Laptop fiel. Augenblicklich traf mich der Schlag! Zuoberst auf der Liste der zuletzt verwendeten Dateien, aus denen ich auswählen konnte, stand in fetten grossen Lettern der Titel meines Threads: «Locktober-Keuschis anfeuern, unterstützen, teasen & triezen» darunter nicht minder peinlich, aber noch wesentlich besser für jedermann verständlich, der Titel eines anderen Entwurfes, den ich in den Tagen zuvor auf Word verfasst hatte!
Es schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, bis ich mich so weit gefasst hatte, um auf «Neues Dokument» zu klicken und die verräterischen Zeilen endlich von meinem Bildschirm verschwanden. Okay! Tief durchatmen und ruhig Blut. Wer alles konnte dies im kleinen Hörsaal mit eng bestuhlten und nach oben gestaffelten Sitzreihen gesehen haben? Der Berufskollege, mit dem ich seit Jahren immer wieder zusammenarbeite links neben mir? Wir sassen rechts im Saal, seine Blickrichtung zur Referentin war also in entgegengesetzter Richtung als meine Laptop. Er müsste den Kopf also schon stark gewendet haben, um auf meinen Laptop zu blicken. Eine solche Bewegung hatte ich nicht wahrgenommen. Rechts von mir sass niemand. Die drei jungen Frauen, die erhöht unmittelbar hinter mir sassen? Die junge und attraktive Sektionschefin aus der Verwaltung, der ich bei solchen Anlässen regelmässig begegne und dabei mit ihr diskutiere, hatte , unmittelbar hinter mir sitzend, zu meiner grossen Erleichterung wohl keinen Einblick auf meinen Bildschirm. Dazu waren meine Schultern dann wohl doch zu breit.
Für die mir unbekannte Frau zu ihrer Linken traf hoffentlich(!) dasselbe wir für meinen Sitznachbar zu. Kein noch so fadenscheiniger Grund zur Hoffnung bestand jedoch bei der sehr jungen Frau rechts. War sie als Praktikantin mitgekommen oder hatte sei gerade eben ihre erste Stelle in derselben Verwaltung angetreten? Vom Alter her schien sie mir jedenfalls frisch von der Uni gekommen zu sein. Erhöht, leicht rechts, unmittelbar hinter mir sitzend, verlief ihre Blickrichtung zum Rednerpult direkt über meinen Bildschirm auf den sie vollen Einblick haben musste. Nicht anzunehmen, dass sie kein einziges Mal den Blick gesenkt und auf meinen Bildschirm geworfen hatte. Sie müsste schon eine ausgesprochene Sehschwäche gehabt haben, hätte sie die beiden obersten Titel nicht lesen können. Ob sie mit den Begriffen «Locktober» und «Keuschis» wohl etwas anfangen konnte? Das Wort «Cuckold» im zweiten Titel dürfte einer jungen Studentin aber unzweifelhaft ein Begriff sein!
Ihr Blick, den ich in der Kaffeepause einfing, liess mir nur zwei Interpretationen zu: Entweder ich war völlig paranoid geworden oder sie hatte es gelesen und verstanden, wobei ich stark auf Letzteres tippe! Doch war ihr Blick zu kurz, um ergründen zu können, was sie letztlich davon hielt. Ablehnung und Empörung schienen es mir nicht zu sein. Wohl eher Ungläubigkeit, Neugier sowie leichter Spott!
Während des Kurses versuchte ich meine Aufmerksamkeit auf den Stoff zu richten, den KG nahm ich bestenfalls während kurzer Momente wahr.
Die Pausen und das Mittagessen gestalteten sich jedoch zum Spiessrutenlaufen. Während ich vordergründig auf Smalltalk machte, liess mich die Enge des KGs hartnäckig und unablässig meine Situation spüren und rief mir das peinliche Geschehen des Vormittages in Erinnerung. Krampfhaft versuchte ich, irgendwelche Anhaltspunkte zu finden, ob und wer, was gelesen haben könnte. Vergeblich! Ich werde es wohl nie erfahren!
Ich war froh, als der Weiterbildungstag endlich zu Ende ging und ich den Ort meiner Scham sowie die Gruppe der allfälligen Mitwisser verlassen konnte, um mich auf den Weg zu meiner Freundin zu machen. Wohl wissend, dass mich dort die nächste Prüfung erwarten würde: Mittlerweile den fünften Tag unter Verschluss, würde es mir nicht erspart bleiben, auch noch den Abend in ihrer Gegenwart fest verschlossen im KG bestreiten und ebenso verschlossen die Nacht bei ihr verbringen zu müssen. Es schien mir aber nach den bisherigen Erfahrungen des Tages immer noch das kleinere Übel zu sein.
Dass der Tag noch lange nicht zu Ende war und ich noch eine ganz andere Überraschung zu verdauen haben würde, konnte ich in diesem Moment ja noch nicht erahnen!
Fortsetzung folgt.