Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Private Passion Events
617 Mitglieder
zum Thema
Wie sollte ein Hausfreund für Euch Paare sein?15
Jedes Paar, welches sich einen Hausfreund sucht oder wünscht hat…
zum Thema
Freund auf Kur, ich soll mit seiner Frau schlafen - Was tun?244
Ich wollte mal wissen was ihr dazu meint, bzw wie ihr handeln würdet.
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Gefaehrlicher Auftrag II

Gefaehrlicher Auftrag II
"Zunaechst moechte ich mich fuer die etwas brueske Art der Einladung entschuldigen" sagte er und streckte mir seine Hand entgegen.
"Und ich mich auch, mein lieber, lieber Freund" echote der Schwimmer, der aus dem Becken gestiegen ist, sich einen weichen purpurroten Bademantel gehuellt hat und sich kraeftig den kahlen Schaedel trockenreibend auf mich zutritt.
Ich schuettel auch ihm die Hand und mache es mir mit der Hoffnung auf eine Aussprache bequem.
Wenn eine Zeitung einen mit einer heissen Ermittlung ueber den Sinn des Lebens betraut und man sofort danach entfuehrt wird, dann gibt es nur eine Schlussfolgerung: da sind gewaltige Interessen im Spiel, maechtige Persoenlichkeiten regen sich im Schatten.
"Verwundert haette es mich nur " wie ich zu meinen laechelnden Kidnappern sage, " wenn es keine Einmischung von eurer Seite gegeben haette, aber ich gestehe , ich haette nicht so schnell damit gerechnet"
"Wer gleich sich schnappt den Kater, der schnappt auch dessen Vater" antwortet promt mit sybillinischem Witz der Senator, was mich einen Moment lang verwirrt.
Der Andere nutzt das aus um mir eine duftende Corona in die Hand zu druecken, sich selbst eine anzuzuenden und dreist die offen zu Tage liegenden Tatsachen zu leugnen.
"Aber nein, doch keine Einmischung! Lebhaftes Interesse , ja. Fuer einen grossen petrolchemischen Konzern und fuer eine grosse klassenuebergreifende Partei wie die Demokratische Christliche ist der Sinn des Lebens selbstverstaendlich ein wesentliches und unverzichtbares Anliegen"
"Von altem Wein und neuen Besen macht die Baeuerin kein Wesen" bestaetigt der Senator.
"Es ist daher nur natuerlich, dass wir, falls sie diesen Sinn finden sollten, Wert darauf legen, darueber informiert zu werden."
"Das sollt ihr auch, wenn es soweit ist" sage ich seelenruhig "wie alle Leser, genuegt euch das nicht?"
Die beiden huesteln, sehen sich unsicher an. In dem anhaltenden Schweigen bekommen die Noten des Scherzo Nr. 4 Chopin, was der Gorilla in der weissen Jacke hinten spielt, einen vage bedrohlichen Unterton.
"Ich will offen mit Ihnen sein" gibt schliesslich der Generalvorsitzende der Petrolfirma zu "uns genuegt es nicht, informiert zu werden, wenn es soweit ist. Was wir von Ihnen wollen ist , dass sie uns Stueck fuer Stueck ueber die Entwicklungen ihrer Erhebungen auf dem laufenden halten bevor sie diese aehm....wahllos dem Publikum zur Kenntnis bringen. Und fuer diesen kleinen Gefallen sind wir bereit, ihnen...."
Aeusserst taktvoll erhebt sich hier der Senator, laesst sich von einer herbeigeeilten Mulattin seinen weichen Bademantel abnehmen und springt wieder ins Schwimmbecken.
"...einen bescheidenen Zuschuss fuer das beste und schnellste Gelingen ihres Auftrages anzubieten" faehrt der Andere, mit den offensichtlich schoenoperierten Augensaecken, fort, der inzwischen sein Aktienmaeppchen hervorgezogen hat. Er waehlt zwei unansehnliche Aktien mit der Aufschrift "Robur Nougat und Nussschokolade" aus und streckt sie mir hin.
