"Carlos"
Carlos steht atemlos vor dem Eingang in die Arena, vielfältige Laute und Geräusche dringen an sein Ohr. Melancholie beherrscht seine Gedanken, welche seinem verstorbenen Vater gelten.
Don Pedro, wie ihn sein Publikum respektvoll nannte war ein gefeierter Matador. Er starb bei seinem 50ten Kampf. Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit und der bis aufs Blut gereizte Stier erwischte Don Pedro mit urwüchsiger Kraft, riss ihm mit seinem Horn die Brust auf und schleuderte den Torero durch die halbe Arena. Schwerverletzt, mehr tot als lebendig, wurde Don Pedro von eiligen Helfern aus der Arena getragen und verstarb zwei Tage später in den Armen seines damals 15 jährigen Sohnes. Dieses traurige Ereignis veränderte und prägte den jungen Carlos.
Heute ist Carlos 24 Jahre alt und selbst ein erfolgreicher Stierkämpfer. Und just am heutigen Tag steht Carlos seinem 50ten Stier gegenüber. Carlos kämpft anders als die strukturell ausgeübte Form des Stierkampfes. Carlos verletzt den Stier nicht, er reizt ihn mit der blutroten Muleta und ermüdet seinen Toro durch geschicktes Ausweichen. Ohne Hilfe von Picadores und Bandarilleros verrichtet Carlos sein blutiges Werk und fällt den Stier mit einem einzigen blitzartigen und tödlichen Stoß.
Carlos Art und Weise steht außer Konvergenz mit den Ansichten seiner Kollegen und der offiziellen Denke der Veranstalter. Aber das Publikum liebt und feiert den 24jährigen Matador , der alleine durch sein blond gefärbtes Haar aus dem Rahmen fällt.
Als ausgesprochener Genießer von teuren Zigarren, erotischem Tango und seinem Beruf als Stierkämpfer gilt Carlos als Aficionado par excellence. Mit Tango ähnlichen Schritten tänzelt er um seinen Stier herum, tangiert sein Publikum emotional, berührt die Menschen die ihm laut zu jubeln.
Und erst wenn der Stier erschöpft taumelt , seine wilde Kraft langsam versiegt und seine Versuche diesen quirligen Menschen zu erwischen immer harmloser werden, blitzt Carlos Estoque auf und die leicht gebogene Klinge fährt dem Stier mitten ins Herz.
Carlos hat sein Leben dem Hedonismus verschrieben, dem Streben nach Genuss und Sinnesfreuden und der heutige Sieg, in diesem symbolträchtigen Kampf, wird Carlos ein mehr als angenehmes Glücksgefühl schenken.
Das fordernde Rufen des wartenden Publikums wird immer lauter. Carlos Gestalt strafft sich, seine Augen gleichen erstarrten Lavakugeln. Härte, Gnadenlosigkeit und ein tödliches Feuer spiegeln sich in aquamarin blauer Iris. Kerzengerade und gemessenen Schrittes schreitet Carlos voran, sein Degen schlägt spielerisch gegen seinen Oberschenkel und eine unbarmherzige Kraft erfüllt ihn. Der Wille zum Töten treibt den jungen Torero an. Carlos weiß, er wird diesen Kampf gewinnen und damit seinen Vater rächen.
Staub umwölkt den Torero als er die gefüllte Arena betritt. Atemloses, plötzlich erstarrtes und in Lautlosigkeit verharrendes Publikum und genau gegenüber die schwarze Bohlenwand welche sich gleich öffnen wird.
Das Brüllen des Toros ist schon überdeutlich zu hören.....