Wir, als Lehrlinge, dürfen uns das (noch) nicht herausnehmen. Oder hast du je von einem Kochlehrling gehört, der am dritten Tag seiner Ausbildung im Restaurant seines Chefs den Anspruch hatte, die Speisekarte umzuschreiben, nur weil das künstlerisch wertvoll wäre und darüber hinaus seine nicht vorhandenen Kochkenntnisse kaschieren täte?
Dieser Vergleich, Tom, hinkt für mich. Das meinte ich nicht.
Es geht nicht darum, aufs Geratewohl die Speisekarte umzuschreiben. Es geht darum, einem Gericht, dass schon immer so und nicht anders zubereitet wurde, durch Veränderung, vielleicht Hinzufügen eines neuen Gewürzes, eine neue Geschmacksrichtung zu verleihen. Das Umschreiben der Speisekarte mag dann später kommen, wenn sich die Veränderung als überzeugend erwiesen hat.
Soll heißen, zurückinterpretiert auf die Sprache: Damit diese lebendig bleiben kann, braucht es immer wieder neue Impulse. Und da Sprache zwar hohes, aber auch allgemeines Gut ist, dürfen diese Impulse durchaus auch von denen kommen, die noch keine Virtuosen sind - vorausgesetzt, sie gehen achtsam mit dem Instrument um.
Ich gebe an und an Workshops für kreatives Schreiben an Schulen. Mitunter kommt eines der Kids mit einer eigenwilligen, schrägen, gegen die Regeln verstoßenden, aber aussagekräftigen Wortschöpfung daher - ich werde den Teufel tun und den kreativen kleinen Geistern das verwehren! Dafür ist der Deutschunterricht da ...
Und um wieder zurück zu eigentlichen Thema zu gelangen: Statt uns daran festzubeißen, dass die große Ingeborg Bachmann da offenbar einen kleingeschriebenen formalen Fehler begangen hat, sollten wir uns besser fragen: Was mag der Grund dafür sein?
Das, und nichts Anderes, ist für mich gelungene Interpretation.
Ich wollte eigentlich noch eines meiner Gedichte einstellen, weil ich die Anregung wirklich gut finde, aber das wird mir zu eng hier. Ich bin raus - und wünsche den Verbleibenden bei jeglicher Interpretation viel Vergnügen.