Ich erbleiche. Ich sehe wie die bis dahin eiskalten Augen der Mulattin vor Begierde aufgluehen. Auch sie hat offenbar gleich die legendaeren Aktien mit dem nominalen Wert von 500 Euro erkannt, die in einer Anzahl von achzig Stueck das gesamte hinterlegte Kapital der Robur darstellen. Doch es ist bekannt, dass diese kleine Suesswarenfabrik, die nicht mehr als ungefaehr zwanzig Mitarbeiter beschaeftigt, die Fabro Ag. Rollaeden kontrolliert, die ihrerseits wiederum die Aktienmehrheit der Ital. Schemel hat, ueber welche, durch ein Spiel ueberkreuzter Anteile, der Inhaber der Robur Aktie faktisch einen betraechtlichen Teil der Standard Oil of New Jersey, der Cirio International und der Sheraton-Hotelkette besitzt. Damit bin ich dann bei einer Groessenordnung von mehreren hundert Milliarden pro Aktie....
Ich wuerde den Leser beluegen , wenn ich behauptete meine Hand haette bei der Ablehnung dieses schwindelerregenden Angebotes nicht gezittert. Aber mein Zoegern waehrt nur kurz.
"Nein. was fuer ein Spielchen ihr da spielt weiss ich nicht aber steckt eure Robur wieder ein"
Stolz sehe ich von den Hoehen meiner Integritaet auf meinen Gespraechspartner herab, aber ich muss zugeben er ist ein guter Verlierer: die leichte Verbeugung die er mir macht, nachdem er die Aktien wieder verstaut hat, wirkt weder gezwungen noch gekraenkt.
Und auch der Senator steht ihm nicht nach: von der Entwicklung der Verhandlung in Kenntnis gesetzt, kommt er tropfend herbei, um mir die Hand zu druecken, und stellt so unter Beweis, dass sein savoir vivre, sein launiger Witz kein blosser Firnis sind.
"Eugenio, unser unbestechlicher Freund hier war doch, scheint mir, auf dem Heimweg nach Muenchen. Und da ich mir denken kann, dass er sobald wie moeglich abreisen will...."
"Ach ja wohin nochmal"? fragt der Andere ,der mit dem breiten Fernsehlaecheln, beilaeufig.
Ich tue so als ginge ich in die primitive Falle.
"Zunaechst, auch weil ich da ein paar genaue Hinweise hatte, habe ich an die Sila-Hoehen gedacht, mit den Waeldern den Hirten den Fluessen....."
Die beiden haengen buchstaeblich an meinen Lippen.
"Aber dann habe ich aufgrund eigentlich ganz naheliegender Schluesse das Elsass ins Auge gefasst, und dort insbesonder Mulhouse. Meint ihr nicht auch, dass der Sinn des Lebens sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dort verstecken koennte?"
"Na klar doch" luegt der Senator dreist.
"Unser Forschungsbuero ist zu aehnlichen Schluessen gekommen und gerade desshalb...."
"Ich habe schon zu viel gesagt" unterbreche ich ihn und sehe auf die Uhr. Und waehrend der Senator mit dem Finger schnalzt um den philippienischen Diener zu rufen nutze ich die Gelegenheit, es dem durchtriebenen Parlamentarier mit gleicher Muenze heimzuzahlen:
"Versperrte Tuer, zahnloser Esel und Frauen aus Prato" fluester ich ihm vertraulich zu, "fangen schwerlich Feuer".
Ich verabschiede mich ohne mich weiter ueber das Geschehene veraergert zu zeigen, das ja eine unverschaemte Entfuehrung gewesen ist.
............................

"Auf Gleis 15 faehrt ab der Trans-Europ-Expres nach Chiasso, Lugano, Zuerich, Baselmit Kurswagen nach Mulhouse, Thionville" kuendigt der Lautsprecher an.
Ich vergewissere mich dass ich noch immer dieses mausgraue Individuum in der kurzen Jacke auf den Fersen habe, das mich beschattet, seit ich aus dem Hotel herausgekommen bin, und vom Zeitungsstand aus eile ich dann zum Zug. Wird Mausgesicht auch einsteigen?............
Gefaehrlicher Auftrag III
.........

