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Geschichtenspiel_Teil_41

******nyx Frau
1.322 Beiträge
Hurenpass und Bockschein
3 Tage, 3 Städte, 3 Blickwinkel auf Sex als Ware.

Diesmal konnten an der Schreibfutterluke – Banane, Silberfisch, Diesel, abgebrüht, Suppe, Ventil, Milchglas und messerscharf – als Rohstoffe zur Zubereitung abgeholt werden. Ohne dass ich es wirklich verhindern konnte, geriet ich an Plätze, an denen die eigene Haut zu Markte getragen wird.

Was soll ich sagen, das Ding entwickelte sich und mir platzte damit ein Thema heraus, das mich schon geraume Zeit beschäftigt und auf die Palme bringt: Das neue, sogenannte Prostititions„schutz”gesetz.

Die Buchstabensuppe rührte sich zudem in Gestalt eines Szenen- und damit Perspektivwechsels an und wollte in zwei Portionen dargereicht werden.

Angesichts des sozialpolitischen Inhalts verzögerte sich das Einstellen von Teil 1. Seht mir bitte nach, wenn Teil 2 nun fürs einwöchige Spiel vernünftigerweise deutlich ein paar Tage zu spät kommen und diese Story auch nicht hier im Geschichtenspiel stehen wird.


Dank der positiven Entscheidung unseres Moderatorenteams kann dieses Thema nun offen kommentierbar im JOY gepostet werden und bekommt Asyl im Hauptbereich der Kurzgeschichten.

*herz*lichen Dank Euch Dreien für Euer Engagement!


*spanner* --> Kurzgeschichten: Hurenpass und Bockschein
**********gosto Frau
16.048 Beiträge
Die Entdeckung
Banane
Silberfisch
Diesel
abgebrüht
Suppe
Ventil
Milchglas
Messerscharf


Die Sonne legt eine diesige Wolkensuppe wie Milchglas über die sonntäglich stille Stadt. Im Frauen-Fitnessstudio dringt aus dem Nebenraum ein messerscharfer Kommandoton, peitscht die Kursgruppe der eigenen Jugend nachhechelnder Mädels vorwärts.

"Zehn! Neun! Acht! …"

Jorind lächelt. Sie hat sich längst aus diesem Workout-Wahnsinn verabschiedet. In ihrem Alter, findet sie, hat sie es nicht mehr nötig, mit Zwanzigjährigen zu wetteifern. 'Das Leben hat mich aufgeklärt und abgebrüht', denkt sie, 'ich brauche kein Ventil mehr, um Frust abzulassen.'

Catch, drive, finish, recover, catch … Die Beine stemmen sich gegen die Fußstützen und drücken den Körper nach hinten. Die Arme vereinen ihre Energie, kraftvoll und gleichmäßig ziehen sie die Ruder durchs Wasser.

In Gedanken gleitet Jorind über den Haselbacher See. Das Holzhäuschen des Biergartens am Ufer schrumpft zu Spielzeuggröße. Vom Dieselgenerator weht ein Brummen herüber. Unter der Wasseroberfläche schießen Silberfischchen hin und her.

Ein Blick auf das Display. Zwanzig Minuten. Zeit für eine Pause. Sie bremst den Bewegungsfluß, nimmt die Füße aus den Haltegurten und greift sich die Getränkeflasche. Vanilla-Banane, denkt sie, nuckelt am Strohhalm und wischt sich mit dem Handtuch übers Gesicht.

Sie hat das Rudern für sich entdeckt.
It´s me!
*********ld63 Frau
8.205 Beiträge
Wunderschöne ...
... Alltagspoesie, liebe luccioladagosto, und das in der Atmosphäre eines Fitness-Studios! *spitze*

Und auch diese Woche wieder: Was für herrlich bunte, wundervolle Geschichten! *love*

*bravo* Into
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Willkommen an Bord
Da hat jemand nicht nur das Rudern, sondern auch das Geschichtenspiel für sich entdeckt, wie mir scheint
*anmach*

„Unter der Wasseroberfläche schießen Silberfischchen hin und her.”
„Catch, drive”
... Fisch, silbrig ... „catch” ,-)

Schöne Alltagsbeobachtung, luccioladagosto
*bravo*

Finde ich toll, dass Du mitmachst (und sollte mich jemand fragen: Ich bin ein bekennender, großer Fan des Spiels und finde, man kann hier sehr viel ausprobieren und lernen fürs Schreiben)
*******y42 Mann
1.027 Beiträge
Soohooo!
Direkt beim Radeln um den Bodensee ereilte mich der Ruf des Engels, mal wieder die acht Begriffe für eine neue Runde unseres famosen Geschichtenspiels beizutragen.

