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Mensch, lass es gut sein

*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Mensch, lass es gut sein
Alle sind "irgendwie unzufrieden", obwohl es allen eigentlich gut geht. Die Autorin Danijela Pilic entlarvt ein Gefühl, mit dem man sich das Leben schwer macht

Neulich telefonierte ich mit einigen Freunden, die ich stressbedingt ziemlich vernachlässigt hatte. Ich blieb seltsam berührt zurück. Etwas Ungreifbares belastete mich. Am nächsten Morgen las ich in meiner Bäckerei den Spruch des Tages auf einem dieser blöden Kalender, die immer meinen Blick fangen: "Der höchste Genuss besteht in der Zufriedenheit mit sich selbst. (Jean-Jacques Rousseau)". Klar! Das war es: Keiner meiner Freunde war zufrieden. Niemandem ging es richtig schlecht, alle waren gesund, eine war sogar frisch verliebt und beschwerte sich stundenlang über ihre Arbeitssituation. Während mir die mit dem Leben ebenfalls unzufriedene Bäckerin meine Brötchen in die Tüte stopfte, fragte ich mich: Wann habe ich zum letzten Mal den Satz "Ach, mir geht’s gut" gehört? Wann habe ich ihn zum letzten Mal gesagt? Ist es neuerdings chic, unzufrieden zu sein? Stecken wir uns damit gegenseitig an? Gibt es Zeiten, in denen sich diese Unzufriedenheit verdichtet? Eine Freundin sagte: "Ich bin irgendwie schlecht drauf, obwohl eigentlich alles gut ist. Aber das sind ja gerade alle. Liegt vielleicht an den Sternen."
Freiheit genießen

Nein, liebe Freundin: Es liegt an uns selbst. Wir stehen auf Gottes goldener Seite und reiben uns an Luxusproblemen auf. Das iPhone ist kaputt, die Jeans sitzt etwas eng, man hat das Wochenende verbummelt und nun ein schlechtes Gewissen. Dass wir gesund sind, Freunde und Jobs haben, ja gut, aber irgendetwas nagt an uns. Das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit vielleicht, eine latente Langeweile mit dem Erreichten, das Fehlen von etwas … Liegt das am Alter? Fällt es uns, je älter wir werden, schwerer, zufrieden zu sein? Oder liegt es an dem Zeitalter, in dem wir leben? "Menschen, denen es ungleich besser geht als ihren Vorfahren, neigen stark zu der bemerkenswerten Ansicht, dass das, was sie sind und haben, bei weitem nicht ausreicht", schreibt der Philosoph Alain de Botton in seinem Buch "Statusangst". Wir sind freier, reicher und leben länger als unsere Vorfahren. Doch es wird schwieriger, zufrieden zu sein, je mehr Auswahl und Chancen man hat. Die Freiheit, die wir genießen, die Tatsache, dass wir nicht mehr starre Rollen erfüllen müssen, nähren Unzufriedenheit, glaubt auch Sabine Asgodom, Autorin von „Das Glück der Pellkartoffeln: Der Luxus der Zufriedenheit“. Heute hätten wir mehr Möglichkeiten, etwas zu ändern. „Es gibt fast einen Zwang zu handeln. War eine Frau früher in einer Beziehung unzufrieden, gab es nicht viel, was sie dagegen unternehmen konnte. Damals konnte man alles auf den lieben Gott schieben. Heute ist man für sein Glück verantwortlich.“ Vier weitere Schritte, um endlich wieder zufrieden zu werden.
Lässiger leben

