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Neulich, bei Sandro Maischburger ...

Neulich, bei Sandro Maischburger ...
Er wusste nicht mehr, die wievielte Runde er mit nahezu den gleichen Leuten moderierte. Sie waren austauschbar, waren es schon immer gewesen, Sprechpuppen, nur hier, um für sich und ihre Partei Werbung zu machen. Heute würden Sie eine Überraschung erleben.

Die Kameras waren heiß, das Zeichen kam und Sandro begann. „Guten Abend. Ich denke, ich muss Sie unseren Zuschauern nicht mehr vorstellen. Wir haben heute Abend auf die Einladung von Experten verzichtet, sind also quasi unter uns. Auch auf die Einspielung von Straßenbefragungen verzichten wir heute. Wir wollen uns ganz auf das Thema der Sendung konzentrieren und ich würde dazu gerne Ihre Meinung hören.
Ich erinnere mich noch an meine Kindheit und die vielen faszinierenden Bücher, die ich damals las. Aufsätze, Zeitungsartikel, Berichte – viele davon haben mich gefesselt und mich oft nachts nicht schlafen lassen. Da war so viel Stoff zum Nachdenken, zum Diskutieren; zum Die-Eigene-Meinung-Überprüfen, ja sogar, meine eigene Meinung zu ändern, wenn es notwendig war. Nie hat mich interessiert, wer etwas gesagt hat; selten, warum etwas wie gesagt wurde.
Eine Aussage ist wahr oder falsch, sie ist in Teilen wahr oder falsch und ja, sie kann sogar trotzdem wahr oder falsch sein, wenn Teile von ihr wahr oder falsch sind. Das ist die Frage und nichts dazwischen. Es gibt genau so wenig ein halbwahr wie ein halbschwanger.
Habe ich etwas über die Quelle einer Aussage gesagt? Nein? Weil sie unwichtig ist, zumindest für den tatsächlichen Wahrheitsgehalt. Natürlich nicht für die Glaubwürdigkeit der Aussage, da ist es schon wichtig, zu wissen, wer etwas von sich gegeben hat und, natürlich auch dann die Vermutung, warum er das getan hat. Damit haben offenbar die meisten Menschen heute ein echtes Problem, denn Glaubwürdigkeit ist kein Kriterium von „wahr“ oder „falsch“.
In Glaubwürdigkeit steckt der Glaube und seit der Mensch ein Gehirn entwickelt hat, hängt er auch in einem Dilemma fest: Jedes Gehirn hat ein genau definiertes Volumen und um dieses Volumen streiten sich Glaube und Wissen. Ist wenig Wissen darin, ist viel Platz für Glauben. Nimmt die Zahl der Wissenden und der Wissen-Wollenden ab, steigt die Zahl derer, die glauben wollen und Scheiß auf das Wissen. Weil Wissen weh tun kann, die eigene Wohlfühlwelt zerstören. Dann doch lieber glauben, denn glauben beruhigt. Glauben ist einfach. „Ich glaube“, sagt man und fertig ist der Lack. Niemand wird das hinterfragen, denn über den Glauben diskutiert man nicht. Erst recht nicht, wenn er politisch korrekt ist.
Wissen ist da eine ganz andere Nummer. Wissen bedeutet fragen, hinterfragen, nichts glauben, egal, von wem es kommt; prüfen; unvoreingenommen sein; bedeutet Offenheit; bedeutet Ehrlichkeit, auch und vor allem zu sich selbst und es bedeutet in jedem Fall die beiden M: Mühe und Mut.
Mühe, um all das auf sich zu nehmen und Mut, sowohl dafür einzustehen als auch zu sagen: „Da habe ich mich wohl geirrt.“
Beide vertragen sich nicht mit Schubladen: Lesben, Schwule, Transgender, Außerirdische, Frauen, Männer, Nazis, Linke, Rechte, Politiker, Journalisten, Ärzte, Liberale, Neoliberale, Kommunisten, Sozialisten, Terroristen. Sie vertragen sich weder mit „...isten“, noch mit „...mus“ und auch mit keiner wie auch immer bezeichneten Gruppe von Menschen, denn jeder Mensch ist besonders, ist einzigartig, egal, in welche Gruppe er von anderen gesteckt wird.
Wissen Sie, über wahr und falsch konnte man einmal diskutieren. Es gab einmal eine Zeit, in der waren Menschen in der Lage, einander zuzuhören, mit gutem Willen; mit der Bereitschaft, sich die Argumente des Kontrahenten anzuhören; mit dem Willen, ihn nicht mit Gegenargumenten niederzuschreien, sondern mit Sachlichkeit zu überzeugen und manchmal auch mit der Bereitschaft, selbst überzeugt zu werden.
Müssen ziemlich lang her sein, diese Zeiten. Aber nicht so lange, dass ich mich daran nicht mehr erinnern würde. Weil ich sie vermisse. Weil ich vermisse, dass Sie mir und den anderen zuhören, statt sie niederzuschreien; dass Sie auf meine und ihre Argumente eingehen. Weil ich vermisse, dass Sie uns mit Fakten die Beine weghauen statt mit der Einschätzung der Person oder der Kategorisierung der Person oder Gruppe, über deren Aussage/Artikel/Buch ich gerade rede.
Ich vermisse Diskussionen, bei denen der Glaube nicht eingeladen ist, ebenso wenig wie Genosse Ego, die beleidigte Leberwurst, der Brüllaffe und der Typ, der mit seinen Händen ständig ein Dach über dem Kopf bildet, weil er sich verletzt fühlt. Die sollen sich gefälligst den Hintern vor der Tür abfrieren.
Hat jemand Lust darauf? Ich schon. Lassen Sie uns also heute Abend über wahr und falsch reden von dargestellten Sachverhalten und Behauptungen und es ist völlig schnuppe, von wem sie kommen. Wahr und falsch sind weder hinterhältig, rücksichtslos, gemein, links, rechts, narzisstisch, nazistisch und so weiter; ja, sie sind nicht einmal gut oder böse. Sie sind.
Es ist eigentlich ganz einfach. Warum nur habe ich dann das Gefühl, dass ich damit ziemlich alleine stehe? Oder vielleicht doch nicht? Was meinen Sie?“