1 Windschatten
2 Adlatus
3 FKK-Strandbad
4 Selfieautomat
5 Leuwagen
6 Alefanz
7 saumselig
8 retirieren

Nr 6 und 7 haben es mir dabei besonders angetan.
Aber wer von Euch kann sich noch daran erinnern, was ein Leuwagen ist oder war?
Meine Oma jedenfalls hatte einen...
Ich wünsche Euch viel Spaß.😊
**********henke Mann
9.653 Beiträge
Einen...
... Leuwagen kenne ich natürlich - meine Oma hatte auch einen.
prüfend
*********tMut Frau
2.105 Beiträge
Oh je...
Google fragen gehe... *bye*
**********gosto Frau
16.048 Beiträge
Die Alefanzin
Sketche für Bad Weisheit (27)

Die Alefanzin

Luccio
Tati! Tati! Trau dich aus dem Windschatten!
Du musst mir heute den Adlatus spielen!
Ach, na endlich! Du bist ja reichlich saumselig.
Wohin hattest du dich denn retirieret?

Tati
Geht's noch? Wie redest du denn? Ach, sag nichts,
Ich kann's mir denken: Dir hat die Pfirsichbowle
Mal wieder das Gehirn vernebelt und deinen Geist
Auf eine antiquierte Sprachebene katapultiert.

Luccio (kichert)
So ganz Unrecht hast du nicht. Die Sache lässt sich
Nur mit ein paar Gläschen intus überstehen!
Hier ist das heutige Kalenderblatt, schau her!
Hör doch: Heut ist der Tag der seltenen Wörter!

Tati
Na und? Und wieso brauchst du mich dazu? Soll ich
Auf deinen Hund aufpassen, bis du in Ruhe den
Nächsten Text zuende verbrochen hast? Oder etwa
Mit dir einen heben? Du weißt doch: kein Alk für mich!

Luccio
Jetzt stell mal deinen Leuwagen in die Ecke und komm
Ins FKK-Strandbad mit mir! Dort steht ein Selfieautomat,
Mit dem wir ein tolles Bildchen von uns machen können,
Ganz nackich alle beide, das ist der neueste Partygag!

Tati
Was träumst du nachts? Ich soll ein FSK18-Bild von mir
In ein Web-Album hochladen lassen, wo jeder Wichser
Mich begaffen kann? Das schmink dir mal schnell ab!
Von allen deinen Einfällen ist das ja wohl der blödeste!

Luccio
Und du bist die größte Spielverderberin der Nation!
Warst auch noch nie in meiner neuen Kneipe, obwohl
Ich extra für dich Johannisbeersaft gebunkert hatte!
Ich sag dir, was du bist: die reinste Alefanzin!
It´s me!
*********ld63 Frau
8.205 Beiträge
luccioladagosto: *top* *lol*

(Ich hab noch nicht mal alle Wörter gegoogelt... *tuete* )
Ganz nackich alle beide, das ist der neueste Partygag!

Ich frag lieber nicht... *haumichwech*
erfrischend!
*top*
*******y42 Mann
1.027 Beiträge
Der Selfieautomat im FKK-Strandbad...
Großartige *idee*.😂
******nyx Frau
1.322 Beiträge
„Ich sag dir, was du bist”
luccioladagosto, nicht ganz dicht, ähm, ein Gedicht.
Auf jeden Fall „die reinste Alefanzin!”
*bravo*

Mir hat wohl auch „die Pfirsichbowle das Gehirn vernebelt” und ich seh's wie Du:
„Die Sache lässt sich nur mit ein paar Gläschen intus überstehen! ,-)
****orn Mann
11.971 Beiträge
Leuwagen? Das seggt mi was. Fehlt nur noch der Feudel!

