Zwillingsbrüder
So wirklich lustig war das an dem Tag nicht, im Nachhinein muß ich aber drüber schmunzeln.
Zur Zeit als Jungjäger hatte ich eine Einladung auf einen Bock, maximal lauscherhoch.
Es war Ende Mai.
Über den Pirschweg näherte ich mich langsam von hinten der Kanzel, die in einer hohen Schwarzdornhecke am Rand einer großen Wiese stand, baumte auf und richtete mich leise ein.
Es dauerte nicht lange und wie es bei Rehwild manchmal so vorkommt, hatte sich plötzlich ein Jährling mitten auf der Wiese „materialisiert“, ist also wie von Zauberhand aufgeploppt ohne daß ich ihn herziehen sah.
Der Entschluss zur Erlegung war schnell gefasst, das Absehen stand mitten im Leben und ich trug den Schuss an. Die Waffe schlug hoch, wodurch ich nicht „durchs Feuer schauen“ konnte.
Als ich durchs Glas wieder den Bereich des Anschusses sehen konnte, stand der Jährling ziemlich verdutzt äugend immer noch mitten auf der Wiese. Kein Zeichen oder irgendein Hinweis auf einen Treffer.
„Verdammt, das kann doch nicht sein. Ich war doch mitten drauf.“ dachte ich mir noch.
Also schnell repetiert und nochmal geschossen. Diesmal war der Ausschuss deutlich zu sehen, der Bock zeichnete wie im Lehrbuch und fiel ins hohe Gras.
„Na also, geht doch. Was hab ich beim ersten Schuss bloß falsch gemacht?“
Nach der damals obligatorischen Zigarette baumte ich ab und ging zum Anschuss.
Ich weiß es noch genau: Nach 142 Schritten kam ich an und fand zwei „Zwillingsbrüder“ keine 10m voneinander entfernt verendet im hohen Gras liegen, beide mit gutem Schuss.
Was war passiert?
Die beiden lagen beide von mir unbemerkt in der hohen Wiese.
Der erste bekam nach dem Aufstehen von mir die Kugel, welche ihn an Ort und Stelle umwarf - was ich aber nicht sah.
Durch den Schuss wurde sein Bruder wach und stand auf. Da ich vermeintlich gefehlt hatte, schoss ich nochmal. 🤷🏻♂️
Die Pächter waren alles andere als begeistert. Eine Trophäe wurde einbehalten und hängt seitdem zwischen Fallwild und Fehlabschüssen dort in der Jagdhütte.