Wenn auch verspätet - Neil Young Berlin 26.2.2008
Die Bühne sah aus wie eine Gemischtwarenhandlung. Seine Pumped Organ links von der Bühne, ein Totempfahl rechts von der Bühne. Auf der Bühne eine Wand mit wahllos angeordneten Buchstaben und Zahlen, die im Laufe des Konzerts aufleuchteten und wahrscheinlich (meine unmaßgebliche Vermutung) Autokennzeichen von seinen Oldtimern darstellen sollten. Eine alte Windmaschine, Ein Fahnenmast mit der Deutschlandfahne und einer Piratenfahne dran !!! Das muss mit dem abgesagten Konzert in Frankfurt zu tun haben. Diverse alte Hollywood Bühnenscheinwerfer. Die unabkömmliche Leslie box für den verzerrten Sound, 2 Klaviere und, und, und. Tausend Teile. So lieben wir ihn. So chaotisch sehen die Bühnen vom Neil immer aus.
Um 21:00 erschien der Meister hinter einer Tafel mit einem "N" versteckt auf der Bühne. Neil im weißen Anzug. Der erste Kracher. Er spielte eine Stunde, umgeben von 2 Klavieren, zig Gitarren und diversen Mundis, vollkommen alleine. Eine Offenbarung. Zum Teil ganz alte, wenig bekannte Songs:
1. From Hank To Hendrix
2. Ambulance Blues
3. Sad Movies
4. A Man Needs A Maid
5. No One Seems To Know
6. Harvest
7. After The Gold Rush
8. Mellow My Mind
9. Love Art Blues
10. Love Is A Rose
11. Out On The Weekend
Wer sich ein wenig auskennst, erkennst die Tragweite dieser Zusammenstellung. Mehrere Titel vom unglaublichen "Harvest"-Album. Manche , "A Man Needs A Maid", hat er 30 Jahre nicht gespielt. "Ambulance Blues", das Meisterstück vom Album "On The Beach". Der "Love Art Blues", nur im Konzert gespielt und auf keinem Album veröffentlicht ...
Neil war wie immer. Kramte auf der Bühne rum, tat so als suche er immer wieder was. Scheinbar planlos. Plätschert mit den Mundis in einem Wasserbottich rum. Neil spült sein Mundis immer vor der Benutzung mit Wasser. Lässige Kommentare. Der running Gag für die Insider: Getränkeflasche hochhalten: From my Sponsor. Alles lacht. Im Rust Never Sleeps-Film steht eine Flasche auf dem Klavier: "Sponsored by nobody" steht darauf. Alle wissen Bescheid.
Totenstille, atemloses Inhalieren. Dazwischen frenetischer Beifall. Wahnsinn. Grandios.
Nach einer Stunde 15 Minuten Pause. Umbau auf den elektischen Teil. Dezenter Soundcheck. Der Meister diesmal im schwarzen Anzug. Spinnt der ? Nein, damit er nicht so seriös wirkt, ist der Anzug mit Farbe bekleckert. Es sieht leicht runtergekommen aus. Die gesetzte Variante von Holzfällerhemd und zerfetzten Jeans. Und dann ... Neil in Bestform. Eröffnet den zweiten Teil mit einem satten, von uns so geliebten, kreischenden Rückkoppler über die Anlage und fängt an seine Les Paul warm zu machen. Irre. Zu jedem Song wird am rechten Bühnenrand ein Gemälde mit dem Namen des Songs !!! aufgestellt. Witzig, keine Sau kennt die Musik. "Mr. Soul" kracht in die Massen. Keiner sitzt mehr. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Songs vom neuen Album. Hart und politisch engagiert "Dirty Old Man". "Spritit Road" im Stil der "Mirror Ball", damals mit Pearl Jam. Lange Gitarrensoli, harte Schläge in die Magengube vom Bass. Treibende Riffs. Klasse. Danach ... ich brech zusammen: "Down By The River" .... i shot my baby. Der Saal ist nicht mehr zu halten. 10 Minuten, einer DER Klassiker von der "Decade". Habe ich bestimmt schon 5001 Mal mitgegrölt. Jetzt wieder, aber zum ersten Mal live. Der Adrenalinspiegel ist schon sehr weit oben. Neil setzt noch einen drauf und singt mein zweites Lebensmotto. Hey Hey, my, my ... its better to burn out than to fade away ... . Die hingerotzten Riffs schlagen ein wie eine Bombe. Neils schmutzigste Gitarrenpassage ever. So muss es sein. Jetzt stehen auch mir die Tränen in den Augen. Meine Frau tobt, der Saal tobt. Mehr geht fast nicht. Denkste... kurze Erholpause mit "Oh, Lonesome Me". Dann für den 1972 an Drogen verstorbenen Danny Whitten, Gitarrist von Crazy Horse, "Winterlong" auf der Halbakustik. Damit haben wir mal eine Fete gemacht. 2 Stunden nur Winterlong gehört. Gnade. Da kommen Erinnerungen hoch. Gänsehaut vom Kopf bis zu den Füßen. Kunstpause 10 Sekunden - "Powderfinger" dazu braucht man fast nichts sagen. "Rust Never Sleeps" - Feeling. Wie in dem alten Film. Fast exakt so wie damals intoniert. Eine heilige Kuh eben. Geht nicht mehr zu verbessern. Langezogene Riffs, moderate Verzerrung, treibende, geschmeidige Gitarrenläufe. Weiter gehts, ein Griff in die Saiten, Verzerrer auf Anschlag. Es Kracht und quietscht kurz: Der Start zu "No Hidden Path" Ca. 20 Minuten lang ein einziges Gitarrenspektakel in dem Neil alle Register seiner Les Paul zieht. Rückkopplungen mit dem Bassisten. Hammerharte Slides bis an die Grenze des Machbaren. Immer wieder zitiert er das Thema mit neuen Variationen. Der Mann ist 63, aber nur auf dem Papier. Dann Verbeugung, Ende, Pause. Kein Mensch ist mehr ruhig, gesessen hat schon lange keiner mehr. Dann die leider einzige Zugabe. Aber was für eine. "Rockin' In The Free World" in einer seiner besten Aufführungen. Der Song startet und wummert die harten Riffs in den Kopf, in den Magen und wieder zurück. Der Saalboden bebt. Die zornigen, bissigen Text werden getragen von einer wahnsinnig aggressiven Gitarre, die sich von einem veritablen Sägewerk zum Startgeräusch einer Boing steigert. Das Publikum kennt jede Textstelle, alle Hände sind mit dem Victoryzeichen in der Luft. Zum Schluss nur noch harte Schläge, durch den Verzerrer gedrückt. BOAH, danach Ruhe, betäubtes Publikum.... Was schon vorbei? - 23:50.
Bilanz des zweiten Teils:
1. Mr. Soul
2. Dirty Old Man
3. Spirit Road
4. Down By The River
5. Hey Hey, My My
6. Too Far Gone
7. Oh, Lonesome Me
8. Winterlong
9. Powderfinger
10. No Hidden Path
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11. Rockin' In The Free World
Der Wahnsinn heißt wieder einmal Neil Young.
Die Band:
Neil Young - bestimmt 10 verschiedene Gitarren + Mundi, Klavier, Orgel
Ben Keith Pedal Steel, Lap Steel, Gitarre, Orgel
Ralph Molina von Crazy Horse -Drums
Rick Rosas ehm. Blue Notes - Bass
Pegi Young Background, Gitarre
Anthony Crawford Piano, Mandoline
Hank