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Vom vorsätzlichen Résumé

**********silon
5.750 Beiträge
Themenersteller 
Vom vorsätzlichen Résumé
„Jesus! Was für‘n Stumpfsinn!“, meckerte Herr Mausezahn vor sich hin, als er zum gefühlten einhunderttausendsten Male die inzwischen im Inneren nicht mehr ganz so mit Teein versiffte Thermoskanne einweichte und dem kochend heißen Wasser dabei zuschaute, wie es dank des Geschirrspültabs in der Kanne über den Rand dieser sprudelte.

„Nee“, murmelte er. „Der Jesus kann da gar nix für“, fuhr er fort, „der fühlt nicht meinen Scheiß. Der ist nur der Heiland der Lemminge.“
Herr Mausezahn runzelte die Stirn, als er hörte, dass es in seinem Wohnzimmer einen lauten Radau gab. Und so schickte er einen Stoßgebetsseufzer gen Himmel.
„Aber wovon soll er mich denn erlösen?“, fragte er sich, als er in seine gute Stube schlappte und das Schlachtfeld erblickte. Sein rosafarbener Tannenbaum hatte sich verabschiedet, als er sich mit viel Getöse aus der Deckenverankerung gelöst hatte.

„Etwa von meiner Natur, mich zum gefühlten Sepp der Nation zu machen, indem ich nie meine Klappe halte und mich selbst vor den Karren anderer Leute spanne?“
Er verdrehte seine Quarkknäppl und nieste drei Mal mächtig gewaltig. Aus der Nachbarwohnung drang ein gedämpftes: „Ruhe bitte!“ herüber.

Herr Mausezahn bleckte die Zähne. Er sah dabei aus wie einer der Zuchtrammler seines Lieblingsnachbarn. Also der mit den Hasenställen im Garten und den ganzen Kötteln auf der Wiese hinterm Haus. Und er begann damit, seine Batterie aus Bleistiften anzunagen. Nicht stumpf, sondern spitz. Denn er wollte sich endlich dransetzen, seine guten Vorsätze fürs neue Jahr aufzuschreiben. Ernsthaft. Und er wollte sein Résumé über die vergangenen zwölf Monate ziehen.

Doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Ob es wohl daran lag, dass ihm noch immer die ungezählten Dominosteine von den Vortagen durch den Magen polterten und er den Zuckerschock vom vergangenen Weihnachtsfest in trauter Großfamilienstimmung immer noch nicht verdaut hatte?
Er wusste es nicht so genau. Und er konnte dieser Tage überhaupt nichts bestimmt benennen. Denn irgendwie herrschte derzeit nicht nur in seinem Wohnzimmer das blanke Chaos, sondern auch in seinem Inneren. Und das obwohl er schon vor den Festtagen damit begonnen hatte, sich geflissentlich auf das neue Jahr vorzubereiten und sich so enorm viel vorgenommen hatte für die Tage dazwischen.

Aber vielleicht war ja auch genau das sein Problem? Er hatte sich in seiner Erwartungshaltung zu viel vorgenommen, und nun hatte er den Salat. Denn er saß vor seiner Résumé-Liste und grübelte, während sich seine Raffzähne unermüdlich an den Bleistiften zu schaffen machten, bis von denen nichts mehr übrig war als Graffitstaub und Späne.

Herr Mausezahn war verzweifelt. Aus lauter Frust stopfte er sich noch mehr Dominosteine in den Mund. Denn er hatte sich diese von den Verkaufsmagiern für glatte sechsunddreißig Cent aus den Ladenregalen in seinen Einkaufskorb kehren lassen, wohlwissend dass eine ganze Packung von diesen Dingern normalerweise fast zwei Euro kostete.
Er wollte soviel und bekam gefühlt nix gebacken. Da konnte ihm auch nicht der feinstoffliche Jesus weiterhelfen.
Frustriert wühlte er mit seinen Händen im Graphit der zernagten Bleistifte und malte sich schließlich mit seinen Fingern lauter Herzen auf die hölzerne Schreibtischplatte. Dabei murmelte er in Dauerschleife: „Ene mene Miste, es rappelt in der Kiste. Ene mene Meck, und du bist weg. Weg bist du noch lange nicht, sag mir erst, ob ich mich lieb‘.“


