Die Lösung eines Problemes in vier Schritten
Die Lösung eines Problemes in vier Schritten
(c) 2/2015 by TRB
„Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Militärattachés, verehrte Politiker und deren Bedienstete. Im Rahmen unseres Volkshochschulkurses: „Problemlösungen in taktisch-strategischer Manier“ werden wir heute ein aktuelles Problem aufrufen um es anhand der Lösungsstrategie zu einem Abschluss zu bringen. Kommen wir also gleich zur Sache. Der Kurs wird eine knappe Stunde dauern. Pausen sind nicht vorgesehen, sie können also die Pausenbrote im Koffer lassen.
Widmen wir uns dem Grundgerüst. Vier Schritte sind notwendig, um ein Problem nachhaltig zu lösen. Erstens: Krise. Zweitens: Beobachtung aus der Distanz. Drittens: Analyse. Viertens: Strategie und Handlung.
Erstens brauchen wir eine Krise. Nicht eine kleine Krise wie die Frage ob der Stadtpark für Penner zum übernachten freigegeben wird oder nicht, sondern eine echte Krise. Ohne die ursächliche Problemstellung ist alles andere sinnlos. Hat jemand der hier Anwesenden einen Vorschlag? Ja? Sie da hinten. Herr…..?“
„Stoltenberg. Jens Stoltenberg!“
„Ah ja, Herr Stoltenberg. Sie sind gerade Chef der NATO, richtig?“
„Das ist korrekt.“
„Dann haben sie ein aktuelles Anliegen?“
„Ja. Die Ukraine-Krise.“
„Aaaah ja. Interessant. Nun gut, beginnen wir mit der Ukraine-Krise. Krise in Gänsefüßchen, weil es ja bereits fast zu spät ist. Gut. Punkt Eins: Die Krise. Der Westen sieht seine Werte gefährdet, der Osten, in diesem Falle speziell Russland, seinen Anspruch. Keiner will nachgeben und es besteht die Gefahr einer weltweiten, ungepflegten Auseinandersetzung. Habe ich das Problem hinlänglich umrissen?“
Alle nickten mehr oder weniger heftig.
„Kommen wir zu Punkt Zwei. Die Beobachtung. Dazu fassen wir erst einmal die Fakten zusammen. Die Ukraine war vor Gorbatschows Umbau der Sowjetunion eine Art Bundessstaat. Ab 1991, als die Ukraine sich aus der Sowjetunion herauslöste, galt sie völkerrechtlich anerkannt als autarker Staat. Die Bevölkerung besteht nach letzten Erkenntnissen aus 78 % Ukrainer und 17% Russen und noch ein paar anderen, die aus Sicht der Prozentzahlen nicht weiter erwähnenswert sind und die Kuh nicht mehr fett machen. Die Russen siedeln mehr an der Ostgrenze der Ukraine. Rein flächenmäßig ist die Ukraine der größte Staat Europas und sie gilt als die Kornkammer Europas. Dazu die Bodenschätze und ihre strategische Lage, auch Schwarzmeer, macht sie zu einem geschätzten Handelspartner. Das sind zunächst die Basisfakten. Wenn wir jetzt in die Analyse übergehen, sind ebenjene Bodenschätze und landwirtschaftlichen Ergebnisse ein Grund und der Motor der Aggression. Nachdem Gorbatschow nicht mehr Präsident war, verfolgte Vladimir Putin ganz eigene Ziele. Man vermutet, dass er die Sowjetunion zurück zu alter Größe führen wolle. Dazu gehören strategische Punkte. Das hat der kleine Gernegroß gut erkannt. Als erstes akquirierte er die Halbinsel Krim inklusive aller Häfen und Burgen. Der Grund war einfach. Als Stützpunkt der Schwarzmeerflotte war die Halbinsel unersetzlich und nichts auf dem Planeten wäre schrecklicher, als den Ukrainern, den ABTRÜNNIGEN Ukrainern, die auf alles und jeden schimpfen, aus Putins Sicht, auch noch Miete für die Obliegenheiten zahlen zu müssen. Ergo zog er, und das ist mittlerweile faktisch untermauert, Soldaten aus den bisherigen Krisengebieten ab, ließ sie in die Krim einsickern und Ärger machen. Das Ergebnis ist allgegenwärtig. Die Krim gehört mittlerweile quasi zu russischem Staatsgebiet. Nun kam der nächste Schritt Putins. Im Osten der Ukraine waren die gleichen Agitatoren zu sehen, die vormals die Krim besetzt hatten. Soldaten, schwer bewaffnet, ohne Landesabzeichen, ohne Dienstgrade, ohne Zugehörigkeitsabzeichen gaben sich als Separatisten aus. Zuvor hatten irgendwelche Typen die Meinung der Ostukrainer, meist russischer Abstammung, manipuliert. Aus politischen und militärischen Kreisen wird nicht nur bezweifelt, dass die Separatisten aus dem Ukrainischen Volk stammen, es ist aus Russland quasi unwidersprochen. So etwas nennt man auf dem privaten Sektor „Feindliche Übernahme“.
