Öha....
….mit einer derartigen Resonanz hätte ich wirklich nicht gerechnet. Aber ich freue mich einerseits über die lebhafte und durchaus interessante und vor allem faire Diskussion, die sich daraus ergibt, als auch darüber, dass ich offenbar nicht alleine mit meiner Meinung stehe.
Um mal einige Aspekte aufzunehmen:
Dass BDSMler menscheln, weil sie Menschen sind, ist irgendwie logisch. Was mich allerdings verwundert ist, dass (zumindest für mich) BDSM etwas ist, das ausgesprochen viel Empathie und Kommunikationsfähigkeit erfordert. Vielleicht bin ich da auch nur falsch gepolt. Aber nachdem BDSM eben nicht - wie es hier jemand so schön formulierte - "ficken mit Haare ziehen" ist, bin ich schon etwas erstaunt, wie wenig Einfühlungsvermögen in manchen Threads demonstriert wird, von Menschen, denen man im zwischenmenschlichen und kommunikativen Bereich eigentlich mehr zutrauen können sollte (hat etwas mit Präselektion zu tun: So wie ich von einem Piloten etwas mehr Wissen über das Wetter zutraue)
Als BDSMler (wo auch immer man da die Definitionsgrenze ziehen möchte) sollte ich mir eigentlich bewusst sein, dass es jede Menge Kinks gibt, die mich persönlich nicht unbedingt antörnen. Im Gegensatz zu einer Schulklasse, die eine Art Zwangsgemeinschaft darstellt, kann ich mich im BDSM-Bereich frei bewegen und bin nicht gezwungen, zu jedem Mist meinen Kommentar abzugeben, oder mich gar abfällig über die Kinks anderer zu äußern. Political Correctness ist hier meiner Ansicht nach genauso fehl am Platz wie Engstirnigkeit. Natürlich gibt es irgendwo eine Grenze zum pathologischen. Nur ist diese umgeben von einem dicken Graubereich. Wenn Stinos (auch so ein etwas stigmatisierender, aber nichtsdestotrotz gut zu handhabender Begriff) sich über BDSM-Praktiken aufregen, kann ich es ja zumindest noch ansatzweise verstehen (ich empfinde es zwar trotzdem als intolerant, aber zumindest kann ich davon ausgehen, dass das Hintergrundwissen fehlt). Bei Menschen, die selber dazu neigen, "merkwürdige" Dinge zu tun, und eigentlich wissen sollten, wie vielfältig BDSM ist, fehlt mir da das Verständnis.
Sicherlich (auch das wurde angesprochen) sind Threads oder Meinungen manchmal auch etwas ungeschickt formuliert. Nicht jeder ist ein Komunikationsspezialist, nicht jeder wortgewandt. Aber - und da sind wir wieder bei meinen Eingangs geschriebenen Worten - wir bewegen und in einem Bereich, in dem Kommunikation (teilweise sogar nonverbal) elementar ist. Es wird ein Mordszirkus mit Ampelcodes und Safewords veranstaltet, um zumindest die Notbremse ziehen zu können, wenn es hart auf hart kommt. Aber das ist ja eigentlich nur die Spitze des Eisbergs. Wieviele Diskussionen werden darüber geführt, was das Gegenüber mag, nicht mag, erwartet oder auch nicht, wie weit man gehen kann etc. Wenn BDSMler in ihrer Masse nach dem Motto "Sklavin hat die Fre**zu halten, schlag drauf und schluss" agieren würden, könnte ich es ja noch verstehen. Aber ich sehe, dass viele sich wirklich Mühe geben, aufeinander einzugehen und offenbar trotzdem an einfachsten Kommunikationsritualen scheitern. (Nebenher gesagt habe ich das auch in vielen Partnerschaften erlebt, dass das Kommunikationsvermögen offenbar völlig versagt, wenn es darum geht, interne Konflikte aufzuarbeiten. Ist es wirklich so, dass Menschen nicht willens oder in der Lage sind, sachlich und respektvoll zu kommunizieren, sobald es etwas emotionaler wird? Ist es wirklich so einfach?)
Dass mangelndes Selbstwertgefühl, Darstellungssucht und fehlende Gelassenheit (vielleicht auch einfach zu wenig Affinität zu Stil und Form) sicher das Diskussionsverhalten mancher Menschen beeinflussen, ist klar. Abgesehen davon, dass einem Angst und Bange werden kann, dass derart veranlagte Personen Macht über andere Menschen ausüben wollen (was zwar an sich auch nicht außergewöhnlich ist, aber trotzdem unschön): Wie geht das zusammen mit gelebtem BDSM? Ist die Fraktion der Haareziehficker und Grauschatten wirklich so groß?
Richtig traurig wird es für mich, wenn ich dann die Bestätigung bekomme, dass ungezügelte Herumbeißereien in Threads dann Anfänger verunsichern und dazu führen, dass Fragen nicht mehr gestellt werden. Auch wenn ich BDSM schon sehr lange lebe und zu den wenigen Glücklichen gehöre, deren Erziehung so offen war, dass die Erkenntnis, dass man nicht immer nur nett zu Frauen sein möchte, kein wesentliches Hindernis darstellte, kann ich mich doch noch gut an die ein oder andere Beißhemmung und den ein oder anderen Selbstzweifel in meiner Anfangszeit erinnern. Wenn ich manche Diskussionen so mitverfolge, bin ich froh, dass ich im Grunde genommen nie wirklich fragen musste.
Um nicht missverstanden zu werden: Mir ist klar, dass das Thema als solches ein vielschichtiges ist. Im Kern handelt es sich um eine Art akademischer Diskussion um der Diskussion willen. Und vielleicht denkt der ein oder andere stumme Mitleser auch über sein Diskussionsverhalten nach. Wenn dem so ist, wäre mit diesem Thread schon viel erreicht. Aber es geht mir auch darum, mein eigenes Verständnis zu schulen, um meine werten Mitmenschen vielleicht ein Stück weit besser zu verstehen.
Insofern haben mich Eure Beiträge sehr inspiriert und ich würde mich freuen, wenn der Austausch hier munter weitergehen würde.