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Mansharing
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Geschichtenspiel Teil 44

eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ach Teechen,
achte mal drauf in den kulinarischen Erosionszentren.... mein Mot(z)to ist:

Ist der Senfhahn voller Mist,
der Koch ne alte Pottsau ist!

Tom *haumichwech*
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
23 Grad (Gaijin 3.Teil)
Nahezu heroisch zwängte Yukio seinen Kopf durch das Eingangsportal der Hotelanlage. Vorbei an den beiden Feigenbäumen, welche allein nur zu dem Zweck gepflanzt wurden, um jedem Neuankömmling mit ihren ausladenden Kronen Schatten zu spenden. Laut hupend fuhr eine Hochzeitsgesellschaft durch die Hauptverkehrsstraße. Verziert mit einem debilen Grinsen hielt eine Beifahrerin ihr Smartphone durch das geöffnete Wagenfenster und lud einige Quanten Wirklichkeit herunter. Yukio brauchte ein paar Monate um zu verstehen, dass der Europäer die Autohupe grundsätzlich nur zu besonderen Gelegenheiten oder als Hormonschleuder einsetzte.
Sein Kopf schien an diesem Morgen durch nahezu keine Tür zu passen. Kein Wunder nach dieser Nacht.

Eine ruckartige Drehung der Schneekönigin führte zu einem Riss im Kontinuum der Annäherung. Es schien wohl ein Talent der Doitsugo zu sein, beim Trinken den Kopf weit nach hinten zu werfen. Und so verlor sich der Körper der Schneekönigin auf dem knappen Barhocker in eine Pendelbewegung, die in Sekundenbruchteilen zu einem Sturz führen musste. Yukio sprang instinktiv auf. Er verlor sich für einen Moment in diesem Wohlgeruch, den die sichtlich erhitzte Haut der Schneekönigin ausströmte. Dieselbe leichte Rötung der Haut wie bei seiner Nadeshiko in den Momenten der Erregung. Leichte rötliche Flecken wie die vollroten Blütenblätter einer tsubaki, die sich von den verschneiten Hügeln der Schultern in der Ebene des zarten Rückens Akikos verloren.
Ein Ruck durchfuhr den Körper der Schneekönigin. Eine Durchbrechung des Rapports. Wie Tränen rannen die Tropfen des Nikka seinen Leib herunter. Der Blick der Schneekönigin schien indes nicht den unter dem weißen Hemd deutlich hervortretenden Schriftzug des Ramones-T-Shirts als vielmehr die darunter liegende Brustpartie Yukios zu mustern.
Ein Röntgenblick wie seinerzeit aus den eiskalten Augen Ichikos, als diese mit Femenaktivistinnen die Verteidigungsrede zu seiner Doktorarbeit über Ōsugi Sakae´s Freiheitsbegriff stürmte. Diese Überraschung, als er sein Hemd vom Leib riss und sie aufforderte, mit einem großen Pinsel das Wort Femen auf seine Brust zu malen. Sein Doktorvater schien sich seinerzeit mehr darüber aufzuregen als über seine weniger gelungen Ausführungen zur schintoistischen Sittenlehre. Wissensdurstig saugte sie in der Nacht der Untersuchungshaft seine Erzählungen über Adornos Begegnung mit der Nacktheit auf und danach seinen Unterleib aus.
Eine Ableitung des Zufalls? Der Blick der Schneekönigin erschien ihm wie eine Verdächtigung.
Sie schien ab dem dritten Cocktail zunehmend Gefallen daran zu finden, den Boden der Cocktailbar mit Servietten zu bestreuen, welche Yukios durchnässtes Hemd trocknen sollten.
Fern dieser Entrücktheit, die seinerzeit das Licht auf dem schneeweißen Körper Akikos am Flussufer des Arima Flusses auslöste. Yukio wurde erst anhand der Zeichnung in den Arm- und Beinbeugen und an den Innenseiten der Schenkel klar, dass die Schnitte an Akikos Körper nicht von Naburos Ausschweifungen stammen konnten.
Es war wohl allein der Saufkumpanenschaft zwischen Yukio und Naburo zuzuschreiben, dass Yukio zum Shugo tenshi Akikos aufstieg. Immer dann als Schutzengel zur Stelle, wenn sich Naburo über das noch kindlich anmutende Wesen der gerade 18-jährigen lustig machte und sie demonstrativ durch Nichtachtung demütigte, sie zuweilen ohne Vorwarnung aus dem Wagen warf oder sie mit zwielichtigen Kerlen an einem Tisch sich selbst überließ.
Akiko war schnell die Grobheiten Naburos satt. Naburo war ein Magier, wenn es darum ging, sich schwierigen Situationen zu entziehen. Und so war es für ihn ein Leichtes, Yukio nicht nur seine verflossene burikko unterzujubeln, sondern ihn dann auch noch zum Anheuern auf einem portugiesischen Seelenverkäufer zu überreden, der mit einen Ladung Holz unweit der Spelunken in Chinatown auf Reede lag.
Bereits nach drei Tagen Ehe tat sich Akiko mit ihrer Rolle als gonsai schwer. Zu sehr überschattete die Präsenz Ichikos die Flitterwochen. Ichiko schien die Ehe zwischen Akiko und Yukio vordergründig mit einem spöttischen Lächeln abzutun, ließ Yukio indes durch regelmäßige Statusmeldungen wissen, dass sie zum Zeitpunkt seiner Flitterwochen an einem feministischen Kongress in Osaka teilnimmt. So tolerant, wie die beiden das in ihrem erörterten Lebensentwurf proklamierten, war dies bestimmt nicht. Und wo sich die Freiheiten überholen, breitet sich Teilnahmslosigkeit aus. Das Narita Rikon dann eher eine Formsache. Die Scheidung von Akiko nach den Flitterwochen war weniger ein Problem als die Rückzahlung der Mitgift, welche unter den Ausschweifungen Akikos, Naburos und Yukios wie Sand durch die Finger rann.

