Ich möchte auf die Anfangsfrage
• Ist ein polyamorer Mensch eher unfähig oder unwillig, sich fest an eine Person zu binden? Oder hat er mehr Liebe, als ein Partner empfangen kann?
eingehen, weil dies tatsächlich eine Frage ist, die mir von Menschen, denen Polyamorie vorher fremd war, gestellt wurde. Diesen mitunter unterschwelligen Vorwurf ("Du willst Dich ja bloß nicht entscheiden müssen!") erhielt ich im Übrigen nicht nur in der Frage der Polyamorie, sondern auch schon bezogen auf meine Bisexualität. Dieses Entweder-oder-Denken widerstrebt mir in der Tat generell, nicht nur in der Liebe, sondern auch in anderen Lebensbereichen. Aber das nur am Rande.
Es geht hier für mich nicht um eine "Unwilligkeit", mich fest an eine Person zu binden. Denn das tue ich in den Verbindungen, die ich eingehe. Und mir ist emotionale Treue und die Gewissheit, sich voll auf den anderen verlassen zu können, in jeder Form von tiefer Freundschaft und Liebe ein immens wichtiger Wert.
Für mich stellt sich die Frage andersherum: warum muss ich mich
gegen einen Menschen entscheiden, dem ich in Liebe zugetan bin, nur weil es schon einen anderen Menschen gibt, für den ich ähnlich empfinde? Ich halte tatsächlich Liebe an sich für keine begrenzte Ressource. Lediglich die Zeit und die Aufmerksamkeit, die ich für andere Menschen aufbringen kann, stoßen naturgegeben an ihre Grenzen.
Ich habe meine Vorstellung von Polyamorie einmal mit einem Bild eines Hauses mit vielen Zimmern auszudrücken versucht, das mein Herz symbolisiert. Die Zimmer dieses Hauses sind von unterschiedlicher Größe und auch sehr verschieden in ihrer Gestaltung. Auch sind nicht alle immer belegt. In diesem Haus ist Platz für alle Menschen, denen ich in Liebe und tiefer Freundschaft verbunden bin. Und jeder von ihnen hat hier seinen ganz individuellen Platz.
Manch einer mag dieses Bild für ein wenig naiv halten. Für mich und mein Denken passt es einfach sehr gut.