Weiter mit der Theorie
Grau scheint alle Theorie, aber wenn man das eine oder andere kann/weiß, hilft einem das schon etwas weiter.
Formen, Suggestion und Sprachgestalten
Dichten ist nicht nur ein Sprachgestalten sondern erfordert auch strategisches Vorgehen, um dem Leser Raum für einen individuellen Zugang zum Text zu gewähren. Gefühle und Erfahrungen sollen nicht nur aus dem Dichter ins Gedicht fließen, sondern als Aussage geformt und ästhetisch verfremdet, im Leser eigene Gefühle und Erfahrungen aufrufen.
Der Leser soll mit eigenen Assoziationen zu neuen eigenen Sinnkombinationen gelangen. Im lyrischen Aufbrechen der Sprache und dem Einsatz der vielfältigen rethorischen Mittel schafft der Dichter die notwendige Basis für die Mehrschichtigkeit der Aussage.
Die folgende Zusammenfassung ist aus dem Buch "Poetik in Stichworten. Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe. Eine Einführung von Ivo Braak. Verlag Ferd. Hirt"
Figuren
Wortfiguren
• Nachdrücklichkeit (Emphase), Ausruf:
Nicht in den Ozean der Welten alle
Will ich mich stürzen! schweben nicht,
Wo die ersten Erschaffnen, die Jubelchöre der
Söhne des Lichts,
Anbeten, tief anbeten! und in Entzückung ver gehn!
(Friedrich Gottlieb Klopstock)
• Untertreibung (Litotes)
Steigerung einer Aussage, indem das Gegenteil oder die - auch verdoppelte - Verneinung genannt wird. Für eine ironische, sich distanzierte Tonlage geeignet.
(...) - ach, ich kanns nicht leugnen -
Die Wunden klaffen - es verströmt mein Blut (...)
(Heinrich Heine)
Satzfiguren
• Unverbundenheit (Asyndeton):
Hier fehlen die verknüpfenden Bindewörter. Da vor und nach den Wörtern Pausen entstehenm wird Nachdruck erreicht, aber auch lebhafte, hastibe Beschleunigung.
Ein Wort, ein Ich, ein Flaum, ein Feuer,
ein Fackelblau, ein Sternenstrich -
woher, wohin - ins Ungeheuer
vom leeren Raum um Wort, um Ich.
(Gottfried Benn)
• Vielverbundenheit (Polysyndeton):
Die bindewörter häufen sich und erzeugen durch die Reihung sich steigernder Begriffe eine starke Bewegung:
(...)
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
(...)
(Heinrich Heine)
• Ellipse:
Weglassung des Unwichtigen. In Kurzsätzen werden Worte eingespart, um Wichtiges hervorzuheben. Es wird dadurch eine Raffung und stärkere Gefühlswirkung erzielt. Die Dichter des Sturm und Drang setzen die Ellipse gerne ein.
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
(Johann Wolfgang Goethe)
Wärme, Milde! Mein Vaterland
Mit deinem süßesten Strahl! Nur laß mich,
Ach, ich flehe, hier dir näher,
wie der Adler dir bleiben.
(Jakob Michael Reinhold Lenz)
• Zeugma:
Als Sonderform der Ellipse verkürzt diese Figur, indem sie zwei Substantive oder Sätze mit demselben Verb verbindet. Dieses Verb passt entweder nur zu einem der verbundenen Teile oder nimmt zweierlei Bedeutung an.
(...) Dann
stellt sich Erregung ein und
das Taxi nach Moabit.
(...)
(Ulla Hahn)
• Apokoinu:
Als weitere Sonderform der Ellipse stellt dieses Stilmittel ein Wort, das zu zwei beigeordneten Sätzen gehört, in die Mitte.
(...) ich schmeiß
dir mit Veilchen die Fenster
ein jeder sehe wie
(...)
(Ulla Hahn)
• Reihung:
Aufzählung mehrerer Unterbegriffe anstelle des zusammenfassenden Oberbegriffs. Durch diese Detaillierung wird eine stärlere Bildhaftigkeit erreicht. Diese Figur ist oft in der Lyrik des Barock anzutreffen.
Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt' und Felder
Es schläft die ganze Welt
(Paul Gerhardt)
• Abwandlung (Amplifikation):
Erweitert eine Aussage durch die wiederholte Betrachtung unter verschiedenen Gesichtspunkten.
Staatsbibliothek, Kaschemme,
Resultatverlies,
Satzbordell, Maremme,
Fieberparadies:
Wenn die Katakomben
glühn im Wortvibrier,
(...)
(Gottfried Benn)
• Epiphrasis:
Ein Nachsatz wird an einen abgeschlossenen Satz angefügt.
Edel sei der Mensch,
Hilfreich und gut!
(...)
(Johann Wolfgang Goethe)
Am Ende des Satzes ist eine Denk- und Atempause. Durch den Nachsatz wird das Thema noch einmal aufgenommen, pointiert und mit einem Reflexionsmoment verbunden.
• Stufenfolge (Gradation):
Die Wörter werden in Abfolge gesteigert:
a) Klimax: nach oben
b) Antiklimax: nach unten
a) Schlafe, träume, flieg' (...)
(Clemens Brentano)
b) (...)
wirf es uns in die Häuser
wirf es uns auf die Tische
wirf es uns auf die Teller
(...)
(Paul Celan)
• Parallelismus:
Gleichlauf der Verse oder Versteile
worte sind schatten
schatten werden worte
• Überkreuzstellung (Chiasmus):
x-förmige Anordnung von Versteilen
worte sind schatten
schatten werden worte
• Fügungsbruch (Anakoluth:)
Der angefangene Satzbau fällt auseinander, so dass eine Unfolge entsteht.
Den du nicht verlässest, Genius,
Wirst ihn heben übern Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln
(Johann Wolfgang von Goethe)
• Inversion:
Umstellung der üblichen, regelmäßigen Wortfolge, im engeren Sinn nur von Subjekt und Prädikat, um im Satz ein Wort an ungewöhnlicher Stelle hervorzuheben. sie kann auch aus metrischen Gründen erfolgen.
Einsamer nie als im August
(...)
(Gottfried Benn)
**************************
Gedanken- und Klangfiguren folgen dann später.
Ich hoffe, euch wird diese Theorie hier nicht zuviel, aber Basiswissen, hat noch nie geschadet
Herta