Krolock, ich beschreibe das Phänomen mal aus Sicht der Gothic-Szene, die ich noch ein wenig besser kenne als die SM-Szene.
Wenn jemand diese für sich entdeckt, findet er/sie erst einmal alles total toll. Auch und gerade die Klischees. Und man ist ja so anders!
Gerade dieses Anderssein wird gerne betont, gegenüber allen Nicht-Gothics selbstverständlich.
Was tun die Leute? Sie kaufen sich Klamotten, die alle voll dem Klischee entsprechen, tanzen auf eine Weise, die dem Klischee entsprechen, schminken sich entsprechend - das volle Programm. Individualität? Siehst du nicht. Es wird erst einmal alles kopiert und widerspruchslos aufgesaugt.
Das nenne ich jetzt mal die "Euphoriephase".
Im Lauf der Zeit ändert sich das dann aber. Die Leute merken, dass diese Szene ja doch genauso menschlich ist wie alle anderen auch, dass es auch hier Kleinkriege untereinander gibt, Zickereien, diese Szene ja doch nichts ganz so besonderes ist, wie sie immer dachten.
Da kann dann schon mal bei rauskommen, dass aus Trotz all diese Klischees abgelehnt werden und sie sich GANZ anders geben. Oder ins Extrem gehen und es erst recht mit diesen übertreiben. Sie suchen ihren Platz einer Szene, die sie einerseits immer noch fasziniert, andererseits aber auch ein Stück weit enttäuscht hat.
Ich nenne das dann mal die "Findungsphase".
Tja, irgendwann haben sie sich dann entschieden. Entweder, dass sie die Oberflächlichkeit dieser Szene anerkennen und so dann selbst in dieser Menge verschwinden. Ist auch nichts Schlimmes daran, tiefer rein tut nicht immer jedem gut, es soll ja in der Freizeit Freude machen und nicht anstrengend sein. Wieso kreativ sein müssen, wenn man es nicht sein will? Dann ist man eben nicht kreativ.
Es gibt aber auch andere. Die entwickeln dann ihren ganz eigenen Stil.
Der nicht immer sofort erkennbar ist von außen. Die Attribute sind immer noch weitgehend dieselben. Schwarz bleibt schwarz, es wird aber mit anderen Dingen gemischt, mit anderen Verhaltensweisen.
Das Individuelle aber sieht man erst bei genauem Hinsehen. Und wird vor allem weniger in Clubs geleistet, sondern privat. Musikalisch existieren dann mal eben neben The Cure, VNV Nation und Marilyn Manson auch Abba, Enya und Wolfgang Petry. Gleichberechtigt.
Nennen wir es mal "Gefundenphase".
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Beim BDSM vermute ich, dass die Leute genau dieselben Phasen durchleben. Sicher nicht alle, aber viele.
Am Anfang findet man alles total toll. Die Klischees werden hergefahren, damit man gleich loslegen kann, alles spitze, genau so will man es haben, alles ist böse und toll und toll-böse.
Später folgt ein Stück weit Ernüchterung. Vor allem dann, wenn es um ein Szeneleben geht.
Um dann eben doch dieses "ganz eigene BDSM" für sich zu entdecken.
Meine bescheidene Erfahrung diesbezüglich ist, dass du in den Clubs häufiger den Klischees begegnest, in den privaten Räumen dann aber wieder nicht.
Im Club hast du ja auch allein von der Möblierung her schon die Klischees am Start: Gibt es einen Club, der KEIN Andreaskreuz, KEINEN Käfig und KEINEN Bock hat? Vermutlich nicht.
Wie aber vergnügen sich die Leute zuhause? Woher weißt du denn bitte, wie zuhause improvisiert wird?
Ich vermute, dass diese Klischees zuhause um einiges seltener bedient werden. Und genau hier dann jeder sein eigenes, kreatives, Süppchen kocht.