Oft ist alles in Ordnung, solange man sich mit seiner Agenda zuknallt und keine Zeit hat, darüber nachzudenken, was fehlen könnte. Doch sobald man frei hat, gerät man in Freizeitstress: Soll ich joggen, mich mit Freunden treffen, endlich die Küche streichen? Wollte ich nicht schon ewig Französisch lernen, Yoga machen, Tango tanzen? Hilfe! Ich persönlich habe ein Rezept dagegen entwickelt: nichts tun. Langeweile zulassen. Anfangs fiel das schwer, doch ich lasse mir kein schlechtes Gewissen mehr von mir selbst machen, weil ich entspanne, vor mich hin pussele und eins mit meinem Sofa werde. Es ist nämlich so: Wenn ich nicht 800 Punkte auf eine Todo-Liste setze, werde ich auch nicht enttäuscht sein, dass ich schon wieder nix geschafft habe. "Das Aufgeben von Erwartungen bringt genauso viel Erleichterung wie Erfüllung. Es wird einem seltsam leicht ums Herz, wenn man sich mit seinem Versagen auf einem bestimmten Gebiet abgefunden hat", schrieb der Psychologe William James. Also: Eine To-do-Liste machen, nichts darauf schreiben, nichts durchstreichen und ab aufs Sofa - gern auch bei schönem Wetter. Nur weil Radiomoderatoren brüllen, dass die Sonne scheint und man raus muss, stimmt das noch lange nicht. Man muss gar nichts. Man kann aber einfach das Radio ausschalten.
Jobfrust analysieren

Die Deutschen schneiden zwar in puncto allgemeine Zufriedenheit besser ab als noch vor ein paar Jahren, aber nicht, was die Zufriedenheit im Job angeht. Die sank von 7,6 Punkten im Jahr 1984 auf 6,8 Punkte 2009 - und das, obwohl wir weniger arbeiten und mehr verdienen als Bürger anderer OECD-Länder. Das zeigt wieder mal, dass Zufriedenheit nicht davon abhängt, was man hat, sondern was man aus dem macht, das man hat. Okay, Unzufriedenheit ist nicht immer schlecht; sie kann auch anspornen, Dinge besser zu machen, oder ein Impuls sein, sie zu ändern. Der Physiker und Raketeningenieur Wernher von Braun sagte mal: "Es ist mein Job, nie zufrieden zu sein." Das nennt man wohl Perfektionismus - und ist leider ein typisch weibliches Phänomen. Ist man mit seiner Arbeit dauerhaft unzufrieden, rät die Münchner Coaching-Expertin Sabine Asgodom zum hinlänglich bekannten Mantra: Love it, change it or leave it. Das nagende Gefühl kommt in drei Facetten daher: Man ist im richtigen Job, aber in der falschen Umgebung. Man ist in der richtigen Umgebung, aber im falschen Job. Ganz schlecht: Man ist im falschen Job und in der falschen Umgebung. Nur wer sich klar darüber wird, was einem im Job konkret Kopfzerbrechen bereitet, kann handeln. "Es gibt“, so Asgodom, "immer eine Alternative.“
In Beziehungen investieren

"Das Verhalten der anderen ist von grundlegender Bedeutung für uns, weil wir mit angeborenem Selbstzweifel behaftet sind. So bestimmt das, was andere von uns halten, entscheidend mit, wie wir uns selbst sehen“, schreibt Alain de Botton und erklärt weiter: Wir scheinen die Zuneigung von anderen zu brauchen, um uns selbst zu ertragen. Er vergleicht unser Ego und Selbstbild mit einem undichten Luftballon, in den ständig Liebe hineingepumpt werden muss. Die kleinste Stichelei, ein unbeantworteter Anruf, eine schnippische Bemerkung können uns auf die Stimmung schlagen. In einer Zeit, in der Familien und Ehen auseinanderbrechen, sind Freunde oft die Garanten menschlicher Zuneigung. Wir wollen Beachtung, Wohlwollen, Aufmerksamkeit, Liebe. Und zwar ausnahmslos. Alles ganz menschlich. Freundschaften zu pflegen kostet Zeit, Kraft, Mühe, Dankbarkeit, Mitgefühl, Aufmerksamkeit und nicht zuletzt Anwesenheit. Man muss für sie da sein. "Wenn man 200 Tage im Jahr auf Reisen ist, ist es schwer, einen Freundeskreis aufzubauen“, sagt Sabine Asgodom und besteht darauf, dass man eben nicht alles haben kann, wie es uns so gern eingebläut wird. "Wenn man ein Baby hat, leidet das Liebesleben nun mal. Wenn man 80 Stunden in der Woche arbeitet, kommt man nicht zu seinen Hobbys.“ Sie sagt auch: "Wenn ich wiederholt keine Lust habe, Freunde zu treffen, kann ich mich über sie beschweren - oder aber überlegen, warum ich keine Lust habe. Vielleicht sollte ich mir neue Freunde suchen.“
Einfach mal zufrieden sein

