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Sucht

**********silon
5.646 Beiträge
Themenersteller 
Sucht
Kennt ihr das? Ihr habt eine von euren Zeichnungen schon an die gefühlte einhundert Mal mit doppelseitigem Klebe-Strip an der Schranktür befestigt, doch sie will einfach nicht hängen bleiben, sondern fällt allerspätestens nach vierundzwanzig Stunden wieder zu Boden? So als ob das Bild nicht dafür bestimmt sei? Als ob es keine Deko fürs Auge und kein Zeugnis für das Ateliers-Wohnzimmer eines Künstlers sein wolle?

Tja, meine neuerliche intuitive Abstraktion zum Suchtgebaren meines Kaufverhaltens ist so ein vielgerühmtes Vorzeige-Parade-Beispiel. Denn es brennt nicht für mein eigentliches Ansinnen. Sondern es flennt sich zum wiederholten Male hinfort in den Fall eines Blattes von Zeichenkarton, das verkehrtherum auf dem Laminat des Fußbodens zum Liegen kommt.
Und es versetzt mich ins lichterlohe Sein, wenn ich statt der Betrachtung des Bildes an der Schrankwand lieber dem Motto fröne, dass eine Kugel leider gar keine Kugel ist. Und am Ende die Pralinenschachtel restlos geleert wird und ich danach mindestens zwei Kilo mehr stressigen Frust auf den Rippen habe.

Jetzt liegt das Bild hier neben mir auf meinem Schreibtisch und hält mich vom Schlafen ab, obwohl ich längst wie ein Nilpferd gähne, dass die Maulsperre pflegt, damit der Madenhacker dem Tier in mir die Zähne von den Schokoladenresten befreien kann. Denn ich bin ein Süchtel, der die Zucht der Ordnung im cleanen Wohnraum zumindest zeitweise meidet, weil Extreme - der ewigen Mutter gegenüber - opportunistischer sind als regelmäßige Normalität. Außerdem gibt es so viele andere Sachen, die mir wichtiger erscheinen als Putzen oder Schlafen.

Denn ich brenne für meine Kunst am Schreiben und am Bilde. Denn ich brenne für die Aufmerksamkeit im Augenblick des Betrachters und Zuhörers sowie Lesers. Und ich brenne für mich selbst, für das Experiment in mir, der zu sein, der ich schon immer sein wollte oder auch schon immer gewesen bin. Ein Gänger, der seine Grenzen einreißt, nur um sie verrückender Weise wieder aufzubauen. Und ich brenne für das Glück, meiner Welt ein Gesicht geben zu können, dass reziprok zum Gräuel des Alltags ist. Oder auch stehts und ständig konträr, nur um nicht unterzugehen im grauen Mainstream.

Wie kann ich also allen Ernstes so ein spannungsgeladenes Bild für den interessierten Betrachter aufhängen wollen, wo es doch nur einseitig mit dem Firnis der Tageslichttauglichkeit versehen ist. Eben im Hinblick der Seite der Aufmerksamkeit. Denn wer schaut sich schon gern die Rückseite einer Sache an?
Aber vielleicht ist das ja auch genau der Grund dafür, warum sich das Bild derartig widerspenstig verhält? Denn die Kehrseite einer Medaille ist es ebenso Wert, aufmerksam betrachtet zu werden wie meine Sahneschnittchen-Seite. Oder etwa nicht? Schließlich kann eine Rückenansicht auch entzücken. Schon Caspar David Friedrich wusste das zu seinen Lebzeiten sehr zu schätzen.

Wenn ich allerdings auch die Rückseite meines Bildes präpariere, verfälsche ich dann nicht die Natur seines Seins? Oder vielmehr seiner Gegenpole? Bedeutet Sucht nicht auch, dass es schier nicht aushaltbar ist, weil es innere wie äußere Spannungen gibt? Eine Sucht in der Suche nach dem Kick der Endorphine ist nie ausgeglichen, glaube ich. Oder etwa doch?
Und warum ist es ausgerechnet jetzt so offensichtlich, dass ich meinen Suchtcharakter nie wirklich losgeworden bin, seit dem Beginn meines Trockenseins vor siebzehn Jahren?

Mir scheint, dass alles ist eine Art Deklination vom endlosen Reigen der Suche nach der Liebe zu mir selbst. Denn das Außen, was um mich herum ist, und auch die Rückansicht meiner Medaille kann nur dann in sich stimmig sein, wenn ich selbst auch in mir drin mich stimmig und friedvoll fühle.

© CRSK, Le, 02/2022



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