Während Yukio versuchte, sich der Faszination der sich zunehmend rötenden Haut der Schneekönigin zu entziehen, beeindruckte die Schneekönigin Vadim mit einer Trinkfestigkeit, wie dieser es ansonsten nur aus seiner südukrainischen Heimat kannte. Dem Dreigestirn war klar, dass der nahtlose Übergang zum Portwein mit der Gewissheit eines leidvollen Vormittags am Folgetag erkauft werden würde.
Die Schneekönigin war beim nächtlichen Aufbruch zu sehr mit sich beschäftigt als zu bemerken, das Yukio selbst kaum noch gerade stehen konnte. Die vom Atlantik einfließende Nachtluft kühlte den Verstand der beiden. Ein klarer Moment der Schneekönigin, als sie sein Angebot, ob er sie zum Bungalow eskortieren solle, vehement zurückwies. Scheinbar mehr der Etikette geschuldet bedeutete sie ihm, sie habe Familie.
Er nickte wortlos. Aber sein suchender Blick verriet ihr die unausgesprochene Frage, wo denn Mann und Kinder abgeblieben sind. Sein Blick folgte ihr noch bis zur Eingangstür des Bungalows.
Der Bewegungssensor am Hauseingang flackerte auf und erlosch noch ein paar Minuten, bevor dieser Abend und Yukio vom Dunkel der Nacht verschluckt wurden.

Ōsugi Sakae (jap. 大杉 栄; * tatsächlich am 17. Januar 1885, nach amtlichen Unterlagen am 1. Mai in Marugame, Kagawa; † 16. September1923 in Tokio) war der bedeutendste sozialistische, später anarcho-syndikalistische Aktivist, Publizist und Theoretiker der Taishō-Zeit. Er vertrat eine stark anti-autoritäre Ideologie, die die individuelle Freiheit als höchstes Gut sah. Er wurde am 16. September 1923 in Tokio von Militärpolizisten zusammen mit seiner zweiten Frau Itō Noe und einem Neffen ermordet. Die Bluttat ist als Amakasu-Zwischenfall bekannt.
Von Dezember 1915 bis November 1916 praktizierte Ōsugi Sakae seine Art von „freier Liebe“, dessen Ideen dazu, die auf gegenseitiger Nicht-Interferenz und ökonomischer Unabhängigkeit aller Beteiligten basierten, er bereits in Artikeln 1906 Dōbutsu no ren'ai und 1913 Shuchi to teisō dargelegt hatte, als er neben seiner Frau noch offene Affären mit der feministischen Journalistin Kamichika Ichiko – Mitglied der radikalen Seitō-sha – und gleichzeitig mit Itō Noe (* 1895), zu dieser Zeit Chefredakteurin der feministischen Seitō, unterhielt. Die Dreiecksbeziehung endete, als Kamichika ihm am 8. November 1916 ein Kurzschwert in den Hals rammte und die Luftröhre traf. Sie wurde im März 1917 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
(Quelle: Wikipedia)
*****div Frau
7.980 Beiträge
@**l *bravo*

Wobei ich bei Dir Ghostface echt schlucken musste. Aber das ist so eindrücklich beschrieben, dass ich gar nicht aufhören wollte, zu lesen
******ace:
Röstaromen sind bei Bratwurst Pflicht, aber das Ding sah aus, als hätte ein verblödeter amerikanischer Feuerwehrmann in Pennsylvania einen fetten Tausendfüßler aus den Flammen eines Waldbrandinfernos gezogen.
Guten Appetit! *sabber* *umpf*

@snowqueens Deines erinnerte mich an letzten Sonntag, an dem ich wirklich bewunderte, wie mutig man sich vor der Kamera präsentieren kann.

@Einar_vonPhylen Deine Geschichte katapultierte mich einfach so mal 40 Jahre zurück. Ohne Femen. Aber zu der Japan-Begeisterung einer Freundin. Während unsere Klassenkameraden Haschkekse und Apfelkorn probierten, versuchten wir uns an Teezeremonien und japanischer Geschichte. Aus ihr wurde eine Kampfkünstlerin. Ich trinke heute auch ohne Bedenken Beuteltee *zwinker*

Was ich eigentlich sagen will: ich bin begeistert, wieviel verschiedene Richtungen die Wörter nehmen ...
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ja, es ist
schon beeindruckend, wie die Geister funktionieren. Jede Woche aufs Neue.
@*******ens: Masse ersetzt nicht Klasse. Eine Nackte mit drei Feigenblättern sind eindeutig drei Blätter zuviel *rotfl*
@*******s65: Ich WUSSTE, dass die Kurzschwerter zu irgend etwas nütze sein müssen *lol*

In den Zeiten der Oberflächlichkeit, des Populismus, der schwadronierenden Politiker und sabbernden Potentaten möchte ich, wieder einmal, allen von Herzen danken, die soviel Ideenreichtum, Innovation, bidgewaltige Geschichten und Tiefe der Gedanken zu "Papier" bringen. Das ist meiner bescheidenen Meinung nach die Balance zu den vielen Deppen auf der welt, angefangen bei Donald bis zum Horsti. Einfach *danke*

Tom
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
SUCHE - ein Fragment
Er saß nackt am Flussufer und knabberte an den reifen Feigen. Immer wieder kam er zu diesem Platz und riss sich die Kleidung vom Körper. Nur dabei fand er seine innere Ruhe wieder.

Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Das Tal des Feigenbaumes füllte sich täglich mehr mit Wohlgeruch und dem Geräusch unzähliger Insekten.

Er verfolgte einen Plan. Seit er sich in die alten Schriften vertiefte war es, als ziehe ihn etwas immer weiter in sie hinein. Und seine Fragen wuchsen und vermehrten sich in einer Geschwindigkeit, dass es ihm so vorkam, als würde sein Kopf ständig größer.

