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Blauer Montag

Blauer Montag
Keine Ahnung wie...
jedenfalls stand ich eine Stunde später auf meinem Schreibtischstuhl - mit so kleinen Rollen unten dran, unter der Klimmzugstange, im Flur. Im Prinzip brauchte ich nur noch den blauen Nylonstrick, den ich um den Hals hatte, an der Stange über meinem Kopf zu befestigen. Und zu springen.
Nur leider... Leider ist gut. Der Strick war schlicht zu kurz. Vielleicht zehn oder zwanzig Zentimeter länger, dann... mehr fehlte nicht. Dabei hätte ich in meinem Bettkasten noch einen anderen gehabt, der garantiert lang genug gewesen wäre, um seinen Zweck hinreichend zu erfüllen. Aus Versehen hatte ich mir ausgerechnet den kürzeren der beiden gegriffen.

Die stammten noch aus der Zeit mit Luise. Ursprünglich war das mal ein langer Strick gewesen. Auf Lu’s Wunsch hin, hatte ich den damals extra im Baumarkt organisieren müssen, weil sie sich unbedingt von mir fesseln lassen wollte.
Stolz wie Oskar hielt ich ihr meinen Einkauf vor die Nase; und was passiert? Sie rastete beinahe aus. Freundlicherweise ließ sie mir die Wahl, ob ich beim Kauf des Seils ‚geizig’ oder nur ‚etwas geistesabwesend’ war. Ich konnte mich für keine ihrer Optionen erwärmen, weil’s so nicht war; weder noch. In meiner Vorstellungswelt waren Einmeterfünfzig vollkommen ausreichend gewesen, um jemanden damit fesseln zu können.

„Das soll reichen?! Das kurze Stück da?! Wie willst du mir damit die Hände und Füße gleichzeitig fixieren? Kinderkacke ist das. So will ich das nicht. Das hab ich mir anders vorgestellt.“

Dann fing die auch noch zu heulen an. Mein Gott, was für ein Aufriss. Wegen einem Stück Schnur. Kurzerhand schnappte ich mir das Ding und legte wild entschlossen los, um ihrs zu beweisen. Natürlich kam ich nicht damit durch. Nach drei vier verschiedenen Varianten; hier rum... da drüber... und hinten so über kreuz... und dann hier wieder... In etwa so. Mehr fiel mir auf Anhieb auch nicht ein, dann war ich mit meinem Latein am Ende.
Wenigstens konnte Lu inzwischen wieder lachen. So ein Lachen... das sich irgendwie noch nicht so recht traut, offen unter die Leute zu gehen. Ein Lachen, das sich ziert, und sich lieber noch ein wenig hinter einem Schluchzen versteckt - dort trotzig vor sich hin schwächelt, um mit Schwung als dreckiges Lachen voller Schadenfreude hervorzubreschen. Kaum das sie wieder oben auf war, schnappte sie sich das Ärgernis und rannte wie von einer Tarantel gestochen los. Wie in einem Trickfilm; ffffft und weg. Natürlich ahnte ich sofort, was sie vorhatte.

‚Pass auf, wenn du es durchschneidest. Am besten du...’;
zu mehr kam ich nicht. Den Tischkasten aufreißen, die Schere herauswühlen und fertig, war eins. Die sogenannten Pragmatiker... Pi mal Daumen. Dass das großer Mist war, auf einmal zwei unterschiedlich lange Teile zu haben, zugegeben hätte sie das nie. Eigentlich müsste ich ihr dafür irgendwann mal einen ausgeben. Oder auch zwei.

Ich also wieder runter von meinem Stuhl und hin zum Bettkasten, um das andere, das längere Stück zu suchen. Je länger ich da drin herumwühlte, desto mehr bekam ich in meine Hände, das mir zunehmend Kopfschmerz bereitete. Wichshefte, Vibrator, Handschellen, Dildo... diverses Spielzeug halt.
Plötzlich kamen mir Bedenken, was sein würde, wenn meine Mutter nach meinem Tod die Wohnung auflösen wird, und all das Zeug findet? Postum wollte ihr doch keinen zusätzlichen Kummer bereiten. Schlimm genug, das mit dem Selbstmord. Natürlich wollte ich ihr über den lebensmüden Sohn hinaus, nicht auch noch als perverser toter Sohn zusetzen? Das konnte und wollte ich meiner Mutter nicht auch noch antun. Man... das waren so Gedanken, die machten mich irgendwie noch unglücklicher, als ich es ohnehin schon war.

