Gefaehrlicher Auftrag II
"Zunaechst moechte ich mich fuer die etwas brueske Art der Einladung entschuldigen" sagte er und streckte mir seine Hand entgegen."Und ich mich auch, mein lieber, lieber Freund" echote der Schwimmer, der aus dem Becken gestiegen ist, sich einen weichen purpurroten Bademantel gehuellt hat und sich kraeftig den kahlen Schaedel trockenreibend auf mich zutritt.
Ich schuettel auch ihm die Hand und mache es mir mit der Hoffnung auf eine Aussprache bequem.
Wenn eine Zeitung einen mit einer heissen Ermittlung ueber den Sinn des Lebens betraut und man sofort danach entfuehrt wird, dann gibt es nur eine Schlussfolgerung: da sind gewaltige Interessen im Spiel, maechtige Persoenlichkeiten regen sich im Schatten.
"Verwundert haette es mich nur " wie ich zu meinen laechelnden Kidnappern sage, " wenn es keine Einmischung von eurer Seite gegeben haette, aber ich gestehe , ich haette nicht so schnell damit gerechnet"
"Wer gleich sich schnappt den Kater, der schnappt auch dessen Vater" antwortet promt mit sybillinischem Witz der Senator, was mich einen Moment lang verwirrt.
Der Andere nutzt das aus um mir eine duftende Corona in die Hand zu druecken, sich selbst eine anzuzuenden und dreist die offen zu Tage liegenden Tatsachen zu leugnen.
"Aber nein, doch keine Einmischung! Lebhaftes Interesse , ja. Fuer einen grossen petrolchemischen Konzern und fuer eine grosse klassenuebergreifende Partei wie die Demokratische Christliche ist der Sinn des Lebens selbstverstaendlich ein wesentliches und unverzichtbares Anliegen"
"Von altem Wein und neuen Besen macht die Baeuerin kein Wesen" bestaetigt der Senator.
"Es ist daher nur natuerlich, dass wir, falls sie diesen Sinn finden sollten, Wert darauf legen, darueber informiert zu werden."
"Das sollt ihr auch, wenn es soweit ist" sage ich seelenruhig "wie alle Leser, genuegt euch das nicht?"
Die beiden huesteln, sehen sich unsicher an. In dem anhaltenden Schweigen bekommen die Noten des Scherzo Nr. 4 Chopin, was der Gorilla in der weissen Jacke hinten spielt, einen vage bedrohlichen Unterton.
"Ich will offen mit Ihnen sein" gibt schliesslich der Generalvorsitzende der Petrolfirma zu "uns genuegt es nicht, informiert zu werden, wenn es soweit ist. Was wir von Ihnen wollen ist , dass sie uns Stueck fuer Stueck ueber die Entwicklungen ihrer Erhebungen auf dem laufenden halten bevor sie diese aehm....wahllos dem Publikum zur Kenntnis bringen. Und fuer diesen kleinen Gefallen sind wir bereit, ihnen...."
Aeusserst taktvoll erhebt sich hier der Senator, laesst sich von einer herbeigeeilten Mulattin seinen weichen Bademantel abnehmen und springt wieder ins Schwimmbecken.
"...einen bescheidenen Zuschuss fuer das beste und schnellste Gelingen ihres Auftrages anzubieten" faehrt der Andere, mit den offensichtlich schoenoperierten Augensaecken, fort, der inzwischen sein Aktienmaeppchen hervorgezogen hat. Er waehlt zwei unansehnliche Aktien mit der Aufschrift "Robur Nougat und Nussschokolade" aus und streckt sie mir hin.
Ich erbleiche. Ich sehe wie die bis dahin eiskalten Augen der Mulattin vor Begierde aufgluehen. Auch sie hat offenbar gleich die legendaeren Aktien mit dem nominalen Wert von 500 Euro erkannt, die in einer Anzahl von achzig Stueck das gesamte hinterlegte Kapital der Robur darstellen. Doch es ist bekannt, dass diese kleine Suesswarenfabrik, die nicht mehr als ungefaehr zwanzig Mitarbeiter beschaeftigt, die Fabro Ag. Rollaeden kontrolliert, die ihrerseits wiederum die Aktienmehrheit der Ital. Schemel hat, ueber welche, durch ein Spiel ueberkreuzter Anteile, der Inhaber der Robur Aktie faktisch einen betraechtlichen Teil der Standard Oil of New Jersey, der Cirio International und der Sheraton-Hotelkette besitzt. Damit bin ich dann bei einer Groessenordnung von mehreren hundert Milliarden pro Aktie....
Ich wuerde den Leser beluegen , wenn ich behauptete meine Hand haette bei der Ablehnung dieses schwindelerregenden Angebotes nicht gezittert. Aber mein Zoegern waehrt nur kurz.
"Nein. was fuer ein Spielchen ihr da spielt weiss ich nicht aber steckt eure Robur wieder ein"
Stolz sehe ich von den Hoehen meiner Integritaet auf meinen Gespraechspartner herab, aber ich muss zugeben er ist ein guter Verlierer: die leichte Verbeugung die er mir macht, nachdem er die Aktien wieder verstaut hat, wirkt weder gezwungen noch gekraenkt.
Und auch der Senator steht ihm nicht nach: von der Entwicklung der Verhandlung in Kenntnis gesetzt, kommt er tropfend herbei, um mir die Hand zu druecken, und stellt so unter Beweis, dass sein savoir vivre, sein launiger Witz kein blosser Firnis sind.
"Eugenio, unser unbestechlicher Freund hier war doch, scheint mir, auf dem Heimweg nach Muenchen. Und da ich mir denken kann, dass er sobald wie moeglich abreisen will...."
"Ach ja wohin nochmal"? fragt der Andere ,der mit dem breiten Fernsehlaecheln, beilaeufig.
Ich tue so als ginge ich in die primitive Falle.
"Zunaechst, auch weil ich da ein paar genaue Hinweise hatte, habe ich an die Sila-Hoehen gedacht, mit den Waeldern den Hirten den Fluessen....."
Die beiden haengen buchstaeblich an meinen Lippen.
"Aber dann habe ich aufgrund eigentlich ganz naheliegender Schluesse das Elsass ins Auge gefasst, und dort insbesonder Mulhouse. Meint ihr nicht auch, dass der Sinn des Lebens sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dort verstecken koennte?"
"Na klar doch" luegt der Senator dreist.
"Unser Forschungsbuero ist zu aehnlichen Schluessen gekommen und gerade desshalb...."
"Ich habe schon zu viel gesagt" unterbreche ich ihn und sehe auf die Uhr. Und waehrend der Senator mit dem Finger schnalzt um den philippienischen Diener zu rufen nutze ich die Gelegenheit, es dem durchtriebenen Parlamentarier mit gleicher Muenze heimzuzahlen:
"Versperrte Tuer, zahnloser Esel und Frauen aus Prato" fluester ich ihm vertraulich zu, "fangen schwerlich Feuer".
Ich verabschiede mich ohne mich weiter ueber das Geschehene veraergert zu zeigen, das ja eine unverschaemte Entfuehrung gewesen ist.
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"Auf Gleis 15 faehrt ab der Trans-Europ-Expres nach Chiasso, Lugano, Zuerich, Baselmit Kurswagen nach Mulhouse, Thionville" kuendigt der Lautsprecher an.
Ich vergewissere mich dass ich noch immer dieses mausgraue Individuum in der kurzen Jacke auf den Fersen habe, das mich beschattet, seit ich aus dem Hotel herausgekommen bin, und vom Zeitungsstand aus eile ich dann zum Zug. Wird Mausgesicht auch einsteigen?............