Wissensdurstig hatte er die Bibliothek in Jerusalem aufgesucht und mit einem alten Rabbi ein langes Gespräch geführt. Hinterher wusste er etwas von dem Talent die Thora auszulegen und von der Toleranz eines weisen Mannes. Aber das alleine genügte ihm nicht

Im letzten Jahr in Rom, als er zu einer Audienz gehen durfte, war er auch so voller Fragen, doch es kamen keine Antworten. Es gab überhaupt keinen Raum für Antworten.

Wo gibt es diese Antworten? Er blätterte weiter in seinem Buch, grinste als ihm der heroisch abgeschlagene Kopf Johannes des Täufers von einem Teller aus anzuschauen schien. In diesem Moment setzte sich ein Schmetterling auf sein Knie.

War das eine Antwort?
*****div Frau
7.980 Beiträge
*****e_M:
In diesem Moment setzte sich ein Schmetterling auf sein Knie.

War das eine Antwort?

Unbedingt!
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Na logo!
okay, die Schmetterlinge auf Pandora sehen anders aus, die Botschaft ist aber dieselbe!

Supi.....



Tom
red
*******tee Frau
7.150 Beiträge
Algarve/Portugal 2018
Nackt

Nackt - so fühle ich mich. Völlig entblößt und ungeschützt liegen meine Gefühle und meine Nerven offen und reiben ständig an den Erinnerungen von der einen Begegnung mit dir. Wie so oft, wenn ich von meinen traurigen Gefühlen überrannt werde, floh ich auch diesmal, hier her an den Fluss meiner Heimat, nach Trost suchend in der vertrauten Umgebung. Nur hier habe ich das Gefühl so toleriert und akzeptiert zu werden wie ich bin, mit all meinen Fehlern.

Am Flußufer unter einem Feigenbaum sitzend, schaue ich dem Sonnenuntergang zu, der mich immer wieder mit seinem Lichtspiel verzaubert und besänftigt.
Der Wohlgeruch der süßen Früchte des Feigenbaums kitzelt meine Sinne, lässt mich an diesen berauschenden Augenblick zurück denken, als ich bedeckt von deinem Körper in deinen Armen lag und wir uns innig liebten. Deine Haut so süß duftend, wie der Feigenbaum, auf meiner reibend. Der Augenblick als du mich tief in meiner Seele berürtest. All meine Sinne sind in dem Gedanken an diesen Moment gefangen.

Ohne Vorbehalte, offen wie ich bin, ließ ich mich auf die Begegnung mit dir ein. Dein verführerisches Lächeln, deine jugendliche spontane und leidenschaftliche Art ging sofort in Resonanz mit meinen Gefühlen. Dein jugendlicher Wissensdurst, war unersättlich, du wolltest alles von mir wissen, hattest ein Talent mich mit deinen Worten völlig zu verzaubern und mir alle meine Geheimnisse zu entlocken.
Deine Art wie du dich heroisch mir gegenüber verhieltst, mir die Hand küsstest mich fest hieltst, beim Treppen hinabsteigen, den Arm schützend um mich legtest. All das verzauberte mich.
Ein Kuss, eine Umarmung, ein fester Griff und es war um mich und meine schützende Mauer geschehen. Wir verbrachten eine leidenschaftliche Nacht zusammen und du flüstertest mir ins Ohr, das ich die Erfüllung deiner süßesten Träume bin, das ich deine Traumfrau bin und du mich nie wieder gehen lassen möchtest.
Mit diesen Süßen Worten voller Leidenschaft und verliebt sein, verabschiedeten wir uns mit dem versprechen uns bald wieder zu sehen.

Ich sah dich nie wieder. Wir telefonierten noch 2 mal und verabredeten uns ein paar mal, jedoch kam immer etwas dazwischen. Bis irgendwann auch keine Nachricht mehr von dir kam.

Am Flussufer, sitze ich und lasse meine Tränen und meinen Schmerz fließen, ich kann nichts tun, außer die schönen Momenten in meinem Leben in Erinnerung zu behalten. Und mich jetzt an dem glitzern der Sonne auf dem Wasser und dem betörenden Duft des Feigenbaums zu erfreuen.

Nur die, welche nichts lieben und nichts hassen, tragen keine Fesseln. (Siddartha/Buddha)

© Aphroditee 19/07/2018
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
"Conny Harmsen"
"Verdrossen der Seemann einst am Ufer saß, und missgelaunt an seinem Fischbrot aß"

Conny Harmsen, von allen hier kurz Harmsen genannt, musste lächeln. Trotz aller Nackenschläge des Lebens hatte er nie seinen trockenen Humor verloren. Harmsen hatte diesen Vers mal irgendwann gelesen und ab und an katapultierte sein Gehirn die Worte ans Tageslicht.
So wie just im Moment, als Harmsen in der Tat an Bord seines alten Fischkutters "Elke" sitzt, und seine Beine leger über die Reling baumeln lässt. Dabei schaut er sinnierend über den fast verwaisten Fischereihafen seines Heimatortes und die daran angrenzende Förde. Harmsen ist einer der letzten Berufsfischer des kleinen Ostseedorfes, ein Mitglied eines aussterbenden Berufsstandes, seit die Kühltheken der Supermärkte zum Hauptversorger in Sachen Fisch geworden sind. EU - Fangquoten Regelungen tuen dann das ihre dabei um das Fischerleben noch schwieriger zu machen. Internationale Handelsabkommen, was für ein Wahnsinn!

