Typisch Mann - typisch Frau? Fokussierung vs Multitasking
... bzw sich verzetteln vs ewig brauchen... Eine hochbetagte Verwandte von mir hat eine interessante These aufgestellt, in der ich mich selbst auch wiederfinde. Ich bin neugierig, ob es anderen Frauen vielleicht ähnlich ergangen ist.
Wir regeln gerade den Nachlass ihres Mannes und es fällt ihr schwer, nicht ständig zwischen den verschiedenen Vorgängen hin und her zu springen.
Irgendwie ist bei ihr ein gefühlter Druck, alles gleichzeitig machen zu müssen, statt eines nach dem anderen.
Das war auch in ihrer Ehe manchmal Thema. Sie hatten gegenseitig nicht immer Verständnis dafür, wie der andere seine Aufgaben erledigt. Er hat zb moniert, dass sie sich oft verzettelt oder unkonzentriert ist. SIe hingegen fand, dass er ewig brauchte, bis er mit einer einzigen Sache fertig war, und auch im Anschluß oft noch gedanklich abwesend war.
Ihre Theorie ist nun, dass das wenig mit dem Geschlecht und auch nicht viel mit dem individuellen Charakter zu tun hat, dafür aber ganz viel mit den sozialen Rollen, die wir einnehmen.
Wie in vielen Partnerschaften hatten sich die beiden die gemeinsamen Aufgaben aufgeteilt. Sie war zb. für die Kinder zuständig, er hat sämtlichen Papierkram übernommen.
Ganz klassisch.
Kinderbetreuung und Haushalt können oft nicht warten, also lernen wir Frauen Multitasking: Beim Kartoffelschälen parallel die Hausaufgaben beaufsichtigen, und während das Essen kocht, noch schnell die Wäsche aufhängen. Und wenn dann unerwartet Babykotze vom Sofa entfernt werden muss, vergisst man, das Turnzeug für die Kinder zu packen und muss deshalb später noch mal umkehren.
Bei "Papierkram" und Co. hingegen hat jeder Verständnis, dass man dabei nicht gestört werden will. Für Männer (ich pauschalisiere hier absichtlich) ist es vollkommen selbstverständlich, sich für Stunden zurückzuziehen, um sich ganz und gar auf die Steuererklärung zu konzentrieren. Oder um den Rasenmäher zu reparieren. Oder die Sendervorwahl am Fernseher einzurichten.
Niemand käme überhaupt auf die Idee, dass man dabei gleichzeitig noch etwas anderes macht.
Ich habe genau die gleichen Erfahrungen gemacht wie sie.
Und was uns auch aufgefallen ist, ist dass wir durchaus fokussiert und sehr lange am Stück arbeiten können. Und das sogar sehr gerne! Wir schreiben beide beruflich viel, und das am liebsten nachts, bis in den frühen Morgen hinein. (Weil das die einzige Zeit ist, in der nicht ständig andere Aufgaben aufploppen...?)
Aber sobald mehrere Aufgaben gleichzeitig anstehen, die scheinbar alle dringend sind, fallen wir wieder in den Multitasking Modus. Inklusive der ständigen Sorge, sich zu verzetteln und etwas zu vergessen.
Mit anderen Worten - Frauen als Familien-"Kümmerer" verlernen die Fokussierung auf eine einzige Aufgabe, Männer hingegen haben wenig Anlass, Multitasking zu lernen. Zumindest im privaten Raum.
Was sagt ihr dazu? Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder ganz andere? Ich bin ja nicht mehr die Jüngste, vielleicht ist da heute vieles anders in der Rollenverteilung.