*ggg*
**********henke Mann
9.653 Beiträge
Grange - Platt
Grange drehte sich um und zuckte verwundert zurück. Anstatt zwei Schlapphüten im Lodenmantel standen Baggy-Pants-Träger mit schief sitzenden Basecaps vor ihm. Im ersten Moment wollte er noch „Yoooh, Maaaaaaan“ sagen, verkniff es sich aber lieber. Im Windschatten der beiden – weder der Boss noch sein Adlatus hatten sich vorgestellt – lief er über den Parkplatz zu einem Nebeneingang des Interpol-Gebäudes. Irgendwie erinnerte ihn dieses Haus an die Agentur für Arbeit Berlin-Süd in der Sonnenallee. Ob der gleiche Architekt....?

Der Kommissar betrachtete seine Begleiter etwas genauer. Der Chef – der, der gesprochen hatte – war einen halben Kopf kleiner als er selbst und wirkte oberhalb der Hüften drahtig. Grange hätte ihm ohne weiteres weglaufen können auf freiem Feld, zumal auch der zweite nicht über die Gaben des Infanteristen zu verfügen schien. Aber hier war kein freies Feld.

Was Grange verwunderte, war, dass sie in einen Keller hinabstiegen, in einen Keller voller Gerümpel. Ein Selfieautomat stand verlassen da, Rohre lagen herum und an Türen lehnten saumselig vergessene Möbelruinen. Nach der fünften Tür, die seine Begleiter alle mit dem gleichen vorsintflutlichen Schlüssel mit Bart öffneten, gelangten sie in einen Raum, der beim besten Willen nicht Büro genannt werden konnte.

„Wie heißt dieses Gerät?“

Ohne eine Überleitung kamen seine Kerberoi zur Sache. Der längere hielt einen Schrubber in den Händen und zeigte damit bedrohlich auf den Kommissar.

„Das ist ein Leuwagen!“ Grange warf einen dankbaren Blick in die Himmelsrichtung, in der er seine Herrin vermutete und hielt die Luft an.

„Wo is dit FKK-Strandbad in Zinnewitz?“

Hier wurde ein Spiel gespielt, Grange wusste nicht welches, aber er beschloss mitzuspielen:

„Glieks hinnern Kehmping-Plåtz!“

Seine beiden Bewacher schauten sich an. Der kürzere nickte dem langen zu und verschwand im Nebenraum. Er kam nach Sekunden ohne die affige Ami-Mütze und in Zinnowitzer Fischertracht zurück, der Chef warf sein Basecap auf den Boden und zerrte seinen Hosen über die Hüften.

„Wi wulln kien Alefanz mit juch måken! Se künn’n alltid retiriern. Künn wi op di tälen?“

Egal was es war – er würde zusagen. Bisher war alles, was in einem Keller begann, eine wunderbare Schnurrpfeiferei geworden und er antwortete im besten Platt, das er konnte:

„Joh, dat künnt ju!“
Hallo ihr Nordlichter
Leuwagen sagt mir gar nichts, hatte zuerst Leihwagen gelesen und dann glaubte ich an einen Tippfehler.😊
Na wartet, wenn ich dran bin. Dann gibt es typische Begriffe aus dem Rheinland.
Kappes, Knies und Klüngel

Aber ich habe es kapiert, scheint ein Schrubber zu sein.

Liebevolle Grüße

Mata😉
Dankeschön
Luccioladagosto

Ein herrlicher Somnertag begrüßt mich und deine sonnige, köstliche Geschichte, ein heiterer Tagesbeginn.


kamelienschenke

Und mit spannender Unterhaltung geht es weiter. Ich liebe deinen Inspektor Grange. 😍

Matamateo
It´s me!
*********ld63 Frau
8.205 Beiträge
Lakonisch und elegant, ein wenig düster und im Grunde seines Herzens doch romantisch:
Kommissar Grange ist jeder noch so absurden Situation gewachsen! *top*

Egal was es war – er würde zusagen. Bisher war alles, was in einem Keller begann, eine wunderbare Schnurrpfeiferei geworden und antwortete im besten Platt, das er konnte: „Joh, dat künnt ju!“