Harmsens Hand tastet über seinen Rücken, Schmerz zeichnet seine Gesichtszüge, blöder Hexenschuss ein Mitbringsel seines Berufes als Küstenfischer., welches Harmsen jedoch heroisch und tolerant erträgt, ohne die Hilfe eines, dieser neumodischen, Quacksalber, im Volksmund Ärzte genannt, in Anspruch zu nehmen. Wütend auf den Amtsschimmel, mustert der alte Fischer das Protestplakat gegen die neuen EU - Bestimmungen, welche den Lebensunterhalt und die Existenz der letzten Fischer in Frage stellen.
Plakativ quer über den Anlegesteg, befestigt an den Fahnenmasten. Regulierung der Dorschfangquote, Schonzeit und internationaler Wettbewerb. Zum Kotzen ist das. Diese Singer - Songwriter und politischen Wendehälse in Brüssel schießt es ärgerlich durch Harmsen Kopf und sein Seemannsbart plustert sich zur igelförmigen Protesthaltung auf.
Früher gab es hier ca. 80 Fischer und alle hatten ihr Auskommen. Heute sind es nur noch drei die mehr oder weniger regelmäßig auslaufen und mühselig ihren, mehr als knappen, Lebensunterhalt damit verdienen. Die anderen Kähne und Boote, abgewrackt oder als stille Zeitzeugen vergessen an der Mole dümpelnd, Relikte eben. Und trotz aller Bemühungen reicht es oft nur für eine lasche Gemüsesuppe und knausern [/b
]gehört zum täglichen Handwerk.
"Die Pest an eure Hälse, verdammte Bürokratenbrut", schimpft der alte Fischer laut. In seinen Gedanken sieht sich Harmsen an Bord seines alten Kutters, unter vollen Segeln, beschleunigen
, eine formidable Wende und eine knallende Breitseite aus imaginären Bordgeschützen in das elende Bürokratennest gejagt!

Ein Schwarm Quallen treibt friedlich am Rumpf der "Elke" vorbei, kontrastiert wunderschön mit dem azurblau gestrichenen Schiffskörper und beruhigt unseren alten, krawalligen Seebären. Harmsen betrachtet die Einzeller wissensdurstig und der Wohlgeruch des Meeres steigt ihm bannig in seine, sonnenverbrannte, Nase.
Salzwasser und Meeresrauschen, Wellenschlag und Sonnenglitzer, Wassergischt und Fischgeruch, das ist Harmsens Welt und diese liebevolle Beschlagnahme lässt sich der alte Mann gerne gefallen. Weit, weit draußen auf seiner treuen "Elke" unter knatternden Segeln, umgeben von rollendem Tauwerk, im Einklang mit dem Meer, da fühlt sich Conny Harmsen daheim.
Harmsen war immer sehr involviert in seinem Beruf und den notwendigen Änderungen der Zeit gegenüber sehr aufgeschlossen. Doch bei allem Talent , diese neuesten Eskapaden der EU - Büttel gefährden nun auch seine Existenz.
Die letzten, der wenigen. Touristen, welche den kleinen. beschaulichen Hafen noch aufsuchen, verlaufen sich gerade. Teils in Richtung Fähranleger oder ins Dorf zu ihren Unterkünften. Rotblühende Abendsonne taucht alles in schimmerndes Licht. Conny wird später auslaufen, alle Vorbereitungen sind getroffen, Kutter "Elke" ist seeklar. Er wird die Nacht auf dem Meer verbringen und auf einen guten Fang hoffen. Dann werden morgen früh Einheimische und einige Urlauber am Steg stehen, warten auf frischen Fisch direkt vom Kutter und die drückenden Sorgen sind für die nächsten zwei, drei Tage behoben.
Ein erhabenes Bild taucht vor Harmsens Gesicht auf. Seine "Elke" mit geblähten Segeln, schäumender Bugwelle und einer langen, im Abendlicht schimmernden Gischt Schleppe am Heck. Harmsens Herz blüht auf, das ist sein Leben und das wird er sich bis zum Schluss zu erhalten wissen, allen Betonköpfen zum Trotz!
Und den abstrusen Gedanken nackt an einem Flussufer unter einem Feigenbaum zu sitzen und irgendwelche drögen Flussfische zu angeln erstickt das leise Tuckern des angeworfenen Hilfsmotors gnadenlos. Harmsen läuft aus, knotige Seemannshände führen das Ruder. Kurs Dorschgründe, vorbei an den grünen und roten Förde Bojen, hinaus auf die offene See.

Friedlich dümpelt die "Elke", nach erreichen der Fanggründe, auf der freien Ostsee, umgeben von ihren Treibnetzen. Zufrieden bemerkt Harmsen wie sich die ersten Fische im Netz verfangen. Leichter Seewind zauset verliebt eisgraues Haar und streichelt Wetter und Seeluft zerfurchte Gesichtszüge. Sternklare Nacht begleitet den alten Seemann und der Friede der Natur wacht über ihn. Erst mit dem Morgentau wird er in seinen geliebten Heimathafen einlaufen!



Kamasutra 19.07.2018
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
Anmerkung
Diese Geschichte entstand nach Inspirationen eines einwöchigen Trips an die Ostsee. Das Plakat gibt es wirklich, den Fischkutter Elke ebenso, nur die Figur des Conny Harmsen ist rein fiktiv. Die Handlung außerhalb der Fakten entspringt meiner Fantasie, aber es war mir ein Bedürfnis über die prekäre Situation der kleinen Fischer zu schreiben. Als dem Meer verbundener Zeitgenosse sind diese alten Boote und Traditionen ein stück maritimer Geschichte, genau wie die Windjammer. Beide stehen seit längerem unter Beschuss, aber ich finde dieses Stück maritimer Vergangenheit im Original mehr als erhaltungswürdig.

Wünsche allen hier eine gute Nacht und einen entspannten Freitag *wink*
*****div Frau
7.980 Beiträge
Eisgeschichten
Wie das Leben so spielt. Die Wörter hatte ich, wie von Aphrodite erkannt, aus Siddartha, eigentlich wollte ich selbst etwas über Indien schreiben. Aber diesen Montag war die Todesanzeige eines Mannes in der Zeitung, die meinen Fingern auf der Tastatur zu einem Eigenleben verhalfen.

Meine Zunge fährt die kalte, nackt wirkende Rundung nach. Langsam beginnen die Rezeptoren in der Zungenspitze aufzudrehen:
Genialer Geschmack, gib uns mehr davon.
Wirklich? Könnt ihr haben.

