So...
bevor mich die Fressnarkose komplett ereilt, will ich mal berichten.
Erwähnte ich schon, dass scharfes Gemüse nicht so mein Thema ist? Was also soll ich nach der neu interpretierten Kidneybohne nur anstellen? Scharf gebraten fallen mir die schwarzen Zwiebelringe auf tot gebratener Schweineleber ein, die in meiner Kindheit regelmäßig gereicht wurden. Das will ich echt nicht wiederholen. Vergessen wir das scharfe Gemüse, denn da steht ja auch noch das Radicchio-Risotto von Mr. Sun im Raum. Beide Zutaten ruhen bereits in der Küche. Ist ja auch eigentlich genug Experiment, wenn man bedenkt, dass ich noch nie Risotto gemacht habe.
Das waren so ungefähr meine Überlegungen am gestrigen Vormittag, da klingelte das Telefon. Kundschaft droht mit Auftrag, also fallen die Experimente aus. Wenigstens reichte die Zeit noch, um meiner neuen Leidenschaft Porridge zu fröhnen, um dann mit dem guten Gefühl loszufahren, dass ich erst am Abend wieder Hunger bekommen werde.
Ich fahr also rein in die Stadt, arbeite die Kundschaft ab, und eigentlich kann ich dann gleich wieder heim. Das ist jetzt wohl der Moment, in dem ich ein Geständnis machen muss. Mein Organismus hat ein Eigenleben. Der macht manchmal komische Sachen und ich staune nur noch. Gestern bog er zum Biosupermarkt ab, um rasch noch Brot und Gorgonzola zu kaufen. Brot? Okay. Aber wozu Gorgonzola? Auf der Rolltreppe fiel mir ein, dass Mr. Sun erläutert hatte, den könne frau in das Risotto tun. Hat eine gewisse Logik. Aber nur, wenn man nicht weiß, dass noch Peregrino im Haus ist, gegen dessen Verwendung echt nichts einzuwenden wäre.
Auf dem Weg zum Brotregal muss man durch die Obst- und Gemüseabteilung. Mein Organismus packt aus mir unerfindlichen Gründen Ruccola in den Korb. Völlig blödsinnig, wenn man bedenkt, dass ja der Radicchio...
Da stehen die Kräutertöpfe. Ein flüchtiger Blick erhascht ein Wort "Wasabi". Ach das ist eine Pflanze? Und die ist grün. Ich erinnere mich, wie ich letztens mit der Brunnenkresse Bruderherz verzweifeln ließ. Keine Ahnung, was man mit dem grünen Zeug macht, aber wenn das doppelte Tömmchen einen Wasabiwettbewerb zum Sonntag ausruft, kann ich ja mal von der Seitenlinie was einwerfen. Und 1,99 sind ja nun nicht weiter tragisch. Man glaubt es kaum, ich schaffe es ohne Weiterungen direkt zum Brotregal. Reines Roggenvolkornbrot mit Kümmel. Perfekt, da reichen Butter und Salz. Da war noch was? Ach ja, Gorgonzola.
Nun muss man auf dem Weg vom Brot zum Käse beim Biometzgerstand vorbei. Und ich brauche nichts, weil ja das Risotto sicher sehr nahrhaft wird. Aber das bin ich, mein Organismus steht wie angenagelt vor der Auslage und sagt zu der netten Verkäuferin, "zwei Lammhüften bitte".
"Mariniert oder natur?"
Ey, ich kauf doch kein eingematschtes Fleisch. "Natur bitte." Macht 5,50 Euro.
Uff. Während ich den Gorgonzola aus dem Kühlregal klaube, fällt mir auf: Ich mag kein Lamm. Damals in den Neunzigern beim Fressgriechen habe ich nie die Dyonisus-Platte genommen, weil da diese komischen Klumpen mit drauf waren. Lamm? Nie wieder! Dann war vor Jahren mal Social Event, ich saß am Tisch und bekam Leinelamm serviert. Nun ist das eine vom Aussterben bedrohte Nutztierrasse. Es ist also ökologisch korrekt, sie zu züchten. Und damit das funktioniert, muss sie auch gegessen werden. Der Geruch war muffig, der Geschmack war muffig und der Nachgeschmack eklig. Lamm? Nie wieder.
