Variationen der Fesselung

Du kniest in der Mitte des Raumes.
Nackt, bis auf Dein Halsband.
Deine Hände liegen auf den Oberschenkeln.
Dein Blick ist gesenkt.

Aus dem Augenwinkel nimmst Du wahr, wie ich mich durch den Raum bewege. Mich für unsere gemeinsame Session sammle. Meinen Geist fokussiere, um ganz bei Dir, ganz bei uns zu sein.

Auch Deine Aufmerksamkeit ist mittlerweile geschärft. Du nimmst kleinste Veränderungen wahr. Nuancen fühlen sich groß an.

Du weißt, dass die Seile bereits vorbereitet sind. Du weißt nicht, welche Fesselung dich erwarten wird.
Aber Du spürst, dass es nun beginnt - eigentlich schon vor Minuten begonnen hat, begonnen, als ich die Decke für Dich auf dem Boden ausgebreitet habe, und nun lediglich in eine neue Phase übergeht.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Menschen zu fesseln. Vorfreude, Spannung, Ungewissheit... es braucht nicht immer Seile.

Ich setze mich langsam im Schneidersitz hinter Dich.
Atme tief und bewusst ein.
Atme tief und bewusst wieder aus.
Genieße Deine Aufregung.
Genieße Deine freudige, angespannte Erwartung, die ich durch jede Pore spüren kann, ohne Dich auch nur zu berühren.
Die Luft um uns herum ist erfüllt davon. Ich kann sie fast greifen.
Meine Hand ergreift stattdessen ein Seil, doch mein Blick bleibt auf Dir, fixiert Dich. Meine Gedanken bleiben bei Dir, konzentrieren sich nur auf Dich.

Du spürst meine Arme, die Dich sowol fest als auch zärtlich von hinten umfassen. Du gibst Dich der liebevollen und gleichzeitig besitzergreifenden Umarmung mit einem leisen Wimmern hin.
Sanft und mit Nachdruck beuge ich Deinen Körper nach vorne, schiebe Dich ein Stück zur Seite. Deine Haltung ist nun unsicherer, vulnerabler. Doch ich halte Dich und das gibt Dir alle Sicherheit, die Du brauchst.

Wieder lasse ich mir Zeit, mache eine bewusste Pause.
Lasse Dich tiefer in die Situation fallen.
Lasse Dich die neue Position genießen und erfassen.
Niemand hetzt uns.
Diese Momente gehören nur uns.
Sie existieren abseits von Raum und Zeit.
Wir existieren abseits von Raum und Zeit.

Ein eiserner Griff erfasst Deine rechte Hand. Meine Arme halten Dich immer noch umklammert. Eine weitere Fesselung vor der Fesselung in der Fesselung.
Du keuchst. Dein Körper spannt sich unwillkürlich an. Mit einer bedächtigen und gleichsam beiläufigen Bewegung lege ich das Seil an das Handgelenk und fixiere es mit einem Knoten.

Ich ziehe deinen rechten Arm nach hinten, ergreife gleichzeitig Deine andere Hand und beuge auch sie auf Deinen Rücken. Mit schnellen, sicheren Wicklungen fixiere ich die beiden Handgelenke aneinander. Sekundenbruchteile nach den langsamen Bewegungen davor.

Du leistest leichte Gegenwehr, sträubst Dich unmerklich. Doch heute steht Dir nicht wirklich der Sinn nach richtigem Widerstand. Ich spüre das unmittelbar und direkt. Auch meine Sinne sind geschärft. 

Ein Hauchen in Deinen Nacken lässt Dich am ganzen Körper erzittern. Ich lächle. Große Reaktionen auf kleine Aktionen - was gibt es Schöneres?

Bedächtig bringe ich Lage um Lage Seil an Deinen Körper an. Eine Umarmung löst die andere ab. Was vorher die Erwartung in Deinen Gedanken war, was eben noch meine Haut war, wird nun durch das Seil ersetzt. Durch das Seil ergänzt.
Kopf und Körper sind nun verbunden, sind gebunden.

Welche Fesselung es werden wird? Unerheblich.
Das Seil ist nur Mittel zum Zweck.
Es geht um den Akt.
Um den Prozess.
Das Ergebnis ist egal.
Du bist bereits gefesselt.

Eine Stunde - oder ein paar Minuten? - später kommst Du wieder zu Dir.
Du liegst in meinem Schoß, meine Hand streichelt Deinen Kopf. Die Seile sind bereits gelöst - und doch spürst Du sie noch.

Was passiert ist?
Wie Du hierhergekommen bist?
Du weißt es nicht.
Für Dich waren es nur Sekunden. Sekunden auf einer anderen Ebene.

Deine Augen blinzeln wie in Trance, blicken zu mir hoch. Langsam kehrst Du in diese Welt zurück.
Eindrücke und Empfindungen fliegen an Dir vorbei. Aber Du kannst sie nicht greifen. Willst sie nicht greifen.
Dein Geist ist leer.
Dein Geist ist erfüllt.
Dein Geist ist glücklich.
Du bist glücklich.

BDSM muss nicht immer weh tun.
BDSM kann so viel mehr.
Wir können so viel mehr.
Wir können alles.
Wir müssen uns nur trauen, uns vertrauen.
Wir müssen es einfach nur tun.