Ich widme mich den herabstürzenden Tropfen, die sich vorwitzig über den Waffelrand herunter trauen. Meine Augen schließen sich fast automatisch, der Wohlgeruch der reifen Früchte des Feigenbaumes über mir trägt mich rasch fort, verstärkt durch den angenehm plätschernden Solarbrunnen neben mir.
In Gedanken sitze ich an einem Flussufer, die Sonne hoch am Himmel, die Luft flirrt am Horizont. Eine Oase. Bunte Libellen tanzen zwischen den Rohrkolben. In einem kleinen Tempel steht Ganesha, blütengeschmückt, Hesses Siddharta liegt aufgeschlagen auf meinen Knien. Mich umgibt eine Blase absoluten Wohlbefindens…

„Soodele!“, reißt mich die Stimme von Pierres Frau wieder in die Wirklichkeit zurück, hält mir eine Eisschale mit gefühlt 50 Eissorten unter die Nase. „Ich habe Ihnen jetzt einfach meine neuesten Kreationen mitgebracht.“
Fassungslos mustere ich sie: innerhalb von einer Woche ist sie perfekt in die Rolle ihres Mannes geschlüpft, eines kleinen fröhlichen Mannes, immer mit Baskenmütze auf dem Kopf, egal ob bei Minusgraden oder heißen 38 Grad, so wie heute. Selten habe ich jemanden kennengelernt, der sich vom gelernten Schreiner über einen kleinen Gemischtwarenladen binnen eines Jahres so wissensdurstig in eine Materie hinein geschafft hat. Aus dem schnöden Zweifamilienhaus aus den 50ern, erbaut durch seine Eltern, formte er mitten im Dorf seine eigene Oase – sein Eis-Paradies. Liebevoll entstand fast ein kleiner botanischer Garten mit Feigen, Weinstöcken, Palmen und kleinen Brunnen dazwischen. Ein Dorftreff der dem Eisverrückten gegenüber toleranten Gemeinde, wie früher sein Lädchen ein Umschlagzentrum für den Dorfklatsch war. Begonnen hatte er in der heimischen Garage mit Schokolade, Erdbeere und Vanille. Sein bester Freund Franz hatte gesundheitlich bedingt seinen Traum vom Eismann begraben müssen und selbst nach jemanden gesucht, der seine Eismaschinen übernahm. Anfangs wollte Franz Pierre noch Feinheiten beibringen. Aber Pierre hatte ihn schnell überflügelt.

Ich erinnere mich an die erste Eisverkostung. Er nannte sie 2000 und eine Nacht. Er experimentierte mit Honig, Datteln, Feigen, Nüssen, alles was auch Wüstenbewohner glücklich machen könnte. Einzig sein zu Eis gewordenes „Hummus“ war wirklich nicht mein Fall. Gertrude, seine Frau, kam scheinbar mit dieser Entwicklung nicht hinterher. Sie sammelte benutzte Eisbecher ein, führte die Bücher, war eigentlich unsichtbar und bewunderte ihren Mann unendlich. Fast 10 Jahre lang, bis zum vorletzten Freitag. Plötzlicher Herzstillstand nach einer heftigen Grippe. Sie fand ihn in der Eis-Küche, mit dem Gesicht über einem neuen Rezept.

Als wir es in der Kanzlei erfuhren, hielten wir die Luft an. Meine Hand zuckte bereits hinüber zum Telefonhörer, bei Franz anzurufen, als alter Freund, dass er sich um die Witwe kümmern möge und um die Formalitäten. Vielleicht auch wieder beim Eis mitmacht.

Fast heroisch steht sie vor mir. Lächelt ihr feines, kleines Lächeln, in ihrer selbstgewählten Eis-Onkel Uniform. Hat bereits drei Holzspatel tief in verschiedene Eissorten gesteckt – erfrischender Caipi, säuerliche Quitte und Pina Colada, die kokusnussiger und cremiger nicht sein kann. Keiner kann ihr mehr das Talent absprechen, den Laden alleine erfolgreich weiterzuführen.

R.I.P R.M. und meine Hochachtung vor E.M.!

© mariediv 07/2018
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
Die Schilderung der Ereignisse, deine Geschichte gefällt mir sehr gut, ich hatte nur Mühe in den letzten Absatz hinein zu kommen.

.. möglicherweise liegt das an mir und ich habe mich gerade auf dem Zauberberg im Taunus (ehemaliges Sanatorium, jetzt Kunst, Kultur, Gastro) überfressen *lol*

Deshalb: grosses Kompliment!
*****div Frau
7.980 Beiträge
Ich habe selbst Schwierigkeiten, es zu fassen, wie diese Frau aus dem Hintergrund nach vorne prescht und die bereits unheimliche positive Entwicklung ihres Mannes nochmal toppt. Kennst Du den Spruch "Hinter einem erfolgreichen Mann, steht eine starke Frau."? Sie macht gerade alles alleine, schmeißt den Laden, tröstet die Familie...

Leider fehlte mir einfach gerade die Zeit, es auszufeilen.
**********Engel Frau
25.297 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
In meinen Urlaubsreisevorbereitungen (morgen geht's bis Samstag an den Bodensee *freu*) hätte ich jetzt fast die acht Wörter vergessen. *panik*

Da mein dafür Auserwählter meine gestrige Anfrage noch nicht gelesen hat, werde ich nun selbst einspringen.

Schnell mal acht zusammenwürfeln ...

• Regen
• Sommerhitze
• Klimaanlage
• erschüttern
• genießen
• baufällig
• Schifffahrt
• Nachbarin/Nachbar

Es ist zwar noch nicht ganz 20 Uhr, aber wenn ich jetzt anfange zu packen, vergesse ich das womöglich noch. *g*

Viel Vergnügen und Phantasie beim Schreiben! *wink*
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
BIENEN
Soeben hatte ich meinen ersten Bienenkontakt. Nein, nicht etwa irgendwo in irgendeiner Gegend eine irgendwie hergeflogene Biene. Keine zufällige Biene, nein, ein gezielter Bienentermin.

Biodiversivität, Artensterben, Sommerloch, hessischer Vorwahlkampf?

