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Liebe als Vorhängeschloss ?

Liebe als Vorhängeschloss ?
Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.


(Übliche Übersetzung:
Du bist mein Ich bin Dein
Dessen sollst Du gewiss sein
Du bist verschlossen
In meinem Herzen
Verloren ist das Schlüsselein
Du musst immer drinne sein.)



So leicht, so einfach, so wunderschön kann Liebeslyrik sein. 


Eine Versicherung gegenseitiger Verbundenheit.

Ein schönes Bild.

Eine klare Ansage:


"Du gehörst mir! Hier kommst Du nicht mehr lebend raus!"

Autsch! Ziemlich frustrierend. Und das schon im Mittelalter?


Doch geben wir nicht auf! Ein so schönes Gedicht gehört nicht in die Fänge der Liebesbeckmesser, der Eifersüchtigen, der Besitzergreifer. Wir werden um diesen Text kämpfen. Und der Kampf wird kurz und siegreich sein.


Über die Reihenfolge im erste Vers kann man streiten. Müsste es nicht andersherum lauten? Erst geben, dann nehmen? Das ist mir ehrlich gesagt wurscht. Wer liebt, darf auch erstmal wollen. So mit jeder Faser. Das muss halt raus. Und dann wieder rein.

Schlimmer wird es in den Versen 3 und 6.

BESLOZZEN ist das Liebesopfer; es erfährt: Du MUOST ... IMMER drin bleiben im Herzen Deines Liebestäters. Zu allem Überfluss ist auch noch das SLUZZELIN weg. Ein Ausbruch scheint also nur unter Einsatz massiver Gewalt noch denkbar. Etwa mithilfe einer Brechstange oder eines Seitenschneiders.


Was können wir also tun?

Wir assoziieren mal: Ist dieser Liebesluftabschneider nicht ein schlechter Freund? Ein false friend? Moment? Findet man die nicht im Wörterbuch?


Also: Mittelhochdeutsches Wörterbuch

"beslozzen" kommt von "einschließen"

"muost" von "müssen"

Mist.

... aber da! Die Sonne geht auf:

"beslozzen" kann auch heißen: "(schützend) umgeben" (!)

"muost" heißt nicht zwangsläufig "musst".

Nein, auch die Bedeutung "dürfen" (!) ist eindeutig belegt.


Lesen wir den Text also erneut, uns hartnäckig an unsere vertieften Vokabelkenntnisse haltend.

Welch Freiheit, welche wahre zärtliche, haltgebende, freie Liebe durchströmt nun diese berühmten Zeilen:

Die Liebenden gehören zusammen, fühlen Verbundenheit. Das lyrische Ich versichert dem geliebten Menschen: mein Herz wird Dir für immer eine schützende Umgebung, ein Ruhe- Rückzugs- und Liebesort für Dich sein. Sogar der Schlüssel ist verloren, die Tür wird Dir also für immer offen stehen. Komm und geh und mach wann und wie und was Du willst, mein Herz steht Dir offen: Du darfst für immer in meinem Herzen wohnen.


Ich möchte die Herzensmetapher noch ausdehnen. Sie nicht beschränken auf eine "Liebesbeziehung", eine "Hauptbeziehung", eine "Reihe von Beziehungen". Nein, mein Herz soll allen Menschen, dich liebe oder gerne mag, offenstehen und Unterschlupf gewähren. Sei es nun, dass ich sie sexuell begehre und mit ihnen schlafe und kuschel oder eben nicht. Ich will den Schlüssel nicht für Eingeweihte unter der Fußmatte verstecken, sondern ganz wegschmeißen.
Geplant ist sogar ein Notzelt im Vorhof. Für Nachbarn und andere Ärsche. Muss ich aber erst noch n bisschen reifen dafür.

Das Schloss hat seit unserem Gedicht eine traurige Karriere als Symbol der Liebe gemacht. Ausgerechnet auf Brücken, dem Sinnbild schlechthin für den Aufbruch zu neuen Ufern, der Verbundenheit zur Außenwelt, bringen Arrestverliebte Vorhängeschlösser an, diese rostigen Etwasse zum Einmotten rostiger Fahrräder in muffigen Schuppen, um ihrer Vorhängeschlossliebe einen stahlkalten Ort zu geben.