Das Problem ist nun, dass die Ukrainer sich wehren. Die Kämpfe werden schwerer und heftiger und die ganze Welt fragt sich, woher die Separatisten Waffen, Munition und Lebensmittel bekommen, wenn doch in der Ost-Ukraine alles zerstört ist. Die Krise spitzt sich gerade zu und eine Lösung des Konfliktes ist in weiter Ferne.“
Die 54 Leute im Hörsaal klebten an den Lippen des Vortragenden. Sicherlich waren einige zweifelnde Gesichter darunter, besonders aus den Reihen der Politiker die ja meinten, die Weisheit mit großen Löffeln gefressen zu haben.
„Wenn wir jetzt streng analytisch vorgehen, muss man sich zwangsläufig fragen, was hier eigentlich los ist. Die Ukraine ist ein souveräner Staat und was in seinem Landesinneren abgeht, geht keine Sau etwas an. Wenn der Westen reden will, frage ich mich eigentlich, warum man mit Putin diskutiert? Und warum hat Obama nicht die Eier, mit Putin direkt hart zu verhandeln? WENN denn schon die Ukraine Spielball der Ost-West-Interessen darstellen soll, dann bitte, fragt doch die Leute dort? Wenn aber die Ukraine ein souveräner Staat ist, und das haben ja alle Bündnispartner unterschrieben, warum meint Hinz und Kunz, denen dort erklären zu müssen, was Trumpf ist? Die angeblichen Separatisten werden weder müde, noch krank. Sie haben ausreichend Munition und Waffen und unterernährt sehen sie auch nicht aus. Ergo werden sie von irgendwoher beliefert. Wahrscheinlich aus Russland. Nehmen wir das einfach einmal an. So. Jetzt:
Die Lösung. Wir erinnern uns: Ukraine, souveräner Staat, allein verantwortlich für alle inneren Angelegenheiten. Wenn jetzt das Problem auf Deutschland übertragen werden würde… und sagen wir… Bayern von heute auf Morgen zu Österreich gehören wollen würde… was dann? Was würde Merkel machen? Was? Gehen lassen? Nein. Verkaufen? Nein. Verhandeln? Mit Ramsauer und Seehofer? Machen Sie Witze? Nein, Truppen gehören da rein. Insbesondere, wenn man annehmen muss, dass die Volksmeinung von aus Österreich eingesickerten Agitatoren besteht. Die Lösung des Ukraine-Problems wäre also folgendes:
Laut neuesten Berichten hat die Ukraine ca. 80000 Mann unter Waffen. 30000 werden ans Nordende der besetzten Gebiete geschickt, 30000 ans südliche Ende der besetzten Zone. 10000 werden als Luftlandeeinheiten bereitgestellt, 10000 gelten als strategische Reserve. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird synchron aus dem Norden und aus dem Süden angegriffen. Und zwar nicht gegen die Separatisten selbst, sondern es wird einfach einmarschiert und die Grenzen zu Russland werden nachhaltig dicht gemacht und zwar auf breiter Ebene. Die Luftlandetruppen werden in der Mitte, direkt auf der Grenzlinie abgesetzt. Schlussendlich sind die Separatisten eingekreist und, was viel wichtiger ist: Die Grenzen zu Russland sind dicht; müssen aber sswm befestigt werden. Die Militärs werden mir zustimmen: Man gewinnt nicht immer durch die größere Knarre, sondern mit dem hellsten Kopf. Erst die Nachschubwege abschneiden. Dann trocknet der Sumpf von selbst aus. Russland kann es sich nicht leisten, wie bereits geschehen, die Grenzen ohne Genehmigung der Ukrainer eigenständig zu überqueren. Das wäre ein Grund zu offenen Auseinandersetzungen und die Ukraine darf dann auf das Mandat der UNO hoffen. Die Separatisten allerdings werden ausgetrocknet. Mit ein wenig Zeit und Taktik kann man so die Lösung herbeiführen, die am wenigsten Tote kostet. Putin ist ein Soziopath und Egomane, aber den dritten Weltkrieg heraufzubeschwören und damit in Hitlers Fußstapfen zu treten, wird er sich zweimal überlegen. Der Zusatznutzen ist: Wenn die gebeutelten, hungernden Russland-Fans von der Ukraine mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt werden, können die wohl kaum meckern“
Zunächst fassungsloses Staunen. Aufgerissene Augen, offen stehende Münder und atemlose Stille. Dann setzte heftiges Gemurmel ein. Alle diskutierten miteinander. Es ging nicht um die Ukraine. Nicht um die Menschen, nicht um den wahnsinnigen Putin oder die hilflose Merkel. Es ging um…. „…und was wird aus den Fabriken, die wir gerade erst gebaut haben?“, es ging um „… und wie sollen wir den Wehretat jetzt erhöht bekommen?“ und es ging um „so kriegen wir nie unser Geld von Poroschenko…“
Der Vortragende wurde wütend. Aber er ließ sich nichts anmerken. Also packte Abdul ibn Hassam unauffällig seinen Ranzen und verließ den Hörsaal, von den diskutierenden unbemerkt. Den großen Koffer allerdings ließ er zurück. Und dort würde ein Mensch, der durch Leder sehen konnte, eine Uhr rückwärts laufen sehen. 9,…8,…7,….6,…5,…4,…3,…2,…1,…0