Unsere vornehmste Aufgabe ist es zu leben, schrieb Michel de Montaigne. Wir müssen nicht von Projekt zu Projekt hetzen und denken, danach wird alles besser. Das Leben selbst ist das Projekt. "Dankbarkeit macht zufrieden. Und Großzügigkeit“, sagt Sabine Asgodom. Einer meiner Freunde, der schlimmste Schicksalsschläge erlitten hat, ist einer der zufriedensten Menschen, die ich kenne. Er hätte verbittert werden können, ist er aber nicht. Das ist sein Verdienst. Seine Stärke. Seine Entscheidung. Und es ist meine Entscheidung, ob ich mir den Tag versauen lasse und jemanden anmache, weil die Bahn sechs Minuten Verspätung hat. Wer nicht happy ist mit dem, was er hat oder was er ist, wird es wahrscheinlich auch nicht mit dem, was er gern hätte oder wäre. Es liegt an uns, ob wir zu unserem Frieden gelangen oder nicht. Ich rufe gleich meine Freunde an und pumpe all ihre Ego-Ballons bis zum Anschlag mit Liebe auf.
Danijela Pilic - 16. Dezember 2011, aus myself
"Das Leben selbst ist das Projekt" klingt nach asiatischer Weisheit ,die man mit westlich modernem Reflex gerne mal ungeprüft abnickt.
Was ist aber das Leben? Eine Ansammlung von zu bewältigenden Projekten unterschiedlicher Form und Größe .
*****s42 Mann
11.869 Beiträge
... dabei ist es sooo einfach, das Leben zu genießen. *zwinker*

OK, es gibt Mitmenschen, die machen es einem manchmal schon schwer, indem sie einen mit ihrer miesen Laune anstecken wollen. Aber denen kann man sehr oft aus dem Weg gehen - warum tun wir das so selten?

Die Leute finden sich in "Meckerecken" zusammen - warum nicht auf Zufriedenheits- und Glücksflächen? Macht Glücklichsein in unserer Gesellschaft einsam?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass das so ist.
Wenn man auf die Frage: "Na, wie geht's?" antwortet: "Danke, prima. Ich bin gerade rundum glücklich.", dann ist das Gespräch sehr oft mit einem schrägen Blick des Anderen beendet. Wenn man aber antwortet: "Naja, muss ja irgendwie.", dann wird nachgefragt, und irgendwie findet man ein Thema, über das man gemeinsam herziehen kann.

Ich denke, das beste MIttel um sich gegen solche "Miese-Laune-Verbreiter" zu schützen (wenn man ihnen schon nicht ausweichen kann) ist, wenn man selbst dann ganz offensiv mit seiner guten Laune umgeht. Ja, das Leben "gut sein lässt" - auch nach außen hin. Ich bin überzeugt, dass auch gute Laune und Glücklichsein anstecken können - zumindest, wenn man es selbst gerade aus ganzem Herzen ist. *ja*
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@sorbas
Gerade hast du mir erklärt, warum ich Meckerecken nicht mag, danke!

Ich meide sie, wo immer es geht....darum war mir gar nicht bewusst, dass es Menschen gibt, die so etwas haben müssen, aber jetzt habe ichs verstanden.....
*****and Paar
3.125 Beiträge
Hallo Heidi,
========

dass ist schön. Wo hast du das denn ausgegraben.
Eigentlich eine moderne Weihnachtsgeschichte, so
wie ich meine... *kuss*


Lieben Gruß,
(Christine und) Andreas...
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Liebe, ich habe es eben online entdeckt auf der Homepage von http://www.joyclub.de/link/10457178.html...lohnt sich auch für vieles andere......ich fand es auch adventlich...
*****and Paar
3.125 Beiträge
*danke* für den Hinweis. Haben die seite über deinen
Copyright Hinweis schon entdeckt gehabt. Scheint
wirklich nett gemacht zu sein... *ja*

Was einen manchmal fast an sich selbst verzeifeln
lässt, ist, dass man all diese Dinge vom Rational
her weiß, man aber einfach den Schalter zwischen
den eigenen Ohren nicht findet... *traurig*