Die ersten Brücken, so wird vermeldet, ächzen bereits unter der tonnenschweren Last, drohen einzustürzen. Diese Symbole für Verbundenheit, sie brechen ein unter der Last der Liebe.

Was ein Horrorszenario.
*****s42 Mann
11.868 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich war mal so frei, die Zweitversion in den Papierkorb zu schieben *g* *modda*
________________

Zu dem Gedicht:

Eine sehr nette Interpretation, die durchaus wohlwollend die Liebe als freies Konstrukt der Freiheit, der Offenheit und gleichzeitigen Geborgenheit aufzeigen will.

Allerdings muss man sich ganz schön strecken, um diese Inhalte darin zu verorten *ggg*

Leider ist die meiste Liebeslyrik (egal aus welcher Zeit - auch das oben genannte Gedicht) eher in die Rubrik "Abhängigkeitsprosa" oder "Gefängnis-Hymnen" zu stecken *zwinker*

Und das Bild mit den sogenannten "Liebesschlössern" karikiert das vorher gesagte total - denn hier sind die Schlösser geschlossen, abgesperrt (und nicht offen) und der Schlüssel wurde bewusst weggeworfen, dass das auf ewig so bleiben SOLL! *oh2*

Zum Glück hat das alles mit LIEBE so wenig zu tun wie wie eine Schiffsschaukel mit einer Weltumsegelung *ja*

P.S. Die Idee mit dem Notzelt im Vorgarten finde ich gut *ggg*
Ein Vorhängeschloss ist schon krass! Für Keuschheitsgürtel??
Hab mich immer gefragt, was das für eine Symbolik sein soll mit den Schlössern.

Eine äußere Struktur soll das ersetzen, was im Innern fehlt?

Nun gut, ich muss es ja nicht so machen. *g* Und die mit den Schlössern nicht so wie ich. *g*
******del Mann
766 Beiträge
Keine
Ahnung,

aber ich vermute mal, dass das weggeworfene Schlüsselchen eine Metapher für die Ewigkeit ist. Es geht um ewige, unverbrüchliche Liebe. Es geht um das Wegwerfen und nicht wieder hervorholen Können.

Das Schloss ist ja wiederum ziemlich drastisch als Metapher, das lange und dünne Etwas muss in das Loch gesteckt werden - na gut.

Aber die Ewigkeit wiederum ist für die Menschen ein - Unding. Denn das Leben ist endlich. Und die ewige Liebe folglich ein Traum, ein Wunschdenken.
**********w_s24 Frau
248 Beiträge
Das Leben mag endlich sein, nicht aber doch die unsterblichen Dinge darin, wie Gefühle, die Kraft der eigenen Aura,
tiefe Verbundenheit oder auch einfach wahre Freundschaft...
Und selbst wenn ewige Liebe oder Ewigkeit vielleicht Angst auslösen bei dem einen oder anderen, etwas davon bleibt, wir sind ja nicht nur Körper, sondern auch "Geist", und die Energie dessen existiert ja in irgendeiner Form durchaus weiter...
Ich bin nicht religiös und so meine ich es auch nicht, aber um metaphysisch zu sprechen, das NICHTs ist ja im Grunde auch nur unsere beschränkte Möglichkeit der Wahrnehmung und Vorstellungen von etwas für uns nicht oder schwer beschreibbarem...
und ich finde das eigentlich ziemlich grandios und phantastisch... *wow*
******del Mann
766 Beiträge
Da
musste ich erst nachdenken.

Die ´unsterblichen Dinge´ wie Freundschaft, Liebe u.a. sind, glaube ich, Paralleluniversen in unseren Köpfen, die durch die Resonanz zwishen zwei Menschen entsteht (eventuell auch mehr, sogar ganz viele sind denkbar, besondere Stimmungen bei einem Fest, Konzert) und dann weitergetragen werden in der Erinnerung. Sie existieren zun#chst in den beteiligten, betroffenen Menschen

Es kann sein, dass Außenstehenden diese Resonanz nicht mitgeteilt werden kann - es sei denn, sie findet einen Ausdruck (z.B. in einem Gedicht) (oder einem anderen Kunstwerk), das andere nachfühlen können - und sei es ein erstaunlich einfaches Gedicht (das aber nicht jedermann Geschmack sein muss).

Geist und Energie besteht darin, das Gefühl nachspüren zu können - auch nach Jahrhunderten
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