Dumm gelaufen, denn ich kann es ja nicht zurückgeben. Da muss ich wohl durch. Irritiert über die Untaten meines Organismus stelle ich mich an der Kasse an. Freitag Nachmittag, die Schlangen sind lang, die Parkuhr bereits abgelaufen, weil ich ja eigentlich gar nicht einkaufen wollte. Die junge Dame zieht meine Sachen über den Scanner, ein Pieps. Der Wasabitopf ist nicht eingepreist. Nein, ich möchte nicht von hinten gemeuchelt, geschnetzelt oder beschimpft werden, weil jemand in die Obst- und Gemüseabteilung läuft, um den Preis zu eruieren, während hinter mir die lange Schlange länger wird.
"Buchen Sie doch einfach 1,99 auf Obst/ Gemüse!"
"Das darf ich nicht. Ist ans elektronische Bestellsystem angeschlossen."
"Dann nehme ich den nicht."
Mit leichtem Bedauern stehe ich auf der Rolltreppe, denn nun kann ich Bruderherz nicht mit dem Foto ärgern. Aber es gibt ja Schlimmeres. Was mache ich eigentlich mit dem Ruccola? Ich habe noch nie Ruccola...
Ab nach Hause, bevor der Organismus noch einen anderen Laden entert. Den Rest des Abend verbrachte ich damit, Bruderherz zu löchern, wie wenig Risotto eine Portion ergibt und wieviel Gemüsebrühe ich dafür brauche. Parallel habe ich gefühlte 1000 Lammrezepte gelesen, um festzustellen, dass ich weder Knoblauch noch Rosmarin besitze, weil ich beides nicht mag. Wobei die Idee, selbst zu marinieren, ja nicht so dumm ist. Mit der Idee ging ich schlafen. Und es ist eine komische Angewohnheit dieses Organismus, im Schlafen weiterzuarbeiten.
Das Ende vom Lied: ich wachte gegen halb 6 auf, wanderte Richtung Toilette und beschloss, weiterzuschlafen. Nur leider ratterten dann diverse Marinaden durch mein Gehirn, die Frage, welcher Topf für welches Einzelprodukt und überhaupt und sowieso.
Was soll ich sagen? Ich bin halt das Schwesterherz von meinem Bruderherz. Und so stand ich um 6.15 Uhr in der Küche. Und während das Kaffeewasser kochte, denn ich liebe handgefilterten Kaffee, schnitt ich Zwiebelringe und entkorkte Rotwein. Jetzt wird Bruderherz schimpfen, weil ich den ja nicht rechtzeitig dekantiert habe. Ist aber egal, ist nämlich nur der Bio-Dornfelder von Aldi und für eine Weinbanausin wie mich macht es eh keinen Unterschied.
Um 6.32 Uhr war das marinierte Lamm im Kühlschrank verschwunden, und ich konnte mich mitsamt Kaffeetasse und Zeitung wieder ins Bettchen verkrümeln.
Um 18.15 waren die Ergebnisse meines Experimentes dann fotoreif. Inzwischen wurden sie verspeist.
Das Fazit?
1. Das Timing ist eine Herausforderung, wenn man zwei unbekannte Komponenten parallel garen möchte. Also demnächst mit dem Risotto etwas früher anfangen.
2. Ach ja, und natürlich die Wacholderbeeren nicht mit in die Soße tun, es macht nicht wirklich Spaß, darauf herumzukauen.
3. Ich mag Lamm. Zumindest, wenn es ohne Knoblauch und Rosmarin ist. Und wenn ich es selbst zubereitet habe.
Sylvie
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