Zitat von **********ombat:
„Dennoch sind da gewisse (kleine, leise) Sorgen, dass wir uns auch emotional voneinander entfernen könnten oder der Bleibende sich verlassen fühlt.
1) Aus dem Grund, dass sich keiner von beiden verlassen fühlen sondern beide einen Neustart erleben wollten, hatte ein Polypaar aus meinem Umfeld die alte Wohnung komplett aufgegeben. Die beiden haben dann parallel ihre jeweils eigene neue Wohnung im selben Stadtviertel bezogen - nur drei Straßen auseinander.
Das hat den beiden gut getan.
2) Das Modell "Einer behält die alte Wohnung, der andere bezieht ganz in der Nähe eine neue Wohnung" lief nach so mancher Startschwierigkeit in vielen Fällen auch gut.
Aber klar war:
Für denjenigen, der die alte Wohnung behielt war es emotional schwieriger als für denjenigen, der es sich in einer neuen Wohnung einrichtete.
Eine Renovierung der alten Wohnung - Tapetenwechsel, obwohl eigentlich noch gar nicht notwendig und Entsorgung von ein paar gemeinsam gekauften Möbelstücken, die der Partner aber auch nicht in seiner neuen Wohnung haben wollte - taten da gut.
Es ist doof da als "Zurückgebliebener" mit den "alten Kompromissen" zu leben während der Partner ja nur die Möbel mitgenommen hat, die er wirklich haben will.
Doof war auch, wenn der ausziehende Part noch über Monate "was von seinem Kram" in der alten Wohnstätte lagerte und damit eine Umgestaltung der alten Wohnung blockierte.
(Versuche mal einer auszumisten, wenn der Kellerraum überfüllt ist und etliche Dinge davon gehören einem gar nicht, blockieren aber den Weg zu den eigenen Sachen.)
Am Glücklichsten lief das Auseinanderziehen bei dem Paar, welches vorher gemeinsam ausgemistet hatte und alles Mögliche in der Woche vor dem Auszug entsorgt hatte. Nach dem Auszugstag war alles, was mitgenommen werden wollte, mitgenommen. - Bis auf jeweils ein Schrankfach im Flur, im Bad und im Schlafzimmer. Diese drei Schrankfächer für eigenen Kram in der Wohnung des Partners sollten dauerhaft bleiben. Alles, was da nicht rein passte, hatte der Partner mitgenommen.
Umgekehrt wurden auch drei Schrankfächer in der Wohnung des Ausgezogenen für den Partner bereitgestellt.
Dieses Vorgehen hatte dann am meisten Ähnlichkeit mit (1). So erlebten beide gleichzeitig ihren jeweils eigenen Wohungseinrichtungs-Neustart.
3) Viel problematischer waren die Fälle, in denen ein Paar - unter anderem aus beruflichen Gründen - in zwei verschiedene Städte zog. Denn dadurch fielen viele Synergieeffekte weg. Wie zum Beispiel: "ich fahre zu Laden XY. Soll ich dir was mitbringen?" oder "Schatz, bevor du dich auf den Weg machst: Die Annahmestelle für Giftstoffe ist umgezogen." etc.pp. Halt so etliche Kleinigkeiten, mit denen man sich das Leben vor Ort gegenseitig erleichtert.
Zieht man in zwei Städte, fallen viele dieser Kleinigkeiten weg, über die man sonst automatisch ins Gespräch kam und sich gegenseitig leicht einen Gefallen tun konnte.
Und die Meta-Amour, mit der der Partner nun in einer Stadt wohnt, hat plötzlich die Rolle, die man selbst vorher inne hatte. - DAS war für die Betroffenen emotional nicht allzu leicht zu verarbeiten.
Für 2 von 4 mir bekannten Polypaaren, die so auseinander zogen kam die Trennung wenige Monate später.
50 % - 50 %.
Aber ich glaube, die Stichprobe ist zu gering, um daraus ein Allgemeinbild abzuleiten.
Fakt ist: Wenn Einer von beiden diesen Wegfall der gemeinsamen alltäglichen Kleinigkeiten als Vorteil sieht, der andere jedoch als gravierenden Nachteil, dann läuft das Wohnen in zwei Städten überhaupt nicht gut.
Abgesehen davon trat ein weiteres Phänomen auf:
Es ist toll, wenn die tägliche Pendelei zur Arbeit deutlich kürzer ausfällt. Ja, wenn man viel rascher wieder zu Haus ist. So kommen locker ein paar Stunden Freizeit mehr pro Woche zusammen.
Doch was völlig unterschätzt wird:
Man wird bequem.
Und den verhältnismäßig weiten Weg zum Partner, den tritt man nicht mit demselben Elan an, mit dem ein Frisch-Verliebter diesen Weg antreten würde. Puh. Und am nächsten Tag hat man dann ja wieder einen weiten Weg zur Arbeit.
Öfter als gedacht ist einem nach "einfach nach Hause fahren".
Seltener als gedacht kommt es zu "Besuchen unter der Woche".
Oder aber man überwindet sich, um den Partner nicht zu enttäuschen. Ist dann aber enttäuscht, wenn es bloß irgendein Zusammensein wird. Nichts besonderes. Keine nennenswerte Nähe. Nicht, dass man das gerade gebraucht hätte. Aber: "Da hätte ich ja auch gleich zu Hause bleiben können. Das hat sich nicht gelohnt."
Dieses Phänomen belastet dann die Beziehung. Da war der tägliche Stress wegen der Pendelei zur Arbeit geringer.
Wie auch immer... es gibt auch Paare, die mit dem Wohnen in zwei Städten hoch zufrieden sind.
Die meisten davon wohnten aber schon immer getrennt.