Lieben Gruß und einen besinnlichen vierten Advent,
(Christine und) Andreas...
Liebe Heidi, danke für diesen Beitrag. *g*

Ich denke, es ist ein Phänomen unserer Zeit und wohlhabenden Gesellschaft (im Vergleich zu anderen Generationen und Ländern). Jeder Mensch trägt irgendeine Trauer in sich, eine Verletzung, Enttäuschung oder verlorene Liebe. Wir haben offensichtlich einfach zu viel Zeit und zu wenig echte Probleme, um uns ständig damit auseinanderzusetzen, uns daran zu laben und im Schmerz zu baden. "Wer keine Probleme hat, der macht sich welche", so lautet ein Sprichwort. Ist euch mal aufgefallen, dass diese Problemchen beim Eintreten von echten Krisensituationen im eigenen Leben völlig in den Hintergrund treten und man sich wieder über kleine Erfolge (die kleinen Dinge) freut?

Es gab auch schon andere Epochen, in denen die Melancholie "modern" war. Diese Strömung war auch damals unter den eher höheren Gesellschaftsschichten zu beobachten. Der einfache Arbeiter oder Bauer hatte gar nicht die Gelegenheit, sich über den Sinn seines Lebens Gedanken zu machen. Für ihn ging es um's Überleben!

"Das Glück hängt von den guten Gedanken ab, die man hat." (Marc Aurel)
Unter dieser Prämisse bekommt das Motto "Jeder ist seines Glùckes Schmied" eine ganz andere, vielleicht sinnvollere, Bedeutung.

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen schönen 4. Advent, eine fröhliche Weihnacht und einen guten Start in ein gesundes neues Jahr! *g*

Angelina
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Der Text
hat mich genau da abgeholt, wo ich heute morgen stand.

Ich erlebte in den letzten Tagen besonders hier die Situation, in der ich mich oft gefragt habe, wer das alles eigentlich so ernst meinen kann, wie er es schreibt. Und ob es nicht tatsächlich noch zwei, drei wichtigere Dinge gibt......und dann habe ich zwischen Plätzchenbacken und Geschenke herstellen zufällig die Seite aufgemacht...

übrigens machen die eine ganz nette Zeitung, für die Mädels.....

und da ich nicht an Zufälle glaube, voilà....
*****ber Mann
14 Beiträge
Möglicherweise das schlechte Gewissen???
Unsere Unzufriedenheit ist Hausgemacht...

Es ist, so glaube ich zumindest, tief in unserem Innern, die Erkenntnis darüber dass wir uns Gedanken über Luxus Probleme machen, dass wir uns diese ganzen Annehmlichkeiten mit wegsehen erkaufen.
Spreche ich mit Kollegen, Bekannten und Freunden, besteht Einigkeit darüber, dass die Missstände im sozialen Bereich, der immer größere Druck am Arbeitsplatz etc. in von uns selbst generierten Strukturen ihren Ursprung finden. Aber, wir gehen nicht hin und machen unseren Nächsten, Kollegen oder Vorgesetzten, Auftraggeber usw. darauf aufmerksam, dass der Mensch nicht notwendigerweise bis in die letzte Sekunde seiner Wachphase hin optimiert werden muss.
Wir rennen dann in Wellnesscenter, zum Yoga – was wunderbar ist (!!!)
um uns für den Wahnsinn, den uns die Renditewut beschert, Kräftemäßig zu wappnen.

Aber es tickt eine Zeitbombe!

Wir entnehmen unserem Kräftepotential und wie selbstverständlich auch dem Potential unseres Gegenübers, oder Untergebenen, mehr als wir hinein geben.

Das gebiert eine tiefe Unzufriedenheit!
Egal wie groß die Wohnung, wie schön der Wagen vor der Tür, oder wie exklusiv der Urlaub war...

„Die Menschen sollten nicht so viel Nachdenken, was sie tun sollten,
sie sollten vielmehr beachten, was sie sind.“

Meister Eckhart, vom Nutzen des Lassens


Habt einen schönen 4. Advent.