Bis gestern hatte ich mit all diesen Begriffen nichts, aber auch gar nichts am Hut.
Doch dann kam überraschend ein Anruf. Man brauche jemand der Schreiben kann und das möglichst unkompliziert und ja, die eigentlich zuständige Redakteurin sei in Urlaub.

Okay, so leicht kann mich nichts erschüttern. Themengrenzen überschreite ich mit Wonne. Noch heute grinse ich mich weg, wenn ich an die Zeit denke, als mein begabter aber doch auch sehr fauler Sohn wieder mal kurz vor dem Sitzenbleiben im Gymnasium war. Ich dachte damals man könne das mit einem freiwilligen schriftlichen Referat einfach noch drehen. Mein Referat über das Schulsystem in den Zeiten der Französischen Revolution wurde sehr gelobt und gut benotet, der Lehrer fragte an, ob er ein Exemplar für seine Unterlagen haben könnte. Die Jahrgangsstufe musste dennoch wiederholt werden.

Also diesmal Bienen! Unweit der Lahn, hinter einem baufälligen Anglerhäuschen liegt zwischen Schreber- und anderen Gärten ein zauberhaft eingewachsenes Grundstück. Eine Trauerweide taucht am Rande dekorativ ihre Zweige in die spiegelnde Wasserfläche. Gäbe es keine Schifffahrt oder wild gewordene Senioren, die sich in bunten Trikots schreiend in ihren Kanus an Geschwindigkeit und Jugendlichkeit überbieten wollten, es wäre eine Oase der Ruhe.

Nach mühsamer Parkplatzsuche und dem Weg über einen Hindernisparcours aus Schlamm- und Regenpfützen schob ich das knarrende Holztor auf. Hinter einigen Büschen waren alle anderen geladenen Personen schon versammelt. Mehrere Vertreter der Lokalpresse, der regionale Rundfunksender, Fotografinnen, der Vertreter des Umweltministeriums, die Dame der Bezirksregierung und natürlich der Imker.
Trotz der Sommerhitze standen sie entspannt im Halbkreis und schauten vorsichtig distanziert auf
fliegende Bienen am Rande der sechs Bienenstöcke.
Schutzkleidung hing locker über einigen Basaltblöcken, eine Räucherkanne qualmte, Eichhörnchen sprangen durch die Bäume, Nachbarin und Nachbar seitlich von mir waren bereits kräftig am notieren. Ich dachte an meine Klimaanlage im Auto und wie ich sie später genießen würde.

Die versammelte Runde war schon mitten im Thema. Ich hörte den Erklärungen des Imkers zu und notierte:
Bieneninstitut Hessen, Wabenstetigkeit erhöht Vitalität, Ziel ist es sanfte Völker zu züchten. Bienen- Schädling, eingeschleppt von ..... nach.... (muss noch recherchiert werden, hab´ ich leider verpasst, weil Imker irgendwie geil aussieht).
Gerade 1 Volk durch Schädling verloren, Imker seit dem sechsten Lebensjahr!

Nach einigen Fragen und klickenden Kameras wurden wir aufgefordert dicht an die Bienenstöcke zu kommen. Wer wollte könnte einen Schutz... Es wollte niemand.

Ein Bienenstock wurde geöffnet und das Räucherfass geschwenkt. Irgendwie fast katholisch! Bienen flogen überall herum, aber keine fühlte sich bedroht und außer dem Imker (!) wurde niemand gestochen.
Im geöffneten Stock waren zwei Königinnen zu sehen. (Wieso 2, noch recherchieren!) - diese sind registriert und elektronisch erfasst. Europäische Datenbank für Zuchtbienen!

Und alles andere war dann wie bei den Menschen auch. Gewünscht sind starke aber sanfte Völker, Schwarmintelligenz (haha). Doch Vorsicht: Brutkrankheit, Milbe, Volk wird zerlegt, Jahresablauf, veränderte Lebensbedingungen, möglichst große Honiggewinnung, simulierter Schwarm. Schützen durch nutzen?

Ich beschloss meinen Stift wegzupacken, denn nun gab es Kostproben direkt vom Tier, einmal Honig aus der Wabe frisch für alle. Ein sensationeller Geschmack nach Lindenblüten.

Noch einige Fragen und die obligatorischen gestellten Spontanfotos und fertig war die Runde. Der Imker versicherte mir, ich könne alles was er erzählt habe nochmals schriftlich von ihm erhalten und ich dachte mir, sollen die lokalen Presseheinis zunächst mal ihre Texte bringen. Mein Abgabetermin ist erst in vier Wochen.
*******ens Frau
1.893 Beiträge
Bienen...
Ich liebe Honig! Mein Großvater war Imker und immer wenn ich in den Ferien bei meinen Großeltern zu Besuch war, konnte ich stundenlang neben ihm und seinen Bienen hocken und den Erzählungen meines Großvaters zuhören. Neugierig kostete ich jede Sorte Honig, den seine emsigen Bienchen sammelten. Raps, Lindenblüten... was für Blüten haben die Bienen noch gesammelt? Ich erinnere mich an vieles, als ob es gestern war, an das nicht.

Und heute? Heute bekomme ich meinen Honig immer noch von einem Imker. Doch den Geschmack der Kindheit kann er mir nicht wieder bringen. Ich vermisse meinen Großvater.

Seit Wochen leidet das Land unter einer Sommerhitze. Nicht einmal unsere Klimaanlage im Haus schafft es gegen diese hohen Temperaturen zu kämpfen. Die Erde lechzt nach Regen! Sogar die Schifffahrt auf dem Main musste eingestellt werden, weil die Wasserpegel zu niedrig sind.

Aber das kann die Bienen im Garten meines Nachbarn nicht erschüttern. In einer baufälligen Schäferhütte auf der Streuobstwiese haben sie ihr neues Zuhause gefunden. Jeden Morgen betrachte ich ihre emsigen Flüge. Sehe, wie sie mit dick beladenen Beinchen voller Pollen wieder zurück kommen. Erfreue mich am Gesumm in meinem Garten und stelle Zuckerlösung und Wasser auf, das dann doch meistens von den Wespen getrunken wird.

