Mythos „erstes Mal“?
Zu Teenagerzeiten erscheint es möglicherweise vielen als höchstes Ziel und erstrebenswerte Wegmarke auf der Straße zum Erwachsenenwerden: das erste Mal, Sex zu erleben und damit die Jungfräulichkeit zu verlieren. Heute gilt dies wahrscheinlich für junge Frauen (in der westlichen Kultur) und Männer gleichermaßen; früher galt es für Mädchen, sich aufzusparen für den richtigen und damit auch die Ehre der Familie zu wahren.Aber auch heute wird vielfach die Legende gepflegt, das erste Mal solle etwas besonderes sein, ein Erlebnis, das Mann/Frau nicht vergisst, ebensowenig wie den Menschen, mit dem man es erlebt hat.
Dies steht aber im Widerspruch zu einer Realität, die oft bestimmt ist von Nervosität, Ungeschicklichkeit auf beiden Seiten, wenn beide noch Anfänger sind, möglichen Schmerzen oder Versagensangst.
Eine junge Frau im Forum schrieb einen - wie ich finde - interessanten Beitrag zu dieser Frage:
mit der Begründung, das erste Mal sei etwas sehr spezielles, und man(n) solle es nicht verschwenden
Diese Begründung habe ich nie gemocht und auch heute sträubt sich nach wie vor alles in mir, wenn man Menschen einredet, dass man ihnen bei ihrem Ersten Mal etwas "wegnimmt", was unwiederbringlich ist.
Dem Entjungferten wird viel zu oft eingeredet, man würde ihm die "Unschuld nehmen", dem Entjungfernden wird viel zu oft weisgemacht, dass er jemandem die "Unschuld nimmt". Genauso wenig mag ich den Gedanken, jemandem meine Unschuld zu "schenken". So verkommt der erste Sex zu einem Gedankenkonstrukt, bei dem Menschen das Gefühl haben, etwas zu nehmen, oder dass man ihnen etwas wegnimmt, was sie nie wieder zurückhaben können. Als ob der Sex danach nie wieder besonders sein kann, weil nur das Erste Mal etwas ganz Besonderes ist.
Ich mag das nicht und ehrlich gesagt wird mir sogar schlecht dabei, wenn ich mir ausmale, wie viel Druck manchen Menschen bezüglich ihrem ersten Sex gemacht wird und auf was sie alles angeblich achten müssen, damit es auch ja was "Besonderes" wird und man es nicht "verschwendet". Jemandem einzureden, dass das Erste Mal etwas Besonderes sein MUSS, ist etwas, bei dem ich nur mit den Augen rollen möchte.
Wichtig ist doch nur, dass man sich wohl fühlt mit dem Partner, mit dem man es tut, egal ob das Erste Mal oder das fünfzigste Mal. Ich sehe da keinen Unterschied. Warum sollte man Sex "verschwenden", wenn man dafür zu einer Sexdienstleisterin geht? Das Erste Mal muss kein rosa Blubbertraum mit Zuckerwatte und Rosenblättern sein. Man muss nicht "den Richtigen/die Richtige" finden, sondern nur den Passenden/die Passende für ein bestimmtes Vorhaben, das einen eventuell nervös macht, weil man sich nicht auskennt. Das kann eine Sexdienstleisterin sein, die Erfahrung mit Jungfrauen hat und besonders einfühlsam ist, das kann aber auch ein toller Flirt aus der Disco sein, mit dem man sich genau jetzt in diesem Augenblick so sauwohl fühlt, dass man es einfach machen möchte. Oder es wird ein fester Partner oder eine gute Freundin. Völlig egal, Hauptsache man drängt sich zu nichts, fühlt sich wohl und lässt sich nicht einreden, dass man beim Ersten Mal eine unwiederbringliche Chance vertut, sollte es doof laufen. Wer es zu etwas Besonderem machen möchte, sollte das tun, es ist schließlich sein Erstes Mal und er hat jedes Recht der Welt, es so zu gestalten, wie er möchte. Aber ich finde, man sollte aufhören, den Leuten einzureden, dass das Erste Mal immer besonders gut vorbereitet werden muss, weil es an sich etwas Besonderes sein muss. Das würdigt auch irgendwie all jene herab, die ihr Erstes Mal zum Beispiel auf einer Bahnhofstoilette oder einer Party hatten. Na und?
Mein Erstes Mal war überhaupt nichts Besonderes. Es war ernüchternd schlecht, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass ich jetzt dasitzen und mir einreden müsste "Tja, das war's dann, das kommt nicht wieder und jetzt ist dein erster Sex für alle Zeiten verschwendet".
Nö. Ich weigere mich, so vernagelt zu denken und das Erste Mal zu etwas aufzublasen, was es nicht ist. Man macht viele erste Erfahrungen in seinem Leben und immer wieder mal wird eine erste Erfahrung blöd laufen. Das passiert. Damit hat man aber nichts verloren. Nur eine weitere Erfahrung gewonnen.
Dazu interessieren mich die Meinungen der Erfahrenen unter uns:
• war das erste Mal für Euch etwas besonderes?
Vorher in Eurer Vorstellung und dann auch in der Realität
Und die Einstellung der absolute Beginners:
• ist das erste Mal für Euch eine so große Hürde, weil ihr so lange auf den „richtigen“ Menschen gewartet habt und Ihr ein ganz besonderes Erlebnis erwartet?