Nein, Wie ich gehofft hatte, muss der Mann sich nur vergewissern, dass ich wirklich nach Mulhouse fahre, wo mich natuerlich bereits ein anderer erwartet. In der Tat sehe ich ihn vom Abteilfenster aus zu einem Telefon in seiner Manteltasche greifen. Aber er laesst dabei mein Abteil nicht aus den Augen, und ich muss warten bis der Zug sich in Bewegung setzt, um schleunigst meinen Koffer zu schnappen, eine Zugtuere auf der anderen Seite aufzureissen und auf den Bahnsteig von Gleis 14 zu springen.
Im nu bin ich in dem Nahverkehrszug, der 13:08 Uhr nach Sondrio abgeht, steige auf der gegenueberliegenden Seite wieder aus, durchquere nacheinander den "Versilia Pfeil" die "Vesuv Rakete" das "Riccione Phaenomen" und nach ein paar weiteren, nicht identifizierten Schnellzuegen bin ich endlich an Gleis 9 und an dem Zug meines wahren Reiseziels angelangt.
Ich steige in einen der ersten , mit eindrucksvollen Namen beschilderten Wagen ein und trete in ein leeres Abteil in dem ich sofort die Vorhaenge zuziehe.
Ich lasse mich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung in den weichen Sitz fallen. Von diesem Augenblick an kann meine Arbeit beginnen. Endlich habe ich den Kopf frei von materiellen Sorgen, und ziehe mein Notitzbuchg heraus um meinen ersten sum,marischen Aufriss fuer meine Nachforschungen zu entwerfen.
"Wer bin ich?Wo komme ich her?" schreibe ich, und da ich mehr auf Soliditaet lege fuege ich hinzu: "Wohin gehe ich?"

Es ist der Bahnhofslautsprecher, der mir so promt wie ausfuehrlich die Antwort auf diese letzte Frage liefert.
"Auf Gleis 9 faehrt ab" kuendigt er an " der Direct-Orient nach Venedig, Triest, Belgrad, Sofia und Istambul mit Kurzwagen nach Skopje, Thessaloniki und Athen."
Ihr Leser, die ihr vielleicht nicht das Kursbuch der grossen internationalen Expresszuege im Kopf habt, werdet Muehe haben zu glauben, dass ich die falsche Spur von Mulhouse nicht mehr oder weniger zufaellig gelegt habe. Indes wusste ich, als ich das Elsass waehlte, dass nur fuenf Minuten und ein paar Bahnsteige zwischen dem TEE Gotthard und meinem alten Orientexpress lagen.
Und was mein wirkliches Reiseziel betrifft, naemlich Griechenland, so hat das in aller Deutlichkeit vor mir gestanden, als der alte Fuchs vom Sinn des Lebens sprach.

Ich bin in Verona, und meine Ueberlegungen schweifen ab zu den Gebieten meiner Nachforschungen an der Wiege der abendlaendischen Kultur, da werden meine Ueberlegungen durch einen anglikanischen Pastor unterbrochen, der mit zwei grossen Koffern hereinkommt, sich in einer Ecke niederlaesst, und anfaengt mit zweiflerischer Miene seinen Fahrausweis zu studieren.
"Do you speak English?" fragt er mich unweigerlich nach nicht einmal zwei Minuten.
"Very....peu" antworte ich aus naheliegenden Gruenden der Geheimhaltung meiner Mission.
Entmutigt bedient sich der Geistliche nun eines holprigen Italienisch, um sich bei mir zu erkundigen ob das auch wirklich der Orientexpress sei.
"Welcher Orientexpress??" frage ich mit einem Anflug von Vorwurf in der Stimme zurueck. Nichts geht mir mehr auf die Nerven, als diese internationalen Reisebanausen, die ohne die geringste Vorbereitung in die grossen Expresszuege steigen. Und nun erklaere ich ihm geduldig den Unterschied zwischen den beiden Orients: dem Simplon mit Kurswagen nach Kiew und Moskau, der von Zagreb ueber Koprivnika, Geykenyes nach Budapest faehrt, und dem Direct, in dem wir sitzen, der sich nach Belgrad in den Athenes Express nach Athen und den Marmara Express nach Sofia und Istambul teilen wird.
"Fuer jemand der " setze ich grosszuegig hinzu " nach Kleinasien und Mesopotamien weitermoechte, gibt es dann den Taurus Express, der von Skutari nach Bagdad und Bassora faehrt. Wohin wollen Sie?"
"Nach Vincenza" antwortet der Elende, dessen einzige Sorge, wie sich jetzt herausstellt, war, der Orientexpress koennte in dem venetischen Staedtchen, in das er aus wer weiss welchen Gruenden will, nicht halten.

