Es gibt einen Apparat, mit dem man Schwerhörigkeit simulieren kann. Man hört erst einmal eine ganz normale Partyumgebung per Kopfhörer, inklusive eines direkten Gesprächspartners. Alles soweit normal.
Dann wird durch eine "Schwerhörigkeitseinstellung" durch dieses Gerät simuliert, was diese Person, wenn sie schwerhörig
wäre, hören
würde - und
wie sie es hören würde. Das lässt sich fast stufenlos einstellen, bis hin zu nahezu Gehörlosigkeit.
Das Praktische an diesem Gerät ist, dass die Ergebnisse ziemlich überraschend sind. Man denkt ja normalerweise, dass Schwerhörige "nur" schlechter hören, also alles leiser hören würden oder durch Watte, oder oder ...
Die Wahrheit ist da deutlich komplexer. Ja, man hört schlechter, aber anders als gedacht. Es ist vielmehr schwieriger, das Kuddelmuddel an Stimmen herauszuhören, weil sich bei steigender Schwerhörigkeit alles irgendwie gleich und auch gleich weit weg anhört. Irgendwann ist es einfach nur noch ein Stimmengewirr, inklusive seines Gegenübers.
Während meines Studiums konnten wir dieses Teil mal "probehören". War ziemlich spannend.
Und auch irgendwo verstörend.
So ein ähnliches Gerät wünschte ich mir manchmal in Bezug auf HSP. Eins, das diese "Wahrnehmungsungebremstheit" simulieren kann. Jene, die es ausprobieren, spüren lässt, was da alles auf sie einprasselt. Und wie wenig es sich mit zunehmender Intensität unterscheiden lässt,
was da eigentlich gerade von
wem ankommt. Denn damit ließe sich noch am ehesten (er-)klären, was die Betroffenen wahr nehmen.
Und warum es für sie überhaupt ein Problem darstellt! Man könnte ja auch sagen "geil, du nimmst mehr wahr als alle anderen? Das muss doch super sein! Weißt also immer schneller bescheid, wie sich die anderen um dich herum fühlen!".
Genau das ist aber eben nicht der Fall! Es geht, je "besser" man dies kann, in einer Art "Gefühlsrauschen" unter. Man ist im Prinzip zur Analogie der Schwerhörigkeit, sagen wir mal: Schwerfiltrig. Je weniger dieser Filter da ist, desto extremer wird es.
Bedeutet natürlich auch im Umkehrschluss: Je mehr er intakt ist, also "nur" leicht kaputt, desto eher lassen sich noch die Vorteile davon nutzen.
Da allerdings ja noch lange nicht klar ist, wo HSP beginnt und wo nicht, habe ich für mich vorläufig die Definition gefunden, dass HSP dort beginnt, wo die Probleme anfangen. Die Hochsensibilität also schon so stark ausgeprägt ist, dass diese "Filterschwäche" mehr schadet als nutzt.
Diese fehlende Definition macht auch die Bewertung hier so schwierig. Wer sagt denn, dass nicht doch irgendwer mitschreibt, der sagt "ja, ich bin HSP", es aber vielleicht nur sehr schwach ausgeprägt ist? Und damit völlig andere Voraussetzungen mitbringt als jemand, der es sehr stark ist?
Es ist deswegen ähnlich einer Diskussion über Depression, in der z.B. Menschen, die wirklich Depressionen haben, dabei sind, aber auch einige, die z.B. nur mal "depressive" Phasen haben aber noch Kilometer von einer echten Depression entfernt sind, ebenfalls ihren Teil dazu beitragen und sich somit dann einiges vermischt.
Ich bitte deswegen, die Heterogenität derjenigen, die auf der Seite von HSP stehen, ebenso zu beachten wie es angeraten ist, nicht alle Kritiker in einen Topf zu werfen.
Es ist ein komplexes, ein schwieriges Thema. Speziell bezüglich dessen, ab wenn man auch offiziell von einer HS bei einer Person reden kann.
Solange es keine offizielle, belastbare Definition dazu gibt, wird es das auch bleiben.