Naja, dafür kann es unterschiedliche Gründe geben.
Was du vermutlich beklagst, ist die Tatsache, dass viele sich nicht als Teil der Gesellschaft fühlen, wenn sie "draußen herumlaufen", deren geschriebene und ungeschriebene Regeln einzuhalten sind. "Früher" wurde mehr auf Anstand und Sitte geachtet und heute denkt man egoistischer, hinterfragt solche Gebräuche und denkt sich "LMAA". Dabei kann es auch ein Stadt-Land-Gefälle geben, sowie regionale Unterschiede.
Anders als in Frankfurt, wo rote Fußgängerampeln schon vor 40 Jahren nur Empfehlungscharakter hatten, bleibt auf der Reeperbahn auch der Punkrocker stehen. Dafür liegen dort die Obdachlosen nicht an der Hauswand sondern mittig auf dem Gehweg.
Und dass die Menschen ihre Grenzen ausprobieren und ohne Gegenwehr der "Gesellschaft", egal ob uniformiert oder durch den Nachbar, erst Recht machen, was sie wollen, weiß jeder, der Kinder hat.
Genau das fehlt uns aber: Ein zeitnahes Grenzensetzen innerhalb dieses Mikrokosmos "Gesellschaft". Bleiben wir beim Vergleich mit dem Kind. Wenn das gegen die Regeln verstoßen hat, muss die Reaktion darauf zeitnah erfolgen. Nicht erst, wenn Vater von der Arbeit kommt und schon gar nicht nach 2 Jahren wie bei unserer Gerichtsbarkeit.
Alles, womit jemand durchkommt, bestärkt ihn in der Zulässigkeit seines Tuns. Egal, ob das die rote Fußgängerampel, das Spucken, "unangemessene" Kleidung oder bedeutenderes Fehlverhalten.
Die Entwicklung ist teilweise so weit fortgeschritten, dass man selbst sich an solchen Kleinigkeiten nicht mehr stören darf. Es ist das heutige Normal. Wenn du dagegen vorgehen wolltest, würdest du selbst angefeindet, weil andere das als Eingriff in ihre eigenen Angelegenheiten auffassen und entsprechend aggressiv reagieren könnten. Da kann ein Kommentar manchmal bereits reichen, um sich anschließend in der Notaufnahme wiederzufinden. Leider. Doch was hilft es da, Recht zu haben?
Also gilt es, die Balance zu suchen. Selbstverständlich soll man Dinge, die nicht tolerierbar sind, auch nicht wegschauend ignorieren. Aber man muss abwägen, wo man großzügig sein kann und auch können muss, und wo man - selbst oder durch Meldung an andere - einschreiten muss.
Zurück zu den Beispielen aus dem EP: Solche Dinge regen mich als Großstädter schon lange nicht mehr auf. Eigentlich noch nie, weil ich damit groß geworden bin, ohne mir dieses Gebären selbst anzueignen. Mich stören nur Dinge, die eine andere Hürde übersteigen haben.
Aber ich verstehe, wenn sich bereits daran jemand stört.