Und das Platt steht ihm gut! *lol*
*******y42 Mann
1.027 Beiträge
@Kamelienschenke
Mien Jung, dat häst goad mokt.
Dann kümmt wohl de Herr Kommissär baldigst wedder ans Togeslicht.
**********Engel Frau
25.372 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich liebe Grange! *bravo*
Eine gar köstliche Wendung. *zwinker*

Mit den Geschichten davor der letzten Tage hänge ich noch hinterher, dauert noch a bisserl. *g*
*******nd29 Mann
702 Beiträge
Verzweiflung
Wörter sind das – da geh isch hirntot. Viel wurde auf dieser Basis ja noch nicht geboten. Kamelienschenke hat genial aus der Hüfte geschossen. Meine Chance wäre sich in seinem Windschatten zu bewegen. Nun möchte ich sunnyday42 nicht zu nahe treten, aber was in der Welt ist ein Selfieautomat? Mir scheint das einer nicht ernst gemeinten Patentschrift entnommen zu sein. Mir fehlt wohl die Alefanz um aus dem Gegebenen etwas Brauchbares zu gestalten und nicht saumselig zu retirieren. Sehr irritiert bin ich bereits vom Leuwagen, der Bestandteil eines Segelbootes sein kann, mir jedoch auch in meiner Hand dazu dienen kann, das Deck zu schrubben. Ein dahergelaufener Adlatus könnte mir vielleicht die Arbeit abnehmen aus dem Salat noch ein vernünftiges Gedankengebilde zu machen. Hingegen würde ich mich gerne in das FKK-Strandbad zurückziehen, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen.
******nyx Frau
1.322 Beiträge
Der Untergang ,-)
prickelnd29
Wörter sind das – da geh isch hirntot.
*top*

Lach mich scheckig! Wie recht Du hast. Würde sunnyday42 ja gerne einen saumseligen Windschatten und zu viel FKK-Strandbad am Boden(see)satz attestieren, aber der Typ hat heute ...

> Geburtstag (Glückwunsch *blumenschenk* *kuss2*) ...

und so kriegt er nur den Feudel vom Adlatus mit 'nem Kuss (Knoblauchfahne *anmach*) für die unmöglichsten Wörter um den körpermittigen Leuwagen geschleudert, dass er sich sein Retirieren in einigen Jahren jetzt schon vorstellen kann. Das wollte ich heute früh – verwuschelt vor meinem Zahnputz- und Selfieautomaten stehend (Badezimmerspiegel ,-) – schon loswerden, aber da war ich noch mit Ale- und Firlefanz beschäftigt.


Das Boot ,-) *haumichwech*
It´s me!
*********ld63 Frau
8.205 Beiträge
Die Abwesenheit von Sonne
Die Abwesenheit von Sonne

September 1969: Wie ein grimmiger Moloch breitet sich das imposante Industriegelände um das alte Kohlebergwerk vor ihm aus. Mit seinen finsteren, rußgeschwärzten Nebengebäuden nimmt es fast den gesamten Horizont ein. Kein Mensch weit und breit, nur ein schäbiger, alter Leuwagen lehnt vergessen am Eingangstor. Der typische Geruch von Kohle liegt noch immer in der Luft, doch die Maschinen sind längst verstummt, die Werkhalle verlassen.

An einer geschützten Stelle hat Georg sein Stativ aufgebaut. Er wartet schon einige Zeit im Windschatten auf eben diesen Moment, in dem sich ein paar Wolken vor die Nachmittagssonne schieben. Das Licht verändert sich, wird diffus und weich. Er sieht durch den Sucher der Kamera und stellt die Entfernung neu ein. Die pittoresken Sonnenflecken auf den Backsteinmauern der Zeche verblassen langsam, das Spiel von Licht und Schatten auf den blinden Fensterscheiben erstirbt. Der alte Förderturm wirkt im Zwielicht der einsetzenden Dämmerung noch plastischer. Nichts lenkt mehr ab von der schlichten Eleganz seiner Formen, die ebenso zufällig wie wundervoll ist.

Dieses Zeitdokument gilt es festzuhalten, denn bald schon könnte es verschwunden sein. Zuerst dem Verfall, dann dem Abriss anheim fallen und für immer in Vergessenheit geraten. Doch das wird er, Georg, verhindern, das ist sein erklärtes Ziel, ja, seine Berufung.