"Abendessen um acht" informiert uns , die Hacken
zusammenschlagend, der weisshaarige Schaffner, der mir die Schlafkabine aufgeschlossen hat.
Ich betrachte ihn mit Wohlgefallen: Maenner wie diese haben Generation um Generation den wagon-lits einen Sinn und dem alten Europa ein Seele gegeben.
"Tres bien" antworte ich und reiche ihm eine halbe Krone "und richten sie mir bitte das Bad".
Ein Schatten tiefer Melancholie verduestert darauf die Augen des Mannes.
"Leider mein Herr..."
"Ach so ja, " erinnere ich mich "macht nichts, die Dusche wird es auch tun".
Ich hatte vergessen, dass die Abteile mit Bad, ein Stolz des Zuges, 1914 nach der Tragoedie von Sarajevo abgeschafft worden sind.
"Montenegriner?" erkundige ich mich freundlich, waehrend der Mann die Dusche einstellt.
Ich glaube naemlich, in seinem makellosen Triestiner Italienisch einen Akzent von Crkvice ausgemacht zu haben.
"Aus Dobra Gora" ist die stolze Antwort.
Ich habe mich nur um wenige Kilometer geirrt, und zeige meine Befriedigung dadurch, dass ich dem vornehmen Alten (ehemaliger Offizier) eine weitere halbe Krone schenke.
Nach dem ich geduschtr habe vertraue ich die interessante Begegnung meinem Notizbuch an und treffe Vorbereitungen fuer das Abendessen, was heisst , dass ich meinen Smoking, den ich heute Frueh in der Upim erstanden habe auspacke.

Als ich, waehrend der Zug hinter der Grenze in die Abenddaemmerung rast, den dining car betrete, krampft sich mein Herz zusammen. Das kleine Podium am hintersten Ende des Wagens, wo frueher einmal ein...............
Gefaehrlicher Auftrag III
(editiert von Gruppenmod cazyz, da doppelt geposteter Teil III) :-)
Und ich hatte mich schon gefreut, dass
die histoire prend place a Mulhouse, tout pres de moi..... Dommage!
mais je t en prie cherie, Mulhouse ou tou l monde......


ausserdem weisst du ja gar nicht deine Hauptrolle, wer weiss......
....wo frueher einmal ein Zigeunertrio oder ein kleines Damenorchester musizierten, ist jetzt mit Bier und Mineralwasserkaesten vollgestellt. Die herrlichen byzanthinischen Mosaike, die die Wand zwischen den Fenstern schmueckten, sind zum Teil abgefallen und da und dort mit Tesa Film mehr schlecht als recht wieder angepappt. Und was die Gaeste angeht: kaum jemand im Abendanzug. Einige sitzen sogar in T-shirts da.
Der Maitre, dem meine Enttaeuschung nicht entgeht, fuehrt mich an den Tisch eines Herrn, dessen Gesicht ich nicht sehe, da er in das Studium der Speisekarte vertieft ist, der aber wenigstens einen dunklen Anzug traegt.
"Vous permettez?" frage ich bevor ich mich setze.
"Do you speak english?"antwortet er und hebt den Kopf. Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich in ihm den anglikanischen Pastor wiedererkenne der doch in Vicenza aussteigen sollte.
Schlagartig steigt der Mann in meiner Achtung. Doch sein unerwartetes Auftauchen floesst mir natuerlich auch etwas Misstrauen ein, das seine noch so offenherzige Erklaerung nicht ganz zerstreuen kann.