Was hätte ich tun sollen? Die äußerst belastenden Beweismittel aus der Wohnung schaffen und entsorgen, dann den kurzen gegen den längeren Strick austauschen, um mich erneut auf den Stuhl, unter die Klimmzugstange zu stellen, um endlich abzuspringen? Nicht ich!
Für so eine Aktion war ich nicht der richtige Typ; nicht taff genug. Sorry. Nö.. Mich an einem Tag gleich zweimal umzubringen, dafür fehlte mir der notwendige Mumm. So was gibt es nur im Kino. Und das leider auch nicht so oft. Zumindest wird an solchen Stellen immer viel und laut gelacht, im Publikum.
Dann hätte ich auch gleich noch die Wohnung aufräumen und putzen können. Meine leidgeprüften Eltern hätten diese Geste bestimmt zu schätzen gewusst. In einer aufgeräumten Bude weint es sich wesentlich gemütlicher. Alles in allem war mir die ganze Aufhängerei viel zu stressig geworden.

Keine Ahnung ob es korrekt ist, im Angesicht des Todes Hunger zu empfinden; ich hatte welchen. Einen mordsmäßigen sogar. Ich setzte Kaffeewasser auf, haute Rührei in die Pfanne und frühstückte. Nebenbei blätterte ich in einem meiner Lieblingshefte, einfach nur froh darüber, das ich’s im Bettkasten endlich wiedergefunden hatte. Irgendwann der Morgenschiss - längst überfällig. Gerade will ich’s mir auf dem Pott bequem machen, die Hose hing mir bereits in den Kniekehlen, da streift mein Blick den Badezimmerspiegel. Den ollen Strick um meinen Hals, den hatte ich glatt vergessen, bei all den Entscheidungen, die ich an diesem Morgen zu treffen hatte, und dem plötzlich auftretendem Hunger.
Was für ein verlaustes Spiegelbild, dass sich mir bot. Verquollene, verheulte Augen, Ringe darunter – blauschwarz wie Hämatome, fettiges Haar, unrasiert, einen Strick um den Hals... und weiterleben müssen. Wäre alles wie gedacht optimal gelaufen... Blauer Montag. Viele blaue Montage. Hab den Strick um meinen Hals gelassen, bis zum späten Nachmittag, als Mahnung an die Lebenden.
Keine Ahnung wie... ich hab’s überlebt, diese Frau. Die anderen auch.
Alles in allem war mir die ganze Aufhängerei viel zu stressig geworden.

*haumichwech* In jedem Fall ist Lu eine fabelhafte Muse *zwinker*

lg
Angelika
Köstlich, einfach nur köstlich *g*

LG. Mario
Orange Session
*********katze Frau
8.077 Beiträge
Jaaaa doch!
Maximus, Du scheinst der "Mitarbeiter des Monats" zu werden! *haumichwech*

Auch hierfür ein Federlein. Verdient ist verdient!

Gruß
Christine
verflixt!
Ich tau' mich nicht, zu loben.
Das ist zu gut..... spricht mich irre an!
JO!
Total klasse ! maxbegeisterrtolaf
****iko Mann
11.369 Beiträge
*hand* auch begeistert bin.....


Sorry. Nö.. Mich an einem Tag gleich zweimal umzubringen, dafür fehlte mir der notwendige Mumm.


das ist mein Lieblingssatz.... *ggg*

lg

deWinni
..wie auch die andere Geschichte: einfach nur geil....
****mas Frau
3.500 Beiträge
Nur gut,
...dass Du dem Stress aus dem Weg gehst. *zwinker*

Sonst wäre uns doch glatt diese irre Story vorenthalten geblieben.

Dickes Kompliment
Conny
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