Tiiimber
**********eume2 Frau
2.492 Beiträge
Wir sind nicht zum dauerhaften Glücklichsein gemacht
Hallo *g*

Schönes Thema, erinnert mich an einen sehr guten Beitrag von Eckart von Hirschhausen, wo er den Ablauf im Gehirn (und nebenbei noch die Evolutionsgeschichte) erklärt.
Nicht abschrecken lassen: Es geht anfänglich um Nichtraucherschutz. Das Video einfach erst ab Minute 4:26 angucken *top*


*****s42 Mann
11.869 Beiträge
zu Ecki:
Da bin ich aber froh, dass es das Glück der Mutationen gibt und immer wieder mal gänseblümchenschnuppernde Sunnyboys und Funnygirls geboren werden und ich dazu gehöre (gibt ja inzwischen auch seltener Tiger auf unseren Wiesen *zwinker* ).

Der schönste Satz war übrigens: "... und deshalb kann sich der Raucher nach der Zigarette für einige Minuten so glücklich fühlen wie der Nichtraucher den ganzen Tag." *ggg* *ja* *ggg*
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Glück ist Glückssache

Wie ist das irdische Glück zu definieren? Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Fortuna und Beatitudo, der Feststellung, dass die Leerstelle Glück für jeden Menschen verschieden zu besetzen ist, gelangt man zum Ergebnis: Glück ist Glückssache.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Die Frage ist ein fester Bestandteil des FAZ-Fragebogens, und sie ist eine jener Fragen, wegen derer man sich wünscht, diesen Bogen nie ausfüllen zu müssen. Selbst wenn man den Anspruch auf Vollkommenheit aufgibt, bleibt die Frage, was Glück sei, so schwer zu beantworten, wie sie alt ist. Das liegt unter anderem daran, dass der Begriff Glück im Deutschen zwei kategorial verschiedene Phänomene beschreibt: erstens ein als positiv empfundenes, kontingentes Ereignis und zweitens einen geistig-seelischen Zustand des Eins-Seins mit seinen Wünschen und Erwartungen. Das Lateinische kennt hierfür die Unterscheidung zwischen Fortuna und Beatitudo.
Auch wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Menschen zwar nichts gegen einen Sechser im Lotto einzuwenden hätten, im Prinzip aber eher an Beatitudo interessiert sind, so bleibt immer noch das Problem zu bestimmen, worin letztere Form des Glücks bestehen könnte. Der Philosoph Ludwig Marcuse schrieb einmal, Glück sei “eine Sonne, die eine Schar von Trabanten um sich herum hat: Behagen, Vergnügen, Lust, Zufriedenheit, Freude, Seligkeit, Heil”. Man kann vielleicht jeden einzelnen dieser Nebensterne ins Auge fassen: Wer aber in die Sonne selbst schaut, läuft bekanntlich Gefahr zu erblinden. Der Begriff Glück ist eine von Person zu Person je unterschiedlich besetzte Leerstelle.
Wer da nicht glücklich ist, ist selber schuld

Obwohl es also höchst kompliziert ist zu bestimmen, was mit Glück gemeint ist, wollen immer mehr Menschen glücklich sein: Ratgeber wie “Die Glücksformel” erklären, “wie die guten Gefühle entstehen”, Meditations-Seminare wollen uns den “Weg zu dauerhaftem Glück” weisen, und eine asiatische Fast-Food-Kette offeriert einen Durstlöscher mit dem Namen “Buddha – Der harmonische Glücksbringer”. Wer da nicht glücklich ist, ist selber schuld.

Das Problem daran ist, dass diese Allgegenwart von Glücksmöglichkeiten die Menschen immer mehr unter Druck setzt, glücklich sein zu müssen – und sie damit letzten Endes eher unglücklich macht. Hinzu kommt, dass Glücksgefühle nicht so verlässlich oder gar dauerhaft zu haben sind, wie es die Glücksindustrie verheißt. Versucht man sich einmal in Erinnerung zu rufen, wann man in seinem Leben tatsächliches Glück empfunden hat, so wird man vermutlich feststellen, dass dieser Zustand zeitlich recht scharf umrissen war – und dass er ganz unversehens von einem Besitz nahm. Der überwältigende Anblick eines Bergpanoramas mag einen bei der ersten Besteigung eines Gipfels mit tiefer Glückseligkeit erfüllt haben. Wenn man aber eines Tages an ebendiesen Ort zurückkehrt, wird sich dasselbe Gefühl möglicherweise nicht mehr einstellen, sei es, weil der Gipfel diesmal von Wolken verhangen ist, sei es, weil man ihn eben nicht mehr zum ersten Mal betritt – und nie wieder zum ersten Mal betreten kann.
Glück als das letzte Wort eines ertrinkenden Franzosen

Es scheint also geboten, den durch den psychologisch-spirituellen Komplex zunehmend abgeschliffenen Begriff vom Glück wieder bedachter einzusetzen, ihn jenen außergewöhnlichen Augenblicken vorzubehalten, die ihn verdienen. Vielleicht ist es doch ganz passend, dass die deutsche Sprache die Phänomene der Fortuna und der Beatitudo mit demselben Wort benennt: Glück, so könnte man sagen, ist Glückssache. Wer glücklich ist, darf sich glücklich schätzen. Was die eingangs erwähnte Fragebogenfrage angeht – die beste Antwort darauf stammt von dem Schriftsteller Wolf Haas. Der definierte Glück nach langem Nachdenken als “das letzte Wort eines ertrinkenden Franzosen”.
von Florian Werner
14.02.2010 Report
aus The European
*****lis Mann
691 Beiträge
Liest Du!
Ist der Sinn des Lebens, alle Träume zu verwirklichen?
Was, wenn man erkennt, dass das nie klappen wird?


Zum Thema Bedürfnisse und Sinn hatte meine Lieblingszeitschrift brand eins (die einzig wirklich lesenswerte Zeitschrift zum Thema Wirtschaft) im Oktober einen Schwerpunkt.


Wolf Lotter breitet in mehr als 4.000 Worten aus, woher wir kommen, wohin wir wollen und warum es auf der obersten Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide so leer und einsam ist.


Dankenswerterweise stehen all diese klugen Worte legal online:

http://www.brandeins.de/arch … tikel/selbst-bestimmung.html
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
@coriolis
genau so ist es, und bitte.....

Wir sitzen alle in einem Boot. Nein, bleiben wir präzise: im selben Geisterschiff.

Da weiß man wieder, warum das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts auch die Nuller-Jahre genannt wird. Jeder rechnet mit Verlusten. Die Arbeitnehmereinkommen in Deutschland sind im vergangenen Jahrzehnt gesunken. Der ideologische Hauptfeind der Antikapitalisten, die Geldwirtschaft, beantragte und erhielt gegen Ende des Jahrzehnts sogar "staatliche Sozialhilfe", wie der Soziologe Ulrich Beck den Bankenrettungsschirm nannte. Damit sitzen jetzt eigentlich fast alle im selben Boot. Das macht es einfacher, nun gemeinsam zu ignorieren, was jeder halbwegs bei Trost befindliche Erwachsene im Westen seit den sechziger Jahren wissen muss: dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben.

Die unangenehmen Konsequenzen werden verdrängt. Da lässt man lieber den alten Links-Rechts-Fundamentalismus aufleben, der bekanntlich im 20. Jahrhundert für eine mordsmäßige Orientierung sorgte.

Selbstverwirklichung? Nein, es sind wieder die Vergesellschaftungs-Lösungen gefragt, zurück zur dritten Stufe, dorthin, wo Demagogen und Manipulanten die Leute am liebsten haben: im Kollektiv, in der Gemeinschaft, der Gruppe. Sie säuseln uns zu: Du musst dich nicht selbst finden ... Wir wissen, wer du wirklich bist ... Wir kennen den Weg ... Es war doch klar, dass du das allein nicht schaffst ...

Wir sitzen alle in einem Boot. Nein, bleiben wir präzise: im selben Geisterschiff.


Wo geht's lang? Welche Richtung ist richtig? Warum tun wir uns so schwer damit, Zukunft zu gestalten?


Eine beliebte Antwort darauf lautet: Es fehlt eine Utopie.

Seit Beginn der Neuzeit bestimmen Utopien das, was wir unter geordneter Zukunft verstehen. Als der englische Staatsmann Thomas Morus im Jahr 1516 seinen Roman "Vom besten Zustand des Staates oder von der neuen Insel Utopia" veröffentlichte, hatte er die chaotische Lage in England vor Augen. Ein tief im Mittelalter steckendes Gemeinwesen verhinderte die Entwicklung des Königreichs.

Utopien werden als Zukunftsmusik verstanden - doch sie waren nie etwas anderes als Anleitungen für die Gegenwart, ein optimistischer Vergleich des Status quo mit dem, was machbar und wünschenswert wäre.

In unserer Lage helfen uns Utopien nicht weiter. Sie zielen nur auf kollektive Bedürfnisse ab. Sie beschreiben ideale Systeme oder Gesellschaften. Sie enthalten aber kein persönliches Glücksrezept. Mit der Entwicklung des Selbst haben Utopien nichts zu tun, mit seiner Zerstörung umso mehr.

Das wissen wir längst. Dahinter steckt die Volksweisheit, dass nicht alles, was machbar ist, auch wünschenswert sein muss. So dachte zu Beginn der Industrialisierung etwa Mary Shelley, die daraus ihre Geschichte vom "Modernen Prometheus" machte, bekannter als "Frankenstein". Bei der Monstergeschichte dreht sich alles um Respekt, Anerkennung und Selbstverwirklichung lange bevor diese Begriffe Allgemeingut wurden. Was geschieht, wenn man sich orientieren lässt, statt sich selbst seinen Weg zu suchen, zeigen die anti-utopistischen Texte des 20. Jahrhunderts, Aldous Huxleys "Brave New World" und George Orwells "1984". Deren Botschaft ist eindeutig: Versucht selbst, euer Glück zu finden. Arbeitet dafür. Das ist hart. Aber alternativlos.


Orientierung ist die ökonomische Schlüsselleistung des 21. Jahrhunderts. Nichts ist wertvoller. Aber der Kurs wird nicht mehr offiziell ausgegeben. Das hilft zuerst den Scharlatanen, den alten Ideologen und neuen Sinnhubern, die uns an jeder Ecke eine neue Richtung verhökern wollen. Nur die eine, unsere, ist nie im Angebot. Vielen scheint das zu reichen. Wenn man nicht weiß, wo man hin will, ist jede Richtung irgendwie okay bis man merkt, dass selbst fahren besser ist als getrieben werden.

Vielleicht brauchen wir für diese Einsicht auch eine neue Aufklärung, so wie das der Historiker und Autor Philipp Blom in seinem Buch "Böse Philosophen" schreibt. Die wichtigste Nachricht der Aufklärung ist immer noch: selber denken.

Dazu empfiehlt Blom in seinem Buch die Einsichten der großen Aufklärer Denis Diderot und des Barons Thiry d' Holbach, die das intellektuelle Epizentrum des 18. Jahrhunderts ausmachten. Statt Ordnungszwang und kollektiver Orientierung - wie bei Europas Lieblingsphilosophen Jean-Jacques Rousseau - gehe es bei den beiden um den Versuch, "die eigenen Leidenschaften zu verfeinern und zu leben (...) Die Leitlinie lautet: Niemand soll sich dafür schämen, sich nach seinen Bedürfnissen zu orientieren, seine Talente, Neigungen und Interessen auszuleben". Nach Diderot und d' Holbach sollte es den Menschen völlig genügen, "ihr eigenes Glück in dieser Welt zu finden, der eigenen Umwelt so wenig wie möglich zu schaden und so viel Gutes wie möglich zu schaffen".

Das ist nicht verrückt, sondern ein menschliches Programm, das es verdient, immer wieder versucht zu werden.


aus brand eins, Quelle siehe oben.
*****s42 Mann
11.869 Beiträge
Glück ...
Glück (Happyness) ist bestimmt nicht Glückssache.

Und Glück ist auch nicht zwingend das Zusammenspiel von "Behagen, Vergnügen, Lust, Zufriedenheit, Freude, Seligkeit, Heil". Man kann auch mit einer Situation unzufrieden sein, kann sogar schwer krank sein und trotzdem glücklich.

Glücklich bin ich dann, wenn mich mit den gegebenen Umständen einer Situation arrangieren kann. Sicher suche ich dabei (unbewusst) nach Momenten und Indizien, die mich glücklich machen können. Aber es gibt anscheinend auch viele Menschen, die genau das Gegenteil tun - die nach dem Haken an der Sache suchen, um sich dann unglücklich und unzufrieden zu fühlen.
*****cgn Frau
8.428 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
gerade hier
sind wir umgeben von "better option" huntern....ich denke, dass vielen das differenzierungsvermögen fehlt.
Zitate zum Thema
Vergleichen ist das Ende des Glückes und der Anfang der Unzufriedenheit!
(Sören Aabye Kierkegaard)

Wenn man glücklich sein wollte, das wäre bald getan. Aber man will mmer glücklicher sein als die anderen. Und das ist fast immer schwierig, weil wir die anderen für glücklicher halten als sie sind.
(Charles de Secondat, Baron de Montesquieu)

Wenn ein Mensch sagt: "Ich bin glücklich", so meint er einfach: "Ich habe keine Sorgen, die mich berühren."
(Jules Renard)

Viele Menschen versäumen das kleine Glück, während sie auf das große warten.
(Pearl S. Buck)

Glück ist etwas, das man zum ersten Mal wahrnimmt, wenn es sich mit großem Getöse verabschiedet.
(Marcel Achard)


Glücklichsein ist etwas sehr Subjektives, denn wie so oft spielt uns dabei unser Gehirn einen Streich! Nicht umsonst wirken Antidepressiva durch den Eingriff in die Funktion der Botenstoffe im Hirn, ohne dabei die äußeren Lebensumstände des Patienten zu ändern. Ich glaube, dass sich das persönliche Glücksempfinden, wie andere Gemütszustände, zum Teil auch lernen lässt ... u.a. durch Selbstreflexion (look outside the box), gesunden Optimismus/Realismus und die fast verloren gegangene Bescheidenheit bzw. Genügsamkeit. Alles durchweg eher undeutsche Eigenschaften, denn wir sind schließlich als Mecker- und Jammervolk bekannt. *zwinker*
Das selbstgeschaffene Hamsterrad
Die meisten Menschen hetzen Dingen hinterher, die sie mit etwas Nachdenken als nicht unbedingt lebenswichtig einstufen würden.

Dieses ständige Streben nach Dingen von denen sich diese Menschen eine gewisse Außenwirkung versprechen, trägt sicherlich zu deren Unzufriedenheit bei.

Schöne Dinge und Luxus darf man durchaus lieben, aber man sollte sie als das sehen was sie sind, schöne Dinge und keine Lebensnotwendigkeit.

Viele Menschen verschulden sich auch, damit sie sich Dinge leisten können, wovon sie sich eine Steigerung ihres Lebensgefühls versprechen, was allerdings dazu führt, dass die Freude durch das ständige Abzahlen eliminiert wird.

Ich lasse auch nicht gelten, wenn man mir sagt, "Du hast gut reden", denn eine meiner größten Freuden ist, wenn ich das Rabenpäärchen füttere, was jeden morgen in meinem Garten geflogen kommt.

Die wirklich schönen Dinge im Leben kosten nichts.

LG
RebelofDark
Wir
leben in einer absoluten Wohlstandgesellschaft. Es gibt bei uns keinen Krieg oder Hunger, oder sonstige schlimme Faktoren.... Wir sind es gewohnt, dass alles so läuft wie wir uns das vorstellen und haben den Bezug zum Glücklichsein verloren.
Was ist Glück? Für mich kann es ein Duft, eine schöne Wolke, ein Lächeln, ein Kuss, ein Kompliment, ein unerwartes GEschenk sein.
Glück ist bzw. sind Dinge , die man mit keinem Geld der Welt kaufen kann.
Glück ist wenn ich mit mir absolut zufrieden bin und am Ende eines stressigenTages da sitze und denke ich bin glücklich und zufrieden mit dem was ich habe.
*****s42 Mann
11.869 Beiträge
Genau - glücklich bin ich, wenn ich das Gefühl habe: als Raucher müsste ich mich jetzt in meinen Schaukelstuhl setzen, mein Pfeifchen stopfen und mir sagen: "Das war ein erfolgreicher Tag." (und wenn er nur deshalb erfolgreich war, weil ich mich wunderbar erholt habe *zwinker* ).

Allerdings bin ich Nichtraucher - also genieße ich nur dieses Gefühl, ohne Pfeifchen im Mundwinkel *ggg*
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