Freiheit?
*******ty81:
macht uns bdsm frei oder abhängig? ich weiß, das geht jetzt ins philosophische, aber das thema freiheit ist ein wirklich interessanter aspekt. denn geht es letztlich nicht darum frei zu werden, frei von allem was wir "brauchen"?
Zum Thema Freiheit fällt mir immer das Beispiel von Schopenhauer zur Willensfreiheit ein, das darauf hinausläuft, dass die Freiheit, etwas zu
tun, nicht damit gleichzusetzen ist, es auch tun zu
wollen. Die grundlegende Frage lautet daher nicht "Kann ich tun, was ich will?", sondern "Kann ich wollen, was ich will?".
Fakt ist: Unsere Bedürfnisse – und damit das, nachdem wir streben, d. h. was wir wollen – sind durch unser Wesen und die uns im Laufe unseres Lebens umgebenden Umstände determiniert. Sämtliche denkbaren Konstellationen, von der reinen Triebhaftigkeit bis zum sich selbst alles versagenden Eremitismus, ergeben sich aus diesen beiden Aspekten. Der Freiraum, in dem wir uns bewegen, ist daher alles andere als beliebig.
BDSM als sexuelle Neigung stellt für mich ein Bedürfnis dar. Wenn dieses Bedürfnis zur Sucht wird, übermächtig wird, macht es insofern unfrei, als andere Aspekte des Lebens dem zwangsläufig untergeordnet werden – genauso, wie ein Verhungernder andere Tätigkeiten hinter die Suche nach Nahrung zurückstellt. Aber sollten wir deshalb danach streben, keine Nahrung mehr zu brauchen? Oder sollten wir vielmehr dieses Bedürfnis als gegeben anerkennen, es regelmäßig zu befriedigen versuchen und es in unser Leben integrieren? Aus der gelungenen Integration ergibt sich für mich die Freiheit, den mich umgebenden Raum in anderer Hinsicht zu erkunden und mich anderen Dingen zu widmen.
Meine letzte lange Beziehung ist gescheitert, als ich meine Neigung zu BDSM entdeckte. Heute bin ich froh darüber, denn im Grunde war die dem zugrundeliegende Inkompatibilität nur die Spitze des Eisbergs von weiteren Inkompatibilitäten. Ich hätte mich in meiner Neigung weiter einschränken müssen und mich dadurch unfrei gefühlt. Und ich hätte nie jemanden getroffen, der mir tatsächlich nicht nur in dieser Hinsicht alles gibt, was ich brauche.
Für mich ist daher die Freiheit, BDSM zu leben und zu erleben, Teil der Freiheit, mein Leben so zu gestalten, wie ich es leben will. Dafür, dass dem ein Bedürfnis zugrundeliegt, verurteile ich mich weder noch hadere ich damit. Denn im Grunde wäre das Leben ohne Bedürfnisse und ohne Streben nicht wirklich lebenswert.