Er macht einige weitere Aufnahmen, verschiebt mehrfach die schwere Plattenkamera, um das Objekt in gleichmäßigen Winkeln von allen Seiten aufzunehmen. Einzelne Schweißtropfen rinnen von seiner Stirn in die Augen. Er richtet sich auf und nimmt die Brille ab, wischt sich mit einer unwirschen Bewegung über das Gesicht. Dann wechselt er die Fotoplatte aus für eine weitere Serie von Aufnahmen.

Beim Fotografieren vermeidet er jede künstlerischen Effekte, die gerade so in Mode gekommen sind, wie die Überbetonung von Details, Verzerrungen der Perspektive oder expressionistisch anmutende Kompositionen. Das Objekt soll für sich selbst stehen. Wie gern möchte er die Fotografie von ihren romantischen Auswüchsen befreien! Oft genug fühlt er sich wie ein Rufer in der Wüste, weil er nach strengen Regeln arbeitet, die er sich auferlegt, um sich einer dokumentarischen Objektivität anzunähern.

Viel Zuspruch und Anerkennung hat er bisher nicht für seine Arbeit geerntet, geschweige denn, dass ihn sein karges Einkommen ernähren könnte. Doch das interessiert ihn nur am Rande. Für Georg gibt es nur eine Person auf der Welt, auf deren Meinung und Rat zählt und deren geschultes Auge er schätzt: das seiner Frau Hiltrud, die ihn auf seinen anstrengenden Missionen begleitet. Von Anfang an war sie eine der wenigen in der Düsseldorfer Akademie, die seinen Blick für Sachlichkeit verstand und teilte.

Außerdem weist seine kluge Frau neben ihrem Fachwissen eine Kommunikationsfähigkeit auf, die ihm völlig abgeht. Sie ist es, die mit den Fabrikbesitzern um die Genehmigungen verhandelt, um die Industriebauwerke fotografieren und katalogisieren zu dürfen. Solch Alefanz überfordert ihn völlig, die entsprechende Diplomatie ist ihm einfach nicht gegeben. Doch es geschieht immer wieder, entgegen Hiltruds geschickter Interventionen, dass sie mit ihrem roten VW-Bus umsonst anreisen, und sich gezwungen sehen, frühzeitig wieder zu retirieren. Ihre Anwesenheit wird von den Industriebossen nicht gern gesehen. Oft werden sie nur widerwillig geduldet.

Ebenso wenig hat Georg Interesse daran, sich der Kunstszene „anzubiedern“, wie er es nennt, und seine Fotografien wie Sauerbier anzupreisen. Es liegt ihm nicht, sich zu verkaufen. Dank Hiltruds Talent, Verbindungen und Beziehungen aufrecht zu erhalten, gibt es nun die ersten Ausstellungen seiner Werke. Er weigert sich allerdings standhaft, zur Vernissage anzureisen, weil er sich für eine „Bespaßung für Neureiche“ nicht von seiner Arbeit abhalten lassen will. Er hat ohnehin weder Lust noch Nerven, mit Menschen über seiner Fotografien zu diskutieren, deren Horizont sich auf das Niveau von Effekthascherei in Selfie-Automaten-Manier beschränkt. Was für eine Zeitverschwendung!

„Georg, du bist unverbesserlich! Ein wahrhaft Besessener!“ kommentierte Hiltrud seine Entscheidung lachend, und bei der Erinnerung daran wird ihm warm ums Herz. Weiß er doch, dass es gerade seine Hartnäckigkeit, ja, seine seine Passion ist, die sie besonders an ihm schätzt und liebt.

Die Sonne hat sich durch den verhangenen Himmel gekämpft. Geblendet vom Licht, reibt er sich die Augen und streckt seinen schmerzenden Rücken. Von Ferne sieht er, wie Hiltrud ihm über das Fabrikgelände entgegen kommt. Ihr helles Haar erinnert ihn an ein Weizenfeld im Sommer, an lange, zärtliche Nachmittage in saumseliger Muse. Sie winkt ihm zu und beschleunigt ihre Schritte. Die nackten Arme und Beine sind braun gebrannt und bilden einen reizvollen Kontrast zum ausgeblichenen Blau der Jeans und dem schlichten weißen T-Shirt.