Die Erzaehlung des anglikanischen Pastors

"Mein Name ist nicht von Bedeutung" hebt der Geistliche in seinem ungeuebten Italienisch an.
"Ich stamme aus Shropshire, doch meine Pfarrei ist in einer Grafschaft weiter oben im Norden. Ich habe Frau und zwei Soehne, einer bereits erfolgreicher Vertreter der Singer in Cornwall. Dies ist....oder vielmehr war", verbessert er sich mit einem Blick nach Draussenauf die ersten Kuehe der slowenischen Landschaft, " meine erste Reise nach Italien. Ich hege eine gewisse Vorliebe fuer die Architektur des Palladio, und dieses Jahr habe ich meine Familie in einem Kurort im Engadin gelassen und beschlossen, in Vicenza deren wunderbarste Beispiele aufzusuchen."
Er unterbricht sich mit schmerzlicher Miene. Er streicht sich mit der Hand ueber die Stirn. Er scheint Schluckbeschwerden zu haben.
"Meine Unsicherheit" hebt er wieder an, " ob der Zug in jener Stadt halten wuerde oder nicht hatte mich etwas in Aufregung versetzt, in einen Zustand fast koerperlicher Unruhe, und vielleicht trug auch ein Glas alten Merlots , das ich am Bahnhof in Verona genossen hatte , zu meiner merkwuerdigen Verstoerung bei, jedenfalls, als ich in Vicenza ausgestiegen bin, und den Bahnsteig sah, den starken Duft der Oleanderbaeume roch, die suedlichen Rufe der Belegte Broetchen Verkaeufer hoerte, brachte das alles endgueltig meine Fantasie in Wallung."
"Denken sie jetzt bitte nicht" faehrt der gepeinigte Erzaehler fort, nachdem er sich einen Augenblick das Gesicht mit den Haenden bedeckt hat, " denken sie nicht, dass ich mildernde Umstaende fuer mich in Anspruch nehmen will. Ich beschreibe nur ganz objektiv den Zustand , in dem ich mich befand, als ich die Koffer abstellte und mich nach einem Gepaecktraeger umsah. Es war keiner da. Voll staunender Benommenheit blieb ich stehen und betrachtete das Kommen und Gehen der Reisenden, einen Schaffner mit seiner Schultertasche, eine Gruppe Emigranten mit Strohflaschen und Mundharmonikas, zwei Kinder, die sich am Trinkbrunnen nassspritzten....dann gab ich mir einen Ruck und wollte mich Richtung Ausgang in Bewegung setzen, aber da hatte mein Herz schon wild zu pochen begonnen, obwohl ich noch nicht wusste warum.
Unwillkuerlich kehrte mein Blick zu den beiden Kindern zurueck, zu den Emigranten, zu dem Schaffner und heftete sich schliesslich auf den Bahnhofsvorsteher, der sich anschickte , den Zug wieder abfahren zu lassen. Genau in dem Moment , als ich ihn seine Kelle heben und das Signal zur Abfahrt geben sah, fuehlte ich, dass ich ihn wahnsinnig und verzweifelt begehrte."
"Jetzt nicht, ich bitte sie, jetzt nicht " murmelt der Unglueckliche, worauf sich zu meiner Enttaeuschung der Sommelier, der die Weinkarte vorlegen wollte, wieder zurueckzieht, und krampfhaft ein Paeckchen Crackers zermalmend nimmt der Pastor mit brechender Stimme seine Erzaehlung wieder auf :
"Es war nur ein Augenblick. Ein Moment spaeter hatte ich meine Koffer wieder in der Hand, war wieder in diesen Zug eingestiegen, sass zitternd und zusammengekauert in einer Ecke und haette mich am liebsten vor den Blicken meiner Mitmenschen verkrochen....ich war voellig vernichtet. Ausgenommen eine einzige, weit zurueckliegende Episode aus meiner Knabenzeit in Verbindung mit einem Gloeckner der Kathedrale von Salisbury, waren meine Handlungen und Gedanken immer voellig frei von Verderbnis und ohne jeden Tadel gewesen. Und jetzt?"