Ich kann es kaum erwarten, sehe meinen imaginären Großvater mit Hut und Pfeife jeden Tag am Wagen nach dem Rechten schauen. Erinnere mich an den Flügel einer Möwe, mit dem er die Bienen von den Waben strich. An seine rauen Hände und seine ruhige Stimme: "Mach bitte nie eine hastige Bewegung Darling!"

Irgendwann im Herbst werde ich den Honig dieser Bienen in den Händen halten. Ob es wieder so gut schmeckt wie damals? Ob ich ihn anders genieße?
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
snowqueens
Habe gerade meinen Einkaufszettel für morgen ergänzt...…… Honig muss her

Dankeschön für diese wundervolle Geschichte *sonne* *blumenschenk*
*********2016 Mann
2.250 Beiträge
"Mietskaserne im Ausnahmezustand"
Der Klimateufel hält die, uns wohlbekannte Mietskaserne Moabit und die darum herum liegende Stadt in festem Griff. Wüstenwind und Sommerhitze trocknet alles aus. Mensch und Tier lechzt nach Trinkbarem, die Pflanzen sehnen sich nach Wasser und die Bäume werfen ihre Blätter ab, als wäre es schon Herbst. Im Haus dräut stickende Schwüle, verdrängt die Menschen hinter geschlossene Rollos. Die Flure sind wie ausgestorben, die Nachbarn verharren in ihren Wohnungen. Nur B.O.C, der alte Schauinsland ignoriert die lähmende Glut. Im durchgeschwitztem Unterhemd und seiner knallroten 70er Sporthose thront er unbeugsam auf seinem Beobachtungsposten. Seine üblichen Accessoires ausgebreitet auf der baufällig erscheinenden Fensterbank. Grand Marnier, Bertram Ottos Leibgetränk und BW-Feldstecher glitzern im Sonnenglast. Kladde und Bleistift liegen griffbereit. Flimmernde Hitze drängt durch das geöffnete Fenster.


Aber erstmal ein Schlückchen Marnier, letztendlich soll auch die heutige Erhebung des gichtgeplagten Ruheständlers in dem gewohnten Niveau stattfinden. B.O.C kann eben nichts erschüttern . Sein Blick wandert gen Himmel, strahlendes Blau, kein Wölkchen weit und breit, wie schon seit knapp fünf Wochen. Regen wird noch längere Zeit auf sich warten lassen und auch der Wetterbericht spricht von fortwährender Hitze in den nächsten Tagen. Einige wenige, die ihre Tage dem süßen Nichtstun gewidmet haben, wie zum Beispiel Knut Haffke, der Karnevalsfreak aus dem Obergeschoss, genießen dieses Wahnsinnswetter durchaus. Und noch ein edles Tröpfchen, man soll ja viel trinken in der Bullenhitze. Entzückt leckt sich B.O.C über seine Lippen. Ein kleiner Nachschlag darf noch sein.

Ratternd, einem altersschwachen Hubschrauber ähnlich, verwirbelt Alis Klimaanlage stehende Luft in dem, in der Sonne backendem Betonquadrat. Der türkische Kiosker ist ein Anlaufpunkt in der Straße und kommt kaum mit kalten Getränken und Schleckeis nach. Und damit ein zentraler Punkt für B.O.Cs Neugier. Gewissenhaft werden die wichtigen Ereignisse festgehalten und Bertram Ottos Bleistift kratzt seitenfüllend über das feine Papier. Kiewittke kauft drei Flaschen eiskaltes Bier, und das am Vormittag. Die Müllers aus dem zweiten Stock schicken ihre Kinder schon zum zweiten Mal Eis holen. Pastelka von gegenüber schleppt einen Beutel Crusheis und die hübsche Blonde aus dem Haus Nr.17 sonnt sich im weinroten Bikini auf ihrem Balkon.
Aus dem Fenster über Bertram Otto Clasen dröhnt die Stimme seines Lieblingsmieters Rickmann, anscheinend telefoniert der Vollpfosten mit dem Wasser Amt um Auskünfte über die hiesige Schifffahrt einzuholen. Als ob auf der Pfütze nach dieser langen Trockenzeit irgendetwas mehr als ein Ruderboot fahren würde. "Rickmann telefoniert". Gewissenhaft wird auch diese wichtige Einzelheit festgehalten. Ein dritter und vierter Marnier, schnell hintereinander weg, auf diesen blödsinnigen Rickmann kann B.O.C gar nicht genug trinken, und nochmal eingeschenkt...… und als die Straße in der größten Mittagshitze ausstirbt, sogar die Buchenblattläuse in der Buche neben Bertrams Fenster die kleinste Bewegung einstellen. Jeglicher Verkehrslärm wie auf ein geheimes Kommando versiegt, da bettet sich B.O.Cs Kopf, müde vom anstrengenden Vormittagsdienst, huldvoll auf seine aufgeschlagene Kladde. Nebulöse Erinnerungsfetzen lassen B.O.Cs Rechte sinnlose Bleistiftkritzeleien auf unschuldiges Papier auftragen.


Kamasutra 24.07.2018
**********hylen Mann
1.141 Beiträge
@Odette und @snowqueens
Welch süße Reminiszenzen im auslaufenden Honigmonat... *hutab*
*****div Frau
7.980 Beiträge
Bienen sind wichtig und goldrichtig.

Vielleicht sollte B.O.C. auf Honigschnaps umsteigen? Wobei ihn das auch nicht retten würde
*********2016:
...da bettet sich B.O.Cs Kopf, müde vom anstrengenden Vormittagsdienst, huldvoll auf seine aufgeschlagene Kladde.