© CRSK, LE, 12/2023



Das vertonte Video:


**********silon
5.750 Beiträge
Themenersteller 
Es gibt noch ein Post Scriptum dazu. Doch das folgt später.
*********cht76 Mann
484 Beiträge
Mächtig gewaltig witzig, Charlie! *top*
Guten Rutsch!
**********silon
5.750 Beiträge
Themenersteller 
ja, mein lieber @*********cht76 DAS wünsche ich DIR auch. *grins*
**********silon
5.750 Beiträge
Themenersteller 
Post Scriptum zum Jahr 2023:
Post Scriptum zum Jahr 2023:

Mit den geplanten Vorsätzen ist das immer so eine Sache, habe ich in den letzten Jahren für mich festgestellt. Und immerhin bin ich nun auch schon gute siebenundvierzig Jahre auf dieser Welt unterwegs.
Oft wenn ich mir welche vornehme, sind sie am Ende des Jahres unerfüllt. Und wenn ich mir mal keine vertraglich niederschreibe, merke ich am Ende vielleicht, siehe da, es funzt ja doch. Ganz ohne Punkt und Komma und ohne das Schwarz auf weißem Grund.

Anders verhält es sich mit dem Résumé. So auch heute. Denn seit Stunden, Tagen und Wochen rumorte es in mir, und ich trug ständig das unbestimmte Gefühl mit mir herum, dass ich dieses Jahr wohl in die Tonne würde klopfen können. Dennoch tat ich dieses nicht, sondern setzte mich heute Morgen in der Stille hin, ging in mich und stellte fest:

Ich möchte wissen, was ich möchte
Ich möchte wissen, wo ich stehe
Ich möchte spüren, dass ich’s kann
Ich sehe viele Möglichkeiten,
habe aber keinen Schimmer,
wie das geht

Während das Gras
in meinem Kopf
mir zuflüstert:

Ich wachse nicht schneller,
wenn du an mir zupfst

I
Dennoch bin ich dankbar, dass mir Menschen beigestanden haben in manch dunkler Stunde. Sogar ich mir selbst. Man lese und staune.
Und ich bin froh, um meine Wundertüte von Wohnung. Denn immer, wenn ich sie betrete, spüre ich, dass ich hier zu Hause bin.
Ich sehe dreihundertsechsundsechzig Tage vor mir liegen, und sage mir: „Auf ein Neues …“

II
Dennoch erfreue ich mich an meinen kreativen Begabungen und sehe, dass ich mich selbst und andere damit beglücken kann.

III
Und ich sage mir: „Versuch und Irrtum, was soll’s … Fehler sind nur dann negativ behaftet, wenn ich aus ihnen nicht meine Lehren ziehe, auch wenn ich manchmal mehrfach durch bestimmte Drehtüren laufen muss, bevor sich die eine oder andere Erkenntnis darin fest verankert und mich an Fehltritten hindert.“

IV
„Was ist es, das dich antreibt und glücklich macht?“, fragt mich an diesem Punkt der Text auf dem Papier. “Ist es der Weg hin zum Ziel oder ist es vielmehr das Ziel an sich? Und worin gehst du dann auf?“
Und ich antworte darauf, dass ich glaube, dass es der Prozess des Werdens ist. Das Gefühl der Entwicklung. Das Fortbewegen an sich. Die Welle, Der Weg, das Sein in der Phase der Veränderung.

V
Nun fragt mich die Liste, warum ich das nicht öfters getan habe? Und an dieser Stelle weiß ich, dass ich nix weiß. Außer vielleicht, dass ich das nur wissen und tun kann, wenn ich weiß, was ich will und wohin es gehen soll.

