Affen
Der Umstand, dass die Legalisierung von Cannabis, dank der neuesten Entwicklungen in den USA, in Deutschland wieder zum tagespolitischen Thema wurde, stimmten Bobbo und Lobbo hoffnungsvoll.
„Mann, Bobbo, vielleicht wird das Zeug bald legal!“
„Ja Lobbo, dann sind wir die ersten, die hier einen Coffeeshop eröffnen!“
Bobbo nahm einen tiefen Zug an der Blubber und reichte sie seinem Rauschfreund Lobbo weiter. Ihre illegale Plantage im Keller von Lobbos seniler Oma hatte eine reiche Ernte mit hohem Harzanteil eingebracht.
Lobbo hustete und nahm einen tiefen Schluck aus der Southern-Comfort-Flasche.
„Aber es gibt ja noch andere Rauschmittel der Natur, ich habe da heute was gelesen, aber um das zu testen, müssten wir in den Zoo“, raunte er und wischte sich den klebrigen Likör mit dem Ärmel von den Lippen.
„In den Zoo? Um zwei Uhr nachts? Packst Du´s noch?“, entrüstete sich Bobbo.
„Vertrau mir, das wird sicher total abgefahren!“, begeisterte sich Lobbo.
Bobbo und Lobbo hatten sich jede Form von Charakter über Jahre mit Alkohol und Drogen aus den aufgeweichten Birnen gespült. Bobbo ließ sich darum schnell für jede neue Rauschform begeistern.
Der Zoo in der kleinen Stadt war kein großer Zoo. Er wurde nachts nur von einem Wachmann betreut, der gelegentlich Rundgänge machte oder Lieferungen außerhalb der Öffnungszeiten annahm.
„Und wie kommen wir am Torwächter vorbei? Über die hohe Mauer mit dem Stacheldraht bringst du mich nicht!“, überlegte Bobbo.
„Warte, ich habe da was!“ Lobbo zog einen Sack unter dem Sofa des vermüllten Zimmers hervor, öffnete ihn und zog zwei braune, zottelige Knäuel heraus, die sich nach sorgfältigem Entfalten als Kostüme entpuppten.
Bobbo staunte: „Gorilla-Kostüme? Woher hast du die denn?“
Lobbo lächelte verschmitzt: „Gorilla-Weibchen“, und deutete auf die angedeuteten Brüste, „sind am Theater vom LKW gefallen.“ Beide kicherten wie Kinder, die zum ersten Mal einen versauten Witz verstanden.
„Für alle Fälle nehme ich mal den Elektro-Schocker mit, werter Kollege“, sagte Bobbo ironisch und ließ das Gerät zum Test knistern.
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Eine halbe Stunde später sprangen sie über das Gittertor und landeten direkt neben dem Wärterhäuschen. Es hatte zu nieseln begonnen und der Mond lag versteckt hinter dunklen Wolken. Der Wächter hockte lieber im Trockenen und hatte bisher nichts bemerkt, denn er war gebannt von den schamlosen, nackten Damen im Nachtprogramm auf den Sendeplätzen ganz weit hinten, die er auf dem kleinen Fernseher begaffte. Noch bevor er erschrocken die Hand aus seiner Hose ziehen konnte, waren die zwei Gorillas schon durch die Tür und hielten ihm den Elektroschocker an den Hals. Der Schnurrbart des Wachmanns gräuselte sich, bevor er bewusstlos vom Hocker viel.
Bevor die Affen weiterzogen, tranken sie noch das offene Bier des wehrlosen Mannes aus.
„Und? Wo ist jetzt die berauschende Überraschung, Lobbo?“, fragte Bobbo und setzte die leere Bierflasche ab.
„Wir müssen zum Terrarium!“, antwortete Lobbo.
Dort angekommen, fing Lobbo mit der Suche nach einem ganz bestimmten Gehege Ausschau. Nach einer Weile rief er erfreut: „Hier ist es!“
„Frösche?!“ Bobbo verstand gar nichts mehr.
„Kröten!“ feixte Lobbo, schlau wie ein Bio-Lehrer, „genau genommen Colorado-Kröten!“
Bobbo schaute ihn angewidert an, doch Lobbo war bereits über die Glaswand geklettert, nahm zwei dicke, schleimige Kröten aus der künstlichen Landschaft und reichte eine davon an Bobbo. Sie schoben sich die Gorillamasken nach hinten vom Gesicht.
Bobbo schaute die Kröte ungläubig an: „Und jetzt? Trocknen wir die und rauchen sie, oder was? Spinnst Du?“
„Nein. Drück ihr kräftig in den Nacken und dann leckst Du das Zeug ab, das hinter ihren Augen hervor quillt. Es ist angeblich besser als LSD!“, erklärte Lobbo und begann mit der Prozedur.
„Du liest zu viele Bücher vom Kopp-Verlag“, schüttelte Bobbo den Kopf, tat es seinem Kumpanen aber bald nach.
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Der Wächter kam kurz vor dem Morgengrauen zu sich. Er war sich nicht sicher, ob er den Vorfall melden sollte. Darum machte er erst mal einen vorsichtigen Rundgang. Es gab schon mehrmals nächtliche Trunkenbolde im Zoo, die nur gaffen wollten, aber keinen Schaden anrichteten. Er bemerkte keine Unregelmäßigkeiten, nichts war zerstört, es schien kein Tier zu fehlen. Den Grunzlauten, die aus dem Gebüsch des Gorilla-Geheges kamen, wollte er nicht weiter nachgehen. Der arme, einsame Gorilla-Mann mit der häufigen Erektion tat ihm sowieso irgendwie leid. Um sich Peinlichkeiten und viel Papierkram zu ersparen, beschloss er, den nächtlichen Vorfall zu verschweigen.
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Tierpfleger Bruno machte um neun Uhr seinen Frühstücksrundgang. Nach zwei Wochen Urlaub freute er sich wieder auf die Tiere, die ihm ans Herz gewachsen waren. Beim Gorilla-Gehege stutzte er. Hatte jemand vergessen, seinen Futterplan zu aktualisieren? Auf dem Plan stand nur was von Futter für einen Gorilla. Aber er freute sich für den vitalen Affen. Endlich hatte es mit der Eingewöhnung von Weibchen geklappt. Der Gorilla-Mann hockte zufrieden grinsend in seinem Gehege, zwei schlafende Gorilladamen lagen angekuschelt an seiner starken Brust.