Ein längst vergessenes altes Bild blitzt in ihn auf, wie ein verblichenes Schwarzweiß-Foto: Ein Mädchen läuft über ein Trümmerfeld, die blonden Zöpfe fliegen bei jedem ihrer Schritte. Asche wirbelt auf, das Feuer schwelt noch, es riecht verbrannt. In seinem Traum eilt er ihr nach, ruft ihren Namen, doch jedes Mal erwacht er, bevor er sie einholen kann.

In diesem Moment verschmelzen das Mädchen aus dem Traum und seine Frau zu einer Person, die jetzt vor ihm steht und ihn anlächelt. Georg spürt, wie sich Wärme in ihm ausbreitet. „Lass mich dein Adlatus sein – morgen!“ flüsterte Hiltrud und schlingt ihre Arme um seine Taille. Der Blick ihrer tiefblauen Augen ist eindeutig und einladend. Georg streicht ihr bedächtig eine Haarsträhne aus dem erhitzten Gesicht. Dann küsst er sie.

„Du hast Recht, Liebste, es ist genug für heute“, murmelt er und zieht sie an sich, gräbt die Nase in ihr duftendes Blondhaar. „Lass uns zum See hinunter fahren!“ Kamera, Stative und Zubehör werden eingeladen in den roten VW-Bus, der ihnen ein zweites Zuhause geworden ist.

Der See in der Nähe der Zeche liegt verschwiegen an einem Wäldchen. Es ist einer dieser milden Septemberabende und das FKK-Strandbad hat geschlossen. Vereinzelte, blau gestrichene Strandkörbe stehen auf verwaistem Strand. Als Georg mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern vom Bus zurückkehrt, ist Hiltrud damit beschäftigt, die verwaschene Flickendecke am Strand auszubreiten. Er hält inne und betrachtet ihre schlanke Gestalt im Gegenlicht. Sie trägt nur noch das weiße Shirt, das ihren Po hervorblitzen lässt, als sie sich reckt, um die Decke gerade zu ziehen. Georg sehnt sich danach, ihre Haut zu liebkosen, will die Spur ihres vertrauten Geruchs nach süßem Schweiß, nach Gras, Erde und Freiheit aufzunehmen.

Sie spürt seine begehrlichen Blicke und richtet sich auf, sieht mit strahlenden Augen zu ihm hinüber. Seine Erregung verbindet sich mit ihrer Freude am puren Augenblick. Hiltrud legt den Kopf in den Nacken und lacht, ein helles, glückliches Mädchenlachen. Mit einer übermütigen Bewegung zieht sie das Shirt über den Kopf und läuft hinunter zum Wasser.

Georg betrachtet zärtlich seine nackte Frau, die sich nun mit einem spitzen Aufschrei ins kühle Wasser gleiten lässt. Die Sonne gießt ihre letzten rotglühenden Strahlen über den See, als Hiltrud sich auf den Rücken dreht und ihren Körper auf den sanften Wellen bettet. Die Spitzen ihrer kleinen Brüste erheben sich aus der Wasseroberfläche, süß und verführerisch wie wilde Brombeeren. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen.

Schnell schlüpft er aus den Sandalen, zieht er sich aus, lässt die Kleider achtlos fallen. Und folgt seiner Muse, der Verlockung seiner Sirene, seiner Geliebten und Komplizin.

• * *

Zu dieser Geschichte inspiriert wurde ich durch die Biographie von Bernd Becher, dem Begründer der Düsseldorfer Fotografenschule. Handlungen und Personen der Geschichte sind natürlich frei erfunden.

Bernd Becher (*20. August 1931 in Siegen; † 22. Juni 2007 in Rostock) und Hilla Becher, geb. Wobeser, (* 2. September 1934 in Potsdam; † 10. Oktober 2015 in Düsseldorf) erwarben als Künstlerpaar mit ihren Schwarz-Weiß-Fotografien von Fachwerkhäusern und Industriebauten (wie Fördertürmen, Hochöfen, Kohlebunkern, Fabrikhallen, Gasometern, Getreidesilos und komplexen Industrielandschaften) internationales Renommee als Fotografen.

WOW!
Ich bin hingerissen! *anbet*
**********henke Mann
9.653 Beiträge
Exakt!
Das ist großes Kino!!!
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