Bei mir stehen die Blockwarte in der Strasse im Vorgarten. Gerne mit Strassenbesen in der Hand zum Abstützen. Die haben nur den Nachteil, kein Platz für ein Fläschchen.
Nicht nur dry Wochen Wort - das ganze Leben!
Seit der Breitseite von Freundin, die zu einem meiner Arbeitskollegen gewechselt ist und dem Megahexenschuss nach der Frühjahrsgrippe wäre es angebracht, dass jetzt langsam mal wieder ruhigere Zeiten anbrechen. Sie schafften es, mich nachhaltig bis ins Mark zu erschüttern.

Ob das mit der behaglicheren Zeit klappt, wage ich alledings zu bezweifeln. Zwar sorgt die Sommerhitze für Entschleunigung, doch ich kann mich unabhängig von Frauen, Geld und Wetter jederzeit so in Drehung versetzen und beschleunigen, dass es mich schwuppdiwupp aus jeder emotionalen Kurve herausträgt und jedes Genießen des Augenblicks ein abrupptes Ende erfährt.
Die Beschlagnahme aller meiner Ressourcen durch das Abspielen alter Leiern klappt in Sekundenbruchteilen. Bis es dann mein heroischer Singer-Songwriter aus diesen Untiefen wieder ans Flussufer geschafft hat und er noch triefnackt und außer Atem bibbernd ein neues Lied hervorzaubert, bis neue Triebe sich regen und die zu tief eingestellte Klimaanlage von Frost auf tolerantere Temperaturen springt, blickt meine gestresste Seele aus irren, unstet durch die Umgebung huschenden Augen und sucht fast panisch einen nicht vorhandenen Fixpunkt.

Jaja - zu Selbstboykott und Selbstdemontage habe ich das größteTalent. Schon immer. Geht schlimmer.

Doch.
Ich bemerke gerade, dass.

Ich bin es wohl nicht immer alleine, der sich das Bein stellt!
Es scheint, als sei da dann doch immer ein kleiner Gnitz mit involviert (der Gnitz im Augenwinkel ist der kleine Bruder des Schalk im Nacken). Der frägt meine spirituellen Lehrer über, neben und unter mir extra doofe Sachen mit Ä-Punkten und schreibt Schiffffahrt mit vier Ef, damit es denen auch ja nicht langweilig wird. Er ist halt extrem wissensdurstig, nicht gerade zimperlich und mag mit derlei tricky Beinstelllaktionen nicht knausern.


Was das mir bringt?
Normalerweise ist mir der Gnitz im Augenwinkel des Gegenüber ein untrügliches Zeichen für wenigstens einen Rest Lebendigkeit. Auch wenn derjenige sonst schon wie ein frühberenteter Traditionsroboter wirkt. Ich merke gerade, dass ich diese Einschätzung dringend noch einmal überdenken muss. Denn die Frage ist gut!

Was bringt mir mein Gnitz?

Nun - jetzt gerade muss ich das Wort Schifffahrt noch einmal schreiben, dass meine Lektoren wieder ruhig schlafen können. Andererseits erinnert mich diese Strategie ununterbrochen daran, dass mein Fundament an manchen Stellen noch baufällig ist und wiederholt meiner liebevollen Aufmerksamkeit bedarf.

Manchmal könnte ich dem Gnitz allerdings seinen unnötigen Buchstabenrotz zusammen mit meinen tränennassen Taschentüchern in seine vorwitzige Nase zurückstopfen. Damit er sie nicht in jede meiner Angelegenheiten steckt. Vor Allem, wenn ich ihn nicht darum gebeten habe! Dass er mir auch ab und an ein paar Augenblicke mehr Wohlgeruch und Lust am fleischlichen unbeschwerten Leben unterm Feigenbaum zugesteht.
So jedenfalls stinkt es mir gewaltig. Er ist fast schon so wie ein neidischer Nachbar, der mir nicht einmal das Salz in der einfachsten Gemüsesuppe gönnt, obwohl er selbst jeden Tag T-Bone-Steaks grillt.

Das muss jetzt ein Ende haben! Ausrufezeichen! Doppelt und Dreifach!!!


Auch weil und wenn mir jetzt die Wort ausgehen:
Für den Gnitz gilt auch die Gedankenverkehrsordnung! Rot heißt Stopp! Und wenn Autofahrer Punkte dazugezählt bekommen, wenn sie Halteignale mißachten, gilt für Gnitze und Schalken ab ab heute gleichermaßen:
Jede unnütze Seelen-Quälerei, die auf ein überfahrenes Stopp folgt, entziehe ich euch einen Buchstaben.
Als Nitz und Schal könnt ihr mir sicher etwas weniger Unbill bescheren. Bei positiven Effekten eurer spontanen Interventionen können wir gerne über Buchstaben-Rückerstattungen verhandeln.
Aber wehe, ... !
Lobgehudl
@******tra
Hoffentlich treffe ich dich bevor wir ins Heim kommen oder du mittags auf deiner Kladde einschläfst ... *panik*

@******een
Dein Opa wäre ich gerne ... *ja*

@****te
Dich täte ich sofort als Chef-Lokalredakteure einstellen. Und als Politesse für deine Politsatire mit Scharfblick und Raffiinesse! *bravo*
Olove
erste Sahne!! *top*
*****e_M Frau
8.371 Beiträge
Danke Olove für das Jobangebot *freu* und danke für deine Geschichte, die ich, das gebe ich offen zu, zweimal lesen musste um sie zu verstehen, denn bei gefühlten 50 Grad in meiner Dachwohnung ist der gesamte Organismus im Sparmodus und selbst der Retroventilator verwirbelt nur, hilft aber nix ächz/stöhn/schwitz.....

Ja, also KOMPLIMENT für das schriftliche Innereien auspacken... und grossen RESPEKT für das kunstvolle Wortverpacken!
Wegen Überfüllung geschlossen
Dieses Thema hat die maximale Länge erreicht und wurde daher automatisch geschlossen.

*geschlossen*


Wir möchten uns an dieser Stelle für die rege Beteiligung bedanken. Und hier geht es natürlich gleich weiter:
Kurzgeschichten: Geschichtenspiel Teil 45
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