sabrina50: Dirty talk ist einfach eine situationsbedingte Sprache, die konkret wird. grins - das ist jetzt sehr technisch ausgedrückt. Es ist schlicht erregend, dem anderen zu beschreiben, was man macht oder will und es zu hören.
Dem würde ich einerseits zustimmen, allerdings muss ich mich dazu doch nicht unbedingt eines Vokabulars bedienen, das einfach nicht meine Welt ist, sondern das meines Erachtens in mindestens zwei Dritteln aller Fälle recht unreflektiert aus irgendwelchen Pornos übernommen und reproduziert wird, ganz einfach deshalb, weil wir es nirgends gelernt haben und nicht gewohnt sind, uns einen eigenen Wortschatz für erotisch aufgeladenen Situationen zuzulegen, der dann authentisch tatsächlich unserer ist und bei dem wir uns wohl fühlen.
Mir geht es da wie
womaninblack, d.h. ich finde Gossenjargon ist Gossenjargon, dessen ich mich gewöhnlich nicht zu bedienen pflege, und der wird - jedenfalls für mich - auch durch Wiederholungen oder die Besonderheit einer Situation, in der ich die Kontrolle abgebe, nicht erotischer. Deshalb empfinde ich den Gebrauch auch für mich als künstlich, "falsch" und unpassend, und zwar gleichermaßen als diejenige, die ihn von sich geben, als auch als diejenige, mit der so gesprochen werden würde - beides würde definitiv nach hinten losgehen und bei mir das genaue Gegenteil von Lusterweckung oder -verstärkung erreichen.
Es schüttelt mich, wenn ich hier im Joyclub lese, was da so "im Angebot" ist, egal ob es um die versaute Ehehure, die Dreilochstute, das geile Fickstück, die Mundfotze, die Rieseneuter, den dreckigen Stecher mit dem Hengstschwanz, dem Bolzen, mit dem der geilen Sau das Maul gestopft werden wird, oder sonstige Bezeichnungen ähnlicher Art geht, und ich kann zwar staunend zur Kenntnis nehmen, dass dies angeblich bei vielen Paaren gebräuchlich zu sein scheint und als passender Weg zum Erreichen von Gipfelerlebnissen sexueller Leidenschaft und Appetenz angesehen wird, nachvollziehen kann ich das für mich selbst sowie meinen Partner allerdings nicht.
Ich habe immer die Vermutung, dass es den meisten von uns schlicht an einem geeigneten Vokabular mangelt, um die Dinge auszudrücken, die einem in intimen oder leidenschaftlichen Momenten durch den Kopf gehen, geschweige denn Wünsche an den Partner/die Partnerin auf erotisch-sexuellem Gebiet zu formulieren, und dass, sozusagen "ersatzweise", stattdessen das herangezogen wird, was man in leicht zugänglichen Pornostreifen unterschiedlicher Art gehört hat.
Ähnlich scheint es sich mit der Lautstärke zu verhalten, auch da orientieren sich Viele an dem, was sie anderswo gesehen oder erlebt haben, sei es in Filmen, in Clubs oder bei speziellen erotischen Veranstaltungen mit Event-Charakter.
So besteht in meinen Augen die Gefahr, ohne dass man sich derer bewusst wird, eine Art der Sexualität zu leben, die letztlich fremdbestimmt ist, anstatt sich und seinen Partner acht- und behutsam zu erkunden und das Wagnis einzugehen, herauszufinden, was denn dabei herauskäme, wenn man aufmerksam den eigenen Reaktionen und denen des Partners beim Liebesspiel folgen und im konzentrierten Dialog der Körper schwingen und bleiben und dafür Worte finden würde. Stattdessen verkommt Sex häufig zu einer Art Hochleistungssport mit nachgeturnten Übungen, ähnlich wie "Malen nach Zahlen", und verliert damit den ungleich befriediegerenden Zauber des ganz und gar einzigartigen Moments und der unmittelbaren Intimität, die sonst möglich wäre.
Sexualität und Sprache, Begehren und Wörter, Erregung und Dialog einander anzunähern oder gar miteinander zu verschmelzen, gilt heute leider oft als widersprüchlich und hirnlastig, ungehörig bis unmöglich. Ich sehe das nicht so und bin weiterhin nicht bereit und nicht willens, mich mit dem "Dirty Talk" in der oben zitierten Form anzufreunden.
Natürlich ist das nichts, was den meisten von uns einfach so zufliegt. Zumal die Älteren unter uns sind noch in einer Zeit aufgewachsen, wo es als vollkommen unschicklich galt, über solche Themen zu sprechen.
Es will erarbeitet werden, ohne sich überwiegend vorgefertigter Schablonen zu bedienen.
Als sehr unterstützend bei diesem Prozess, sich - einzeln, oder als Paar - seinen je ganz ureigenen Wortschatz und Ausdrucksform zu entwickeln und zu pflegen, abseits der Trampelpfade der stummen oder mehr oder weniger laut stöhnenden Dienstleistungssexualität, könnte sich dabei die aufmerksame Lektüre von Klaus Heers Buch "WonneWorte - Lustvolle Entführung aus der sexuellen Sprachlosigkeit" erweisen. Sehr geeignet als Reiseführer für alle, die sich nicht abfinden wollen mit erotischer Einsilbigkeit und Aneinandervorbeischlaf in ihrer Partnerschaft.
Ich habe dieses Buch von meinem Partner ganz am Anfang unserer Bekanntschaft als Geschenk bekommen. Für mich war das eine zusätzliche Bestätigung dafür, dass er der Richtige ist für mich, und dass die Sprache als zentrales Kommunikationsmittel und ihre aktive und differenzierte Verwendung in allen Lebenslagen für ihn einen genauso hohen Stellenwert hat wie für mich.