VI
Und dann mag die Tinte auf dem Papier wissen, was sich verändert hat, und ich antworte mit dem schwammigen Satz: „Mein Leben heißt stetige Veränderung, wenn ich nicht gerade stagniere und zur Pause gezwungen werde. Wie seit vielen Wochen schon.“

VII
Ich bin bei Punkt sieben auf meiner Liste angelangt, und denke mir: „Oh, die verflixte sieben! Wie doof.“ Denn ich weiß nicht, worauf ich in Summe dieses Jahr wirklich stolz sein kann. Denn die Summe dieses Jahres erscheint mir mächtig groß und viel, so dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kann.
Klamüsre ich allerdings alles a Detail auseinander, merke ich:

  • • Ich habe mich für mein Wohlsein und meine psychische Stabilität entschieden, als ich mich gegen die Vollendung der Weiterbildung entschlossen habe. Ich habe also auf mich aufgepasst.
  • • Und ich habe viel für das Wohlsein in meiner Wohnung getan. Ich sage nur meine Wundertüte
  • • Und ich bin, trotz aller Tiefschläge in diesem Jahr, offen für neue Menschen geblieben. Da wo sich so manche Tür verschlossen hat, sind Türen anderer Menschen aufgegangen


VIII
Womit wir beim nächsten Punkt angelangt wären, und ich feststellen darf, dass ich gar nicht gewichten mag, wer für mich die drei wichtigsten Menschen in meinem Leben sind. Denn jede von meinen Freundinnen ist mit ihrer Art etwas ganz Besonderes für mich, und jede von ihnen habe ich auf meine Art anders lieb. Sie sind mir alle wichtig. Ebenso oder ähnlich wie meine Familie. Aber am nächsten will ich mir selbst sein, denke ich. Auch wenn ich weiß, dass das egoistisch ist. Das soll bedeuten: Ich möchte noch besser lernen, auf mich aufzupassen. Denn nur wenn es mir gut geht, kann ich auch gut für andere Dasein.

IX
Und jetzt fragst du mich, lieber Fragenkatalog, ob diese Menschen das wissen, und ich weiß nur, dass ich selbst manchmal nicht so genau weiß, dass ich mich selbst liebhaben mag, dass ich mich selbst gern gut umsorgen mag. Und das obwohl ich für meine Herzensmenschen fast alles tun würde, was mir in den Sinn kommt. Allerdings nur, wenn es mir gut geht.

X
Das mit der Zeit ist so eine Sache, meine ich. Meist vermisst man einen Menschen, wenn er nicht mehr da ist, wenn er einem nicht mehr zur Verfügung steht. Egal ob dieser jemand verstorben ist oder ob er noch lebt.
Und ja, es gib beziehungsweise gab sie diese Menschen. Und ja, ich habe das in diesen Fällen erst hinterher gemerkt.

XI
Für mich stellt sich nicht die Frage, ob es Menschen gibt mit denen ich hätte weniger Zeit verbringen wollen mögen. Sondern vielmehr gibt es Umstände, die ich im nächsten Jahr gern noch mehr reduzieren mag:

  • • Weniger Endlosdiskussionen im Außen zum Beispiel, die mir Zeit und Kraft rauben und mich von meinen eigenen Themen ablenken


XII
Und dann fragst du mich, ob ich mein Leben mag, und ich sage dir: „Ja! Mit jeder Faser meines Körpers.“

XIII
Summa Summarum war es also ein Jahr voller Höhen und Tiefen, eine Achterbahnfahrt für den Kind gebliebenen Erwachsenen in mir, die mich nur allzu oft herausgefordert hat.





Vertontes Video:



*****ree Frau
21.438 Beiträge
Gute Gedanken von dir lieber @**********silon *top*

Ich wünsche dir ein gutes neues Jahr mit guten Erfahrungen. *feuerwerk* *g*
*******tia Mann
5.093 Beiträge
Frohes neues Jahr, lieber @**********silon

*feuerwerk* *party*
**********silon
5.750 Beiträge
Themenersteller 
Danke, liebe @*****ree und lieber @*******tia

Ja, das wünsche ich euch beiden auch, von Herzen. *g*
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