Blende 11 – wieviel Licht braucht der Fotograf?
In den letzten Jahren wurden die Objektive immer lichtstärker. Blende 1.2 von 35 – 85 mm (mit AF), 1.4/105, 1.8/135. Dies führte dazu, dass auf der einen Seite die (spiegellosen) Kamera immer leichter und kleiner wurden, aber die Objektive immer schwerer. 1 kg für eine Standardbrennweite, 1.2/50 oder 1.2/85, ist schnell erreicht.Am anderen Ende der Skala galt lange Zeit Blende 5.6 als Untergrenze, die erst von den unabhängigen Objektivherstellern, dann auch von den Kameraherstellern auf Blende 6.3 erweitert wurde.
Jetzt hat Canon die Grenzen erweitert und Objektive mit Anfangsblende 7.1 oder weniger auf den Markt gebracht. Canon RF 24-105mm F4-7.1 IS STM, Canon RF 100-500mm F4.5-7.1 L IS USM und ganz neu Canon RF 600mm F11 IS STM und Canon RF 800mm F11 IS STM.
Blende 11?! Wie exotisch! Ist das praktikabel?
Ganz so exotisch ist die Blende nicht. So gab es in den 50er und 60er Jahren das Novoflex Schnellschussobjektiv mit den Objektivköpfen Noflexar 8/600 mm und Noflexar 9/640 mm. Nikon brachte in den 70er und 80ern die Teleobjektive 8/800 mm und 11/1200 mm sowie die Spiegelobjektive 11/1000 mm und 11/2000 mm.
Der Wechsel auf Phasen-Autofokus verlangte min. eine Offenblende von 5.6. Daher verschwanden Objektive mit geringerer Offenblende in der Versenkung. Neuere Hi-End-DSLRs ermöglichen auch AF-Messung bei Offenblende 8, aber nur über die Messzellen in der Bildmitte. Bei dem Spiegellosen sitzen die AF-Sensoren auf dem Sensor – Canon verwendet sogar die gleichen Zellen für die AF-Messung wie für das Foto selbst – daher gibt es die Grenze von Blende 5.6 nicht mehr. Zudem könnten die Spiegellosen zum Kontrast-AF wechseln, falls es dem Phasen-Autofokus zu dunkel werden sollte.
Von Blende 5.6 zu Blende 11 sind es zwei Stufen. Ich finde, dass können moderne Sensoren locker ausgleichen. Bei den aktuellen Vollformat-Kameras von Canon, Nikon oder Sony kann auch ISO 1600, ISO 3200 oder ISO 6400 problemlos verwandt werden. Etwas Rauschen haben diese Empfindlichkeiten, aber das kann man imho ohne Qualitätsverluste im RAW-Konverter kompensieren.
Canon bietet zweimal zwei Teleobjektive für die R-Serie an: EF 5.6/600 und RF 11/600 sowie EF 5.6/800 und RF 11/800. Die EF-Objektive verlangen einen Adapter, aber der spielt bei Preis und Gewicht der Objektive keine Rolle. Es gibt auch keine Funktionseinschränkung für EF-Objektive am RF-Bajonett. Daher hätte ich es als wenig geschickt empfunden, je ein RF 5.6/600 und RF 5.6/800 parallel zu den EF-Modellen in den Markt zu bringen.
Was sind die Unterschiede? Vergleich 800 mm:
- Das RF 800 wiegt nur ein Viertel des EF-Modells.
- Es kostet nur ein Bruchteil. Liste 1022,55 € zu 13.792,30 €.
- Das RF 800 ist zusammenschiebbar und hat ein Packmaß von 281 mm. Damit passt es in einen Foto-Rucksack.
- Das RF 800 kann nicht abgeblendet werden. Es hat Festblende 11, ähnlich einem Spiegelobjektiv, aber ohne dessen seltsamen Bokeh-Look. Das EF-Pendant kann von Blende 5.6 bis 32 abgeblendet werden.
- Beide haben einen Stabi für vier Blendenstufen.
- Dem RF 800 fehlt ein Stativschuh – in meinen Augen der einzig wirkliche Nachteil.