Ich nutze die lange Pause um diskret den Sommelier zurueckzurufen und einen Szombathely zu bestellen, ein ungarisches Weinchen, das mir den bemitleidenswerten Anlass angemessen scheint.
Aber nicht nur zu Mitgefuehl bewegt mich diese feingesponnene Kundgebung des Zufalls.
Wenn dieser Mann, ueberlege ich, nicht seine harmlose Vorliebe fuer die Architektur des Palladio entwickelt haette, befaende er sich vielleicht nicht da wo er gerade ist.
"Vorherbestimmung oder freier Wille?" fragt der Reverend , als haette er meine Gedanken gelesen.
"Das ist doch immer wieder die ungeloeste Frage"

Offensichtlich durch sein Gestaendnis erleichtert, lehnt der Reverend die Vorspeise ab und entscheidet sich fuer die Rigatoni mit Tomatensosse, von denen er sich reichlich auftut. Ich tue munter desgleichen, doch waehrend er mit vollen Backen kaut, kann ich mich nicht enthalten ihn verwundert zu beobachten.
Indem er mir so vertrauensselig sein Herz aufgeschlossen hat, bemerke ich jetzt, ist es ihm in aller Natuerlichkeit gelungen ist, mir weder seinen Namen noch sein gegenwaertiges Reiseziel mitzuteilen.
Wie soll ich ausschliessen, dass der Geheimdienst des Senators, als in Chiasso festgestellt wurde, dass ich nicht im TEE nach Basel war, nicht sofort andere Spuerhunde auf mich angesetzt hat? Dann waere es kein Zufall, dass dieser vorgebliche Held eines duesteren Seelendramas in Verona zugestiegen ist.
Doch ob wahr oder erfunden, seine Geschichte hat jedenfalls das Erscheinungsniveau des Speisewagens gehoben, den Verfall seiner Ausstattung wettgemacht und auch denjenigen Reisenden, die in einem Zug von solch illustrer existenzieller Tradition ganz unpassend wirken koennten, eine gewisse Aura dialektischer Ambiguitaet verliehen.
Damit meine ich allerdings nicht das bejahrte Paar mit um den Hals gebundener Serviette, das rechts von mir zum dritten Mal einen Nachschlag Bratkartoffeln verlangt; trotz schlichter Erscheinung und Manieren ist es nicht schwer, es als zum aeltesten schwedischen Adel zugehoerig einzuordnen, vermutlich aus Schonen, um abzuleiten, dass die Reise zu dem grossen Markt von Svetozarevo geht, um siebenbuergische Polopferde zu kaufen.
Schwieriger wird es allerdings , abgesehen von einer rettungslosen Gruppe laermender franzoesischer Touristen, dem farblosen Individuum, das am Ende des Wagens sitzt, irgendeine Bedeutung zuzuschreiben, und das um so mehr , als der Mann wie durch einen seltsamen Zufall jedesmal, wenn ich nach ihm hinsehe, die Serviette zum Gesicht fuehrt, oder sich bueckt, um etwas aufzuheben.
Diese Manoever geben mir schliesslich zu denken, so dass ich den unbestimmten Verdacht, den ich in Bezug auf den ungluecklichen Pastor hegte, nun auf ihn verschiebe.
Ich tue , unter den betruebten Blicken des Maitre, so, als konzentriere ich mich ganz darauf , mit Brotstuecken meinen Nudelteller blankzuwischen, und beobachte verstohlen den Unbekannten....
Und was fuer ein Unbekannter! Oho! Die glatten blonden Haare , die dicke Schildpattbrille auf der sommersprossigen Nase, die bleichen Tuetenohren, die langen Pferdezaehne, die schwarzsilberne Krawatte des Magdalen College von Oxford gehoeren unverwechselbar zu Philip Campbell-Ballermann, dem Philosophiekorrespondenten der Times!
Campbell-Ballermann muss auch nicht besonders vorgestellt werden. Er war es doch der einer von der Kommission Skefauver uebersehenen Spur nachging und aufdeckte, dass in Brooklyn die ganze ontologische Spekulation von der Mafia kontrolliert wurde, der darauf seine Nachforschungen nach Palermo verlegte und einen schaendlichen Nahosthandel mit leibnizianischen Monaden auffliegen liess. Und er war es auch der die hinter dem Ruecken der Partner des Atlantikpaktes getroffene Einigung mit der UDSSR in bezug auf die Frage der Immanenz bekanntmachte und so Frankreichs Austritt aus der Nato veranlasste. Und schliesslich , aber das ist Geschichte von gestern, war er es, der als den wahren Grund fuer den Fall Brandts die mangelnden Vorkehrungen fuer die weniger beruecksichtigten Kantschen Kategorien erkannte.
"Warum das alles? Das ist zuviel! Einfach zuviel!" ruft da der anglikanische Pastor aus und mich aus meinen Betrachtungen.
Ich hatte das interessante Drama dieses Mannes voellig vergessen.
........................
IV
"Hoeren sie, ihr warum" anrworte ich ernst," gehoert zu denen die die Menschheit seit Jahrtausenden umtreiben. Ihr ...aehm...Unfall mit dem Bahnhofsvorsteher schliesst es ein , erschoepft es aber nicht. Und wenn das Leben einen ...."
Aprupt breche ich ab, einerseits weil ich mich nicht zu sehr offenbaren will, fuer den Fall, dass der Mann am Ende doch ein Spion ist, andererseits , weil ich, den Blick hend , bemerke, dass sein Ausruf die allzu reichliche Portion gruener Bohnen betrifft , die der Steward ihm auf den Teller geladen hat.
Der draussen in der Finsternis erschallende Name eines kleinen Bahnhofs , Ivanje Selo, fuehrt mich wieder in einen serbo-kroatischen Kontext auf das Gebiet der Mittelmaechte zurueck. Wiederholtes Pfeifen und in der Dunkelheit geschwenkte Laternen. Der faszinierende Reiz des Orient Expresss.
Warum aber dieser unvorhergesehene Halt? Ein Gefuehl der Erwartung, ja fast Spannung bemaechtigt sich der bewussteren, geistig fitteren Insassen des Speisewagens. Ein Hauch von Unerwartetem, von wahrem und wahrhaftigem antimechanistischem Indeterminismus durchstroemt den dining car....
Und dann, waehrend der Zug sich wieder in Bewegung setzt, geht die hintere Tuer des Wagens auf, und in ihrem rauchigen Rahmen erscheint... der Sinn des Lebens.

Es folgt verbluefftes Schweigen. Alle sitzen reglos da und starren auf die in Ivanje Selo zugestiegene Unbekannte. Nur das rythmische Rattern der Raeder ist zu hoeren und dann das Klirren der Gabel, die Campbell-Ballermann aus der Hand gefallen ist (hat er also auch in diesem betoerenden Geschoepf den Sinn des Lebens erkannt?)
Doch nun materialisiert sich das allgemeine Staunen, die fast religioese Bestuerzung in verschiedenen Aeusserungen.
Was mich angeht, so muss ich den Mann vom Ermittler unterscheiden.
Dem Mann stockt der Atem. Dem Ermittler ebenfalls. Vergeblich habe ich versucht Hand an mein Notizbuch zu legen um den JC Lesern unverzueglich einen ersten, wenn auch noch ungenauen Bericht ueber das Hoechste Gut zu liefern. Und jetzt werde ich von einer neuen Entwicklung der Dinge ueberrollt.

..............
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.