Die Tote in der Wohnung
Wie erstarrt blickte er sie an. Lange dauerte es, ehe die erste Träne floss. Langsam lief sie aus dem Auge, entlang der Nase auf der rechten Wange nach unten, benetzte kurz seine trockenen Lippen und löste sich wie von Zauberhand auf. Wie lange hatte sie ihn begleitet, seine Marotten ausgehalten, wenn er sie wieder wochenlang vernachlässigte? Wie oft war er achtlos an ihr vorbei gelaufen, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen?
Heute, jetzt, wo sie tot war, fiel es ihm auf. Die Lebenden achten wir zuwenig, brummte er vor sich hin und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank.
Im Schneidersitz hockte er vor ihn und sah sie traurig an. Die welke Haut, ja, sie war alt geworden an seiner Seite. Zu wenig Pflege, brummte er und ließ das Bier durch seine Kehle rinnen.
Was sollte er jetzt tun. Immerhin war sie schon seit 2 Wochen tot und er hatte es bisher nicht geschafft, sich von ihr zu trennen. Doch irgendwann musste es sein, und jetzt war irgendwann.
Abschied nehmen, das Fotoalbum lag neben ihm auf dem Boden. Was haben wir alles zusammen erlebt, siehst du hier....., doch sie sah nichts mehr.
Langsam erhob er sich, nahm den dicken Müllsack und stopfte sie hinein. Sorgfältig band er den Sack zu und stellte ihn neben die Wohnungstür. Entsorgen würde er sie in der Nacht, das fiel weniger auf.
Wieder kamen ihm die Tränen. Elender Versager, hättest eben mehr auf sie achten müssen, verdammter Egoist. Er verfluchte sich selber, wieder einmal, wieder umsonst, wie er wusste.
Er kippte ihre noch verbliebenen Reste in einen zweiten dicken Müllsack.
ADIEU, GELIEBTE ZIMMERPFANZE !