Werter Master O, Liebe P,
ich muss glaube ich noch eins klarstellen: es geht mir nicht um Orgasmen. Ich habe erst in den letzten 2 Jahren gelernt überhaupt öfter zu kommen. Von daher erwarte ich dahingehend ohnehin gar nichts. Mit Erwartung und Druck klappt es ja auch nicht. Ich habe irgendwann auch jedem gesagt, er soll bitte bloß nicht versuchen mir einen Orgasmus zu bescheren.
Was ich meine, ist der Zustand der großer Erregung. Und dass es ja in der Kontrolle des bzw. der Herren liegt, ob sie gefördert wird oder eben nicht. Als Extrembeispiel: Wenn ich nur mit Vanillas Sex haben müsste, dann wäre für mich der einzige erregende Aspekt daran, dass ich es muss und damit diene. Oder wenn ich nur Getränke und Essen serviere und sonst nichts passiert.
Das ist kein Problem für mich das zu tun und ich tu es ja auch wirklich gerne.
Aber auf Dauer „nur“ solche Dinge zu verlangen, die meine Erregung relativ kalt lassen, das wäre schon ganz ehrlich frustrierend.
Und so Sätze eben wie „deine Lust ist egal“ würden für mich bedeuten, dass man einfach nur Dinge tut, die ich nicht erregend finde. Und das würde psychisch wohl nicht gut gehen.
Vielleicht habe ich das auch falsch interpretiert, weil ich „egal“ mit „unerwünscht und zu vermeiden“ gleichgesetzt habe. Ich denke, dass „egal“ wohl in der Realität eher als „ein nettes Nebenprodukt“ und „normalerweise nicht im Fokus“ gemeint ist.
Vermutlich hat mich dieser Satz nur so negativ getriggert, weil ich es viel zu oft wirklich erlebt habe, dass es Männern - insbesondere Vanillas - zutiefst egal war, wie es mir geht und wie ich es finde. Und da spreche ich noch gar nicht von Orgasmen, bei denen ohnehin bis vor kurzem klar war, dass das keiner schafft. Das hat mich doch sehr verletzt und geprägt. Aber es war hauptsächlich meine eigene Schuld. Momentan kommt einiges in mir hoch, was ich grad verarbeite.
Ich denke, dass ich einfach Angst habe, weil mich, seit ich mit 19 in die BDSM-Szene gekommen bin (also vor 14 Jahren), viele Enttäuschungen und vor allem Unverständnis von sogenannten „Doms“ geprägt haben. Ich hab quasi fast jeden Fehltritt, den sub begehen kann, durch. Vor allem auf die ganzen Vanilla-Swinger, Soft-BDSM und oberflächlichen, Mindfuck-losen und damit kaum erregenden Sessions hätte ich echt verzichten können. Das hinterlässt Spuren, aber ich sehe es trotzdem positiv. Ich wäre nicht die, die ich bin, ohne diese Erfahrungen. Verantwortungsbewusste, authentische und empathische Herren, die wissen wie sie mich richtig anpacken, weiß ich dadurch auf sehr schmerzhaft erlernte Art und Weise wirklich zutiefst zu schätzen. Ich vermute in der O-Szene gibt es davon sehr viele, aber bevor ich das nicht bestätigend spüren durfte, wage ich es nicht mir zu erlauben, all zu viele Hoffnungen zu haben und beäuge eben alles sehr kritisch. Es könnte ja wieder verletztend enden.
Entschuldigung, dass das jetzt so ein langer Post wird. Aber ich möchte neben der ganzen Reflexion im oberen Text trotzdem noch auf einiges eingehen.
P schrieb: „Mein Herr sagte schon öfters, dass es ein schönes Gefühl ist, einer Frau das Verlangen anzumerken, auch der Orgasmus ist natürlich wohl schön, wenn er eben erzeugt wurde und nicht eingefordert von ihr.“
Ja. Genau das ist der für mich wichtige Punkt. Ich möchte, dass mein Verlangen etwas positives und erwünschtes ist, das man gerne fördert. Ohne dass es eine Erwartung oder gar Pflicht wäre. Orgasmen einfordern kann ich sowieso nicht, weil die noch relativ unkontrollierbar sind und weder auf meinen Wunsch, noch auf eine Bitte von mir, noch auf seinen Befehl zu erzeugen sind. Am ehesten funktioniert das ohnehin automatisch, wenn es hauptsächlich psychisch, aber auch physisch härter zu geht. Es wäre schon toll, wenn meine Orgasmen zu etwas werden würden, was mein