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Die Tonbahn von Röttgen ...

******ase Mann
188 Beiträge
Themenersteller 
Die Tonbahn von Röttgen ...
... zum Bahnhof Kottenforst

Zusammengestellt von Jochen Harzem

Kaum Jemand kann sich heute noch an sie erinnern, doch es hat sie gegeben: Es ist die Rede von der Röttgener Tongrubenbahn, einer typischen Feldbahn mit 600 mm Spurweite, wie es sie in der Gegend häufiger gab. Die Bahn verband die im Nordosten der Ortschaft Röttgen gelegenen Tongruben mit dem Staatsbahnhof Kottenforst und durchquerte auf dem Weg dorthin fast den gesamten Ort Röttgen. Auch wenn das Bähnchen im Bewusstsein der Bürger Röttgens schon lange nicht mehr existiert, hat sich dennoch eine Redensart bis in die heutige Zeit hartnäckig gehalten: Unternimmt z.B. ein Röttgener Familienvater mit seinen Lieben einen sonntäglichen Fahrradausflug ins Grüne und entscheidet sich für die Strecke durch den Wald über die Flerzheimer Allee in Richtung des Bahnhofs Kottenforst der Voreifelbahn, dann sagt er nur „Loß mer et Bähnche fahre!“, und alle wissen Bescheid, auch wenn der Worte ursprüngliche Bedeutung niemandem mehr geläufig sein dürfte.

Geschichtliche Entwicklung
Der Betrieb der rund 4,5 Kilometer langen Röttgener Tongrubenbahn, deren Schienenstrang die vorbezeichnete Flerzheimer Allee flankierte, wurde um 1925 aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt existierten in Röttgen nur die beiden Tongruppen der Firma „Arloffer Tonwerke Heinrich Roth & Co“, die bereits im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts mit der Tonförderung begann und gleichzeitig Betreiberin der Bahn war. Bis zur Eröffnung des Zugbetriebs erfolgte der Abtransport des montanen Guts recht umständlich mittels Pferdefuhrwerk und Lastkraftwagen. Im Jahre 1939 gesellte sich noch die Kottenforster Tongrube Paul Reppel hinzu, die durch eine kurze Verlängerung des Feldbahngleises in Richtung Norden Anschluss an die Röttgener Tongrubenbahn fand.
Nach der Erschließung neuer Abbaufelder einige hundert Meter weiter südlich an der Villiper Allee im Jahre 1943 verwendet man für die im Nordosten von Röttgen gelegenen ursprünglichen Betriebe die Sammelbezeichnung „Alte Tongrube“. Entsprechend entstanden an er Villiper Allee die sogenannten „Neuen Tongruben“, als deren erste 1943 diejenige der Firma „Gewerkschaft Niederstein Mannesmann Röhrenwerke, Gießen ihren Betrieb aufnahm. Auch sie erhielt Anschluß an die Tongrubenbahn, das Gleis mündete etwa in Höhe des heutigen Schlossplatzes in die Stammlinie ein. Der sehr hochwertige Ton, der hier gefördert wurde, fand für die Herstellung von Schamottsteinen für die Stahl- und Rüstungsindustrie Verwendung.
Die zahlreiche Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg mit ihrem gewaltigen Zerstörungspotenzial forderten auch von der Röttgener Tongrubenbahn ihren Tribut. Anfang 1945 Betriebsmittel und Gleisanlagen durch die immer häufiger werdenden Bombadierungen dermaßen in Leidenschaft gezogen, dass selbst provisorischen Instandsetzungen nichts mehr nutzten und der Bahnbetrieb eingestellt werden musste. – Und das für immer, wie sich später herausstellen sollte! Denn die „Alten Tongruben“ im Nordosten Röttgens und somit auch die Betreiberfirma der Tongrubenbahn, stellten mit Ablauf des Zweiten Weltkriegs ihre Förderung ein. Damit war auch das Schicksal unseres Bähnchens besiegelt, welches bereits 20 Jahre nach seiner Eröffnung nur noch der Geschichte angehörte.
Die 1950 in Betrieb genommene Tongrube der Firma „TSG Frechen b. Köln“ (später: Tongrube Röttgen GmbH“) konnte somit zum Abtransport ihrer Fördemengen nicht mehr auf „eiserne Schienen“ zurückgreifen, sondern musste sich von Anfang an der gummibereiften Straßenkonkurrenz bedienen. Dennoch gab es auf dem Betriebsgelände eine, wenn auch kurze, Feldbahnverbindung von der Tongrube zu der an der Villiper Allee errichteten Umladestation, wo der geförderte Ton von den Muldenkippern der Feldbahn in bereitstehende Lastkraftwagen umgeschlagen wurde (vergleiche dazu auf dem Bild Ziffer U in Röttgen, Villiper Allee.

