Teil VIII
Sie blieb bei mir. Ich zeigte ihr, wie wir leben und sie machte das Leben bunter. Immer wieder konnte sie sich königlich über ganz gewöhnliche Dinge amüsieren und ihr Lachen machte mich jedes Mal so fröhlich, dass es bis in die Fußspitzen kribbelte. So langsam fing ich an, ihr tatsächlich zu glauben, dass sie vom Mond kam, denn hier ließe sich ein so bemerkenswertes Geschöpf kaum finden.
Anfangs standen wir jede Nacht auf dem Balkon, hielten uns fest und sie erzählte mir von den Sternen und ihren Liedern. Diese nächtlichen Stunden hatten ihren ganz eigenen Zauber und ich bemerkte erstaunt, dass meine Gefühle zu dieser Frau sich zu einer tiefen Verbundenheit entwickelt hatten, die über Liebe weit hinausging. Es war ein fast beängstigendes Gefühl für mich, der ich doch nie hatte lieben wollen, wohl aus Angst davor, verletzt zu werden.
Dann wurde ich versetzt. Ich freute mich, konnte ich so doch wesentlich mehr Geld verdienen und ich wollte ihr ja auch irgendwann etwas finanzielle Sicherheit bieten können. Ich ertappte mich sogar bei dem Gedanken, ob ich mich als Vater von kleinen Mondmädchen gut machen würde. Ich arbeitete viel für unser zukünftiges Glück. Aber es war herrlich nach Hause zu kommen und sie dann um mich zu haben.
Es dauerte eine Weile, bis ich bemerkte, dass sie nicht mehr so oft kicherte und lachte. Nun ja, es war eben Alltag, sagte ich mir.
Irgendwann fiel mir auf, dass sie immer noch blasser zu werden schien. Irgendwie fast durchscheinend. Ich begann mir Sorgen zu machen. Aber sie fasste nur meine Hände und sagte, es sei alles in Ordnung.
An einem lauen Sommerabend bat ich sie, mit mir hinaus auf unseren Balkon zu kommen, um den Sternen beim Singen zu lauschen. Da sah sie mich mit ihren Kulleraugen ungläubig an und sagte: „Aber Sterne singen doch nicht, mein Lieber!“
Ich erschrak bis ins Mark, denn mir klang noch der Satz in den Ohren, dass sie glaubte, sterben zu müssen, wenn sie die Sterne nicht mehr hören könne.
Sie wurde weniger und weniger. Schien irgendwie dahinzuschwinden. Und ich wurde fast verrückt vor Angst, sie zu verlieren, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich Hilfe finden könnte.
Eines Abends fand ich sie fast leblos auf dem Boden liegen. In meiner Verzweiflung nahm ich sie auf die Arme und trug sie hinaus. Ich begann mit den Sternen zu reden, redete mir meine Angst, meine Trauer und meine ganze hilflose Wut von der Seele. Und dann wurde mir klar, dass ich sie irgendwie zurückbringen müsse, denn ich würde sie so oder so verlieren. Und ich hielt sie die ganze Nacht in meinen Armen, erzählte ihr von den Sternen und den Wolkenschafen und den Wolkenwiesenfeldern, bis ich irgendwann erschöpft einschlief.
Als ich erwachte, war sie fort. Nur ihre lächerliche Zipfelmütze hielt ich noch in der Hand, dessen kleines Glöckchen ganz silberleise klingelte.
Seit jener Nacht verbringe ich jeden Abend eine Zeit auf dem Balkon. Und in manchen Nächten kommt es mir vor, als könne ich ihr mondlichthelles Lachen hören und als leuchteten die Sterne dann heller und sängen ihr Lied.