Zwei Stunden später wartete vor dem Studio ein großer Mercedes mit geöffneter Fondstür auf Sandro. Er stieg ein und der Intendant sagte: „Sie haben mich überrascht.“
Er gab dem Fahrer ein Zeichen und lautlos setzte sich der Wagen, getrieben von straken Elektromotoren, in Bewegung. „Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist. Auf jeden Fall werden die Einschaltquoten für Ihre nächste Sendung in die Höhe gehen.“
Das war die Untertreibung des Jahrhunderts, fand Sandro. Sie würden förmlich explodieren.
Der Intendant fuhr fort: „Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie das alles ernst gemeint haben. Haben Sie?“
Sandro lächelte, aber antwortete nicht. Wenn nicht einmal der Intendant sich sicher war, hatte Sandro sein Blatt perfekt gespielt und mit der nächsten Sendung würde er Anna Wild und ihre Show endgültig gegen die Wand drücken. Er hatte gewonnen.
„Keine Antwort ist auch eine Antwort,“ sagte der Intendant. „Sie haben Potential, das wusste ich schon immer, aber übertreiben Sie es nicht. Ich will nicht, dass Sie eine falsche Entscheidung treffen. In jedem System macht die Seite, auf die man sich stellt, den Unterschied aus. Sie haben Journalistik studiert und mir damit eine Menge voraus, auch wenn es Ihnen Flausen in den Kopf gesetzt hat. Aber wenn Sie beim Studium auch nur ein bisschen aufgepasst haben, wissen Sie, dass wahr und falsch nur eine Frage des Standpunktes sind, der wiederum abhängig ist von dem Anteil an Macht, den wir Ihnen zugestehen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, hat Marx gesagt. Ich sage etwas anderes und das gilt für jeden Staat der Welt, jenseits und diesseits des Atlantiks, vor und hinter dem Eisernen Vorhang und für jedes System, seit die Affenhorden von den Bäumen gestiegen sind und die Macht und die Gier nach ihr erfunden worden sind: Wahr und falsch sind weder taugliche Kategorien zur Bewertung der objektiven Realität noch Ihres Lebens. In dem ist nur eines wirklich und das mit absoluter Sicherheit: Täter und Opfer. Es ist Ihre Entscheidung, was davon Sie sein wollen. Ich werde Ihnen jetzt helfen, die richtige zu fällen. Schließlich will ich Sie nicht verlieren.“
„Und wie?“
Jetzt war es der Intendant, der lächelte. „Ich brauche einen Beweis Ihrer Loyalität, bevor ich Sie das nächste Mal vor die Kameras lasse. Deshalb habe ich meinen Hausarzt aus dem Bett geklingelt. Wir besuchen ihn jetzt. Sie sind ein glühender und lauter Verfechter der Impfung gegen Corona, das kann bei uns natürlich auch nicht anders sein. Deshalb interessiert mich ihr tatsächlicher Impfstatus. Nicht der auf ihrem Impausweis.“
Sandro wurde bleich ...
*****e_M Frau
8.480 Beiträge
Gefällt mir sehr *top*
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
Einmal mehr wieder guter Lesestoff. Und eine wirklich reizvolle Herausforderung, über das (nunmal derzeit vorherrschende) dichotome Denkmodell von Position und Perspektive wiederholt nachzudenken.
Danke dafür!
*hutab*
Die schlechte Nachricht: Man bekommt den Geist nicht mehr in die Flasche.
Welchen Geist, bitte? Ich sehe hier nur "Rette sich wer kann."
Übrigens - ich bin bei meiner Motorradreise auch über den Simplonpass gefahren. Die Brandkatstrophe damals im Simplontunnel hätte viel weniger Tote gefordert, wenn die Leute nicht den Idioten hinterhergerannt wären, die nach oben liefen, sondern stattdessen nach unten, wie es die Hunde taten und die Wenigen, die ihr Gehirn eingeschaltet hatten und sich nicht in Panik versetzen ließen. Aber das nur nebenbei. Hat mit der Geschichte nichts zu tun.
Ein Muskel, den man nicht benutz, verkümmert. Ich schätze, das ist mit dem Gehirn ebenso.
In Zeiten von Social Media, Google und anderen Errungenschaften hat das betreute Denken die Oberhand gewonnen.

Ich will damit sagen, dass die Spaltung der Gesellschaft vollzogen ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
*******tia Mann
5.143 Beiträge
Wenn ich mal einen Link setzen darf?
Die Gesellschaften lassen sich von den sozialen Medien spalten - nicht von den Regierungen:

https://www.zdf.de/nachricht … buch-desinformation-100.html
Nein, @*******tia. Ich könnte hier eintausend Links setzen, die das Gegenteil tatsächlich beweisen, doch dann gleitet das (erfahrungsgemäß) in eine politische Diskussion, befürchtet sogar Schlägerei ab. Das will ich nicht. Auch wenn ich den Fernseher für das Gefährlichste halte, was jemals erfunden wurde, ist es nicht der Fernseher, der die Schuld trägt. Es sind auch nicht die Medien, egal ob Mainstream oder "soziale" (was zum Teufel ist dieses Wort überhaupt noch wert heute?) Medien.
Es sind immer Menschen. Medien in welcher Form sind nur ein Mittel. Mit einem Hammer kann man Nägel einschlagen oder Köpfe. Was davon, bestimmt nicht der Hammer, sondern die Hand, die ihn führt.
Der nächste Schritt wäre dann: " ... na gut, es sind die Leute, die dahinter stehen ..." und dann sind wir wieder bei der Einteilung der Menschen in Gruppen, und auch die ist falsch. auf jeder Seite gibt es solche und solche.
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