Trassenverlauf
Die Trasse der Röttgener Tongrubenbahn mündete, von den alten Tongruben kommend, in Höhe des Sankt Venantius Kreuzes in die Bundesstrasse, diese den Ort diagonal durchschneidende Hauptstrasse von Meckenheim nach Bonn. sodann folgte der Schienenstrang der Bundesstrasse linksseitig mehrere hundert Meter in Richtung Meckenheim und überquert diese etwa in Höhe des Hauses Nr.64 in einem engen 90 Grad Rechtsbogen. Der Bahnübergang war weder durch Warnkreuze noch per Lichtsignale gesichert, was in Anbetracht des geringfügigen Autoverkehrs der Dreißiger Jahre auch nicht weiter verwunderlich ist. In einem sich danach anschließenden sechzig Grad Linksbogen erreichte die Strecke dann die Flerzheimer Allee, die in schnurrgerader Richtung auf den Bahnhof Kottenforst zuführte und der „et Bähnche“ auf gut 3,5 Kilometer rechtsseitig folgte. An der Wegkreuzung kurz vor dem Bahnhof bog die Bahn in einem fünfundvierzig Grad Winkel nach links ab. Der sich hier anschließende kurze Streckenabschnitt ist heute noch als schmaler Wanderweg vorhanden. Die Strecke endete stumpf an der Ostseite des Reichsbahnbahnhofs Kottenforst parallel zu dem normalpurigen Gütergleis. Hier befand sich eine Umladestation mit Umfahrmöglichkeit für die Feldbahn, wo der aus den Röttgener Tongruben geförderte Ton aus den Muldenkippern (Feldbahnloren) auf Reichsbahnwagen umgeschlagen wurde. Von hier aus erfolgte der Transport zur weiterverarbeitenden Industrie in die nähere und weitere Umgebung .

Betriebsmittel
Über das rollende Material der Röttgener Tongruben ist nur sehr wenig bekannt. So können über die vor 1942 vorhandenen Lokomotiven leider keine Aussagen gemacht werden. Belegt hingegen ist der Zukauf von zwei Jung Feldbahnlokomotiven des Typs EL 105 (Fabriknummer 10212 und 10217) im Jahr 1942. Diese Loks waren mit einem 11/ 12 starken Dieselmotor ausgerüstet haben ein Dienstgewicht von drei Tonnen und erreichten, je nach eingestellter Geschwindigkeitsstufe, ein Tempo von 4 bis 8 km/h. Für die Bewältigung der gesamten Strecke benötigte ein Zug somit eine Stunde bzw. eine halbe Stunde, Bei gleichzeitigem Einsatz von zwei Lokomotiven wäre auch ein Pendelverkehr möglich gewesen. Dieser hätte aber eine Ausweichstelle auf halber Strecke, etwa in Höhe des Jägerkreuzes, bedurft. Für die Existenz einer so0lchen Ausweiche gibt es jedoch keine Indizien. Die Lokomotiven waren an der Front mit einer Vorrichtung versehen, mit deren Hilfe im Waldbereich herumliegendes Astwerk von den Schienen geschoben werden konnte.
Das lange Dieselabgasrohr schützte den Lokomotivführer vor den giftigen Verbrennungsrückständen des Motors.
Als Anhängewagen dienten so genannte Din-Muldenkipper (Feldbahnloren) mit und ohne Bremseinrichtung mit einem Bremsgewicht von 442 kg und einem Fassungsvermögen von 0,75 qm. Sie wurden bei der Firma Orenstein und Koppel gebaut und in einer nicht bekannten Stückzahl an die Röttgener Tongrubenbahn geliefert. Eine eigene Betriebswerkstätte besaß die Bahn offensichtlich nicht, denn etwaige Reparaturarbeiten wurden von der Schmiede Franz Koep ausgeführt, die direkt hinter dem Bahnübergang an der Reichsstrasse ansässig war.

Nur mal nebenbei erwähnt
Die Anlagen der Röttgener Tongrubenbahn wurden zuweilen auch zweckentfremdet genutzt. Hier ein Beispiel: im Jahre 1934 entstand im Norden Röttgens im Bereich der heutigen Blumenstrasse eine Kleinsiedlung, überwiegend für Beschäftigte der Tonbetriebe. Mit Hilfe der Bahn wurde das Baumaterial herangeschafft und über provisorisch verlegte Gleisjoche mit Muskelkraft bis an die ausgeschachteten Kellergruben gebracht. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen das die „Dienste“ des Bähnchens den „Häuslebauern von den Betreibern der Bahn kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden; die „“Arloffer Tonwerke waren ihren Mitarbeitern gegenüber nämlich immer sehr sozial eingestellt, auch was die Betriebsrente betraf.

Spurensuche
Auch heute noch existieren Relikte, die an der Zeit der Tongrubenbahn erinnern: An der Röttgener Strasse steht ein Teil des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma „Kottenforster Tongrube Paul, Reppel“. An der Linkskurve vor der früheren Umladestation am Bahnhof Kottenforst lugt noch ein kurzes Stück Schiene nahezu senkrecht aus dem Erdreich hervor und auch die Waldschneise im Bereich der vorgenannten Umladestation ist ebenfalls nur erkennbar.
Weitere Relikte der alten Tongrubenbahn sind überall im Röttgener Ortgebiet, sichtbar und unsichtbar, gegenwärtig. Sehr beliebt waren nach der Stilllegung des Bahnbetriebs nicht mehr benötigte Schienen, die weitere Verwendung als Türsturze, sowie als Unterbauten für Überdachungen fanden oder einfach nur als Zaunpfosten zur Befestigung von Maschen- oder Stacheldraht herhalten mussten, etwa um sich den lästigen Nachbarn vom Leib zu halten.

Und da wäre ja noch die eingangs erwähnte Aufforderung des Röttgener Familienvaters: „Loß mer et Bähnche fahre!“ Vielleicht bewirkt ja das Studium dieses Beitrags, der Worte ursprüngliche Aussage nunmehr richtig zu deuten, so dass der mitradelnde Familienclan seinem Oberhaupt unisono entgegnen könnte: „Dann loß mer kräftich in de Pedale tredde, sonst üverholt uns et Bähnche noch!“

Quellen: Köln Bonner, Heft 28
Handbuch des forstlichen Wege- und Eisenbahnbaus, kgl. Forstmeister K. Dotzel, 1898,
Die Waldwegebaukunde Dr. Herrmann Stötzer 1903,
Der Kottenforst, Paul Seehaus, 1925,
eigene Unterlagen aus meinem Archiv (Eifeloase)

So und nun wieder viel Spaß beim Studium des Beitrags


Einen erholsamen Abend und
beste Grüße
Klaus
Der Verlauf der Tonbahn von Röttgen zum Bahnhof Kottenforst
***os Mann
1.684 Beiträge
Seeeehr interessant!
******ase Mann
188 Beiträge
Themenersteller 
Ich habe den Text in einer allgemein lesbaren Schrift neu verfasst, da sehr Viele keine Frakturschrift lesen können bzw. wollen und sehr oft auch die Rechner daran verweifeln.

Allen einen erholsamen Abend
und
herzliche Grüße
****_70 Frau
6.248 Beiträge
Wieder super recherchiert. Rodos und ich sind deine treuen Fans!
Gerne weiter so!

Liebe Grüße Kati
******ase Mann
188 Beiträge
Themenersteller 
Vielen lieben Dank dafür! *sweetkiss*
Es freut mich natürlich, wenn meine Geschichten ankommen.
Die nähere Umgebung kann schon interessant sein.

Allen noch einen schönen Abend und eine erholsame Nacht.


*herz*-liche Grüße
Klaus
****ra Frau
2.575 Beiträge
moin...
kann das sein, daß auf der ehemaligen Gleisstrecke heute der Reitweg entlang läuft?
******ase Mann
188 Beiträge
Themenersteller 
Würde ich als äußerst wahrscheinlich erachten *top* , es sieht zumindestens so aus. Ich müsste mir dazu noch einmal die alten Bücher etwas genauer durchlesen oder halt ein alte DGK 5 Karte von vor 1945 anschauen, die müsste es Einem eigentlich auch verraten.

Herzliche Grüße
Klaus
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