Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Akademiker
653 Mitglieder
zum Thema
Liebe, Zeit, Pflege - Polyamorie?333
Ich beschäftige mich momentan immer mal wieder mit dem polyamoren…
zum Thema
Liebe ohne Beziehung512
Ausgelöst durch viele Diskussionen mit einer Freundin, die partout…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Hallo zusammen,

ich habe heute nach langer Zeit wieder diesen Film gesehen und bin erneut begeistert. Ich liebe diesen Mix aus Weltgeschehen und individueller Glücksuche.

Wer kennt diesen Film und möchte mit mir darüber schwelgen und oder diskutieren?

Schwärmerische Grüße
der
Epi
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
Ach übrigens
wer auch das Buch gelesen hat, findet ihr auch, dass sich in diesem Fall Buch und Film wirklich sinnvoll ergänzen? Film für die Geschichte, Buch für den philosophischen Hintergrund?

ein klassisches P.S. vom
Epi
*****s42 Mann
11.868 Beiträge
Interessantes Thema :)
Ich hab den Film vor Jahren mal gesehen, er widerspiegelt ja viele Ebenen. Da es gerade zu der Zeit war, in der wir unsere Ehe geöffnet hatten und begannen, zunehmend polyamor zu leben (ohne den Begriff zu kennen *zwinker* ), haben mich natürlich besonders die zwischenmenschlichen Beziehungen besonders interessiert (und sind mir so auch noch am ehesten noch in Erinnerung).
Was ich damals schon nicht so richtig nachvollziehen konnte: Wieso seine Frau so ein Problem mit seiner "Leichtigkeit seines Seins" hatte? Sie spürte doch die Tiefe seiner Liebe, konnte sich derer doch sicher sein. Er hat sie doch nie betrogen, sie nicht hintergangen.

Vielleicht sollte ich mir mal das Buch besorgen *zwinker*
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
ja das wird im Buch deutlicher
Teresa ist im Buch eine Frau, die ihren Körper oder die Körperlichkeit an sich nicht mag, eine Person, die sich vor sich selbst ekelt, eine Zweiflerin. Sie hat (von Tomas kräftig genährte) Verlustängste. Sie kann einfach nicht verstehen, warum Tomas die anderen Frauen braucht. Tomas ist in seiner Leichtigkeit natürlich auch sehr leichtfertig und verletzt ohne es zu bemerken. Sie gibt in ihrer Schwere der Beziehung und seinem Leben eine Wertigkeit, die er ohne sie nicht erreichen könnte.
So entsteht eine Symbiose aus extrem unterschiedlichen Persönlichkeiten, stabil aber immer "close to the edge".

Das Buch ist wirklich zu empfehlen, finde ich...

der
Epi

P.S. Danke sorbas, für die schnelle Beteiligung *zwinker*
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Es ist Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, und ob ich den Film gesehen habe, kann ich gar nicht sagen.

Der Plot ist mir kaum noch geläufig. Ich erinnere nur noch die Stelle, wo Thomas sich entschließt, seine Familie zu verlassen. Schien mir damals der Schlüssel zum wirklich genialen Titel zu sein.

Ist das Original eigentlich auf tschechisch und wenn ja: Ist das richtig übersetzt?

Ich assoziiere bei dem gesamten Konzept sofort Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse," das ich heute in erster Linie in Beziehung zu meinen Wünschen und Sehnsüchten setze.

Sich klar zu machen, dass diese Sehnsüchte einfach sind wie sie sind. Dass es vollkommen unsinnig ist, diese Sehnsüchte irgendeinem moralischen Korsett zu unterwerfen, denn wir können diese Wünsche sowieso nicht annihilieren, sondern bestenfalls verleugnen. (Betrifft vor allem das neunte und zehnte Gebot.)

Inwieweit ich diese Wünsche in die Tat umsetze, ist eine ganz andere Frage, aber ich stelle immer häufiger überrascht fest, wie "unerträglich leicht" sich oft alles fügt, wenn ich diese Wünsche und Sehnsüchte klar, aufrichtig und authentisch zum Ausdruck bringe.

Die Schere im eigenen Kopf macht das Leben "schwerer" als nötig.

Hiergegen kann dieser Roman wirklich eine Art Erleuchtung hervorrufen.
*****s42 Mann
11.868 Beiträge
Sie kann einfach nicht verstehen, warum Tomas die anderen Frauen braucht. Tomas ist in seiner Leichtigkeit natürlich auch sehr leichtfertig und verletzt ohne es zu bemerken.
Hm, da stellt sich mir wieder die Frage (auch allgemein, nicht nur bei Tomas): Braucht er die anderen Frauen wirklich? Oder genießt er es nicht einfach, dass es sie in seinem Leben gibt.
Woraus sich auch die zweite Frage ableitet: Verletzt er Teresa - oder verletzt sie sich nicht selbst durch ihre verschlossene Art, ihre Verletzlichkeit?

Oder anders: Wenn ich mit aufgeweichten Sohlen über spitze und scharfkantige Steine laufe - verletzen mich die Steine oder verletze ich mich an den Steinen? *gruebel*
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
jetzt erst Zeit zum Antworten
@**n der Roman wurde von Kundera im Exil in Frankreich geschrieben, Erstauflage deshalb in französisch. Ob der Titel vom tschechischen ins französische ins deutsche übersetzt wurde ist mir unbekannt, wenn dem so wäre fände ich die Übersetzung aber ziemlich gelungen. Da sich Kundera tatsächlich stark auf Nietsche bezieht, sein Kernthema im Buch ist die Frage nach der ewigen Wiederkehr und daraus die Bedeutung von Schwere und Leichtigkeit, gehe ich aber davon aus, dass es auch eine gute deutsche Entsprechung des Titels gibt.

Neben der Frage nach den eigenen Sehnsüchten und deren Akzeptanz geht es meiner Meinung nach auch um die Frage, welche Entscheidungen man in seinem Leben trifft. Nimmt man eine Liebe an, die einem so ins Leben gespült wird an, lehnt man sie ab? Es geht immer wieder darum, dass es keinen zweiten Versuch gibt, dass das Leben (unerträglich) leicht wird, wenn man tiefgreifende Entscheidungen meidet.

Tomas ist ein Angsthase, er hat Angst vor Frauen, davor sich festzulegen und muss ständig eine Brücke zwischen seinem Begehren und dieser Angst bauen. Und da sind wir bei der Frage, ob Tomas Theresa verletzt, oder sie sich selbst. Ich denke beides. Theresa ist verletzlich, sie hat die schwarze Galle in sich, aber die Dinge bekommen durch diese Schwere für sie und später auch für Tomas erst einen Wert. Er verletzt sich selbst durch die ständige Flucht in andere Frauen, seine Form der ewigen Wiederkehr.
Theresa weiß bald, dass Tomas nicht wie sie ist, sie versucht seine Jagd zu akzeptieren, versucht sich zu sagen, dass sein Verhalten ihrer beide Liebe nicht gefährdet, aber sie hat nicht das Selbstbewusstsein. Deshalb kehrt sie von Genf zurück in das "Land der Schwachen", weg von ihm. Bis er ihr nachfolgt, er kann nicht mehr ohne ihre Schwere...

der Epi
*****s42 Mann
11.868 Beiträge
Ich muss mir wirklich mal das Buch besorgen - und vor allem auch die Zeit nehmen, es zu lesen *zwinker*

Tomas ist ein Angsthase, er hat Angst vor Frauen, davor sich festzulegen und muss ständig eine Brücke zwischen seinem Begehren und dieser Angst bauen.
Diese Angst habe ich bei ihm nicht gesehen. Und warum Angst vor dem Festlegen? Er hat sich doch festgelegt - er hat Theresa geheiratet (oder sie ihn), und beide wussten dabei, dass er sich nicht nur auf eine Liebe, eine Frau festlegen wird.
Muss man so eine Festlegung treffen? Muss man sich gegen weitere Lieben wehren, sie ablehnen? Es ging ihm ja auch nicht (nur) vordergründig um den Sex mit den anderen Frauen.
Theresa weiß bald, dass Tomas nicht wie sie ist, sie versucht seine Jagd zu akzeptieren, versucht sich zu sagen, dass sein Verhalten ihrer beide Liebe nicht gefährdet, aber sie hat nicht das Selbstbewusstsein.
Ist er wirklich "auf der Jagd"?
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
nein nicht um Sex
aber auch nicht um die Liebe.
Tomas sucht das Besondere im Menschen, den kleinen Unterschied, das was diese Frau in seinem Bett von allen anderen unterscheidet. Er sucht das Detail und er sucht es im Sex, weil er da jagen kann. Er ist davon besessen, er ist ein Jäger. Im Beruf geht er mit dem Skalpell an die Gehirne, etwas ähnliches versucht er bei seinem Verlangen: näher kommen.

Das er nur über die Liebe näher kommen kann, lernt er erst spät.
Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich mag Tomas, ich liebe seinen Forschergeist und er berührt mich in seiner partiellen unbeholfenen Naivität.
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
Frage übersehen
Muss man sich festlegen?

Nein, ich denke nicht, aber ich glaube, es hilft wenn man es kann. Oder anders gesagt, im Fall von Tomas und Theresa ist er umtriebig und sie unternimmt einen unglücklichen Versuch, um dem etwas entgegen zu setzen. Er braucht es und sie kann damit gar nichts anfangen. Und das ist gar keine Frage der Moral, sondern der Neigung. Schwierig. Wie viel kann ein Partner ertragen, um seinen Geliebten glücklich zu machen? Wie viele Kompromisse kann er eingehen, bevor es an die Substanz geht?

Wenn beide gleich fühlen, ist der Preis nicht so hoch, aber bei Gegensätzen wie Leichtigkeit und Schwere wird es richtig teuer. Aber wenn man den Preis zu zahlen bereit ist, ist das was man bekommt unglaublich wertvoll...
*****s42 Mann
11.868 Beiträge
Ja, wir sehen das wohl doch sehr ähnlich. *g*

Nein, ich denke nicht, aber ich glaube, es hilft wenn man es kann.
Und ich glaube, man kann sich immer festlegen, wenn es nötig ist. Auch Tomas könnte es, aber warum sollte er?
Ich denke nicht, dass er die Frauen "braucht" - aber er genießt es. Und er hat sich sogar "festgelegt", indem er Theresa geheiratet hat (oder sich von ihr hat heiraten lassen? *zwinker* ).

Und ja, bei so unterschiedlichen Auffassungen von Treue und Liebe (warum muss die eigentlich exclusiv sein?) geht es manchmal bis an die Kompromissgrenze, manchmal sogar darüber hinaus. Und da stellt sich mir die Frage: Warum macht Theresa das mit?
Ich hab das Buch vor Jahren gelesen und kann mich gar nicht mehr richtig an den Inhalt erinnern. Wohl aber daran, dass ich einzelne Sätze von Kundera so brilliant formuliert fand, dass ich das Buch mit einem Bleistift gelesen habe, um sie unterstreichen zu können....dann habe ich es verliehen und nie wieder bekommen...

Wenn ich euch hier so lese, könnte ich es mir driekt auch nochmal besorgen.
*******rus Mann
431 Beiträge
Themenersteller 
kann nicht schaden...
ja gardez, ich finde dieses Buch immer eine Anschaffung wert, auch wenn man es zum zweiten mal kauft *zwinker*
Nicht, weil ich alle Ansichten des Autors teilen würde, aber weil er einem vor Augen führt, worum es so geht, was die Fragen sind, wenn man sich bindet, oder eben auch nicht. Sehr interessant, hier aber noch nicht zu Wort gekommen, die Anspielungen auf Anna Karenina, ein extrem weites Feld, wenn es um die Frage des Preises geht, den man zu zahlen bereit ist...

Aber jetzt zu der Frage, warum macht Theresa das mit? Die einfachste Antwort (aber dadurch nicht die unzutreffendste) ist:

In einem kleinen böhmischen Kurort arbeitet eine junge unterforderte Frau unter Kranken,als just ein Hirnchirurg aus dem großen Prag auf dem weissen Ross hereingeritten kommt. Für Theresa,das notorisch hässliche Entlein, ist das die Chance, alles zurück zu lassen, ein neues besseres Leben zu beginnen. Für sie gibt es zwei Möglichkeiten, ewiger Stillstand oder dieser eine Mann. Sie entscheidet sich für zweiteres.

Die ersten Hürden bewältigt sie mit Bravour, er trägt ihren schweren Koffer (darin ist ihre ganze Vergangenheit) in seine Wohnung, aber wie es immer so ist, der Prinz auf dem weissen Ross ist kein Märchen sondern ein Mensch. Sie macht diese Entzauberung solange mit,wie sie kann, aber als auch die Emigration nach Genf sein Verhalten nicht ändert (egal wohin Du gehst, Du nimmst Dich selbst immer mit) kehrt sie sich von ihm ab, geht zurück ins Land der Schwachen.


Theresa macht mit, um nicht zu verlieren was sie sich erkämpft hat, es ist aber nicht ihr Leben was Tomas führt, sie duldet und leidet. Es geht ihr nicht gut mit seinem Leben, aber sie hat wahrscheinlich eine Grundhaltung, dass es besser ist an einer guten Sache zu 50% Prozent beteiligt zu sein, als an einer schlechten zu 100%.

Tomas auf der anderen Seite kämpft ständig um seine Autarkie. Er will/muss frei sein, er braucht die anderen Frauen,er braucht Sabina als Gegenentwurf, die Unabhängige, die ihn als "Gegenteil von Kitsch" erkennt, er braucht die Jagd...

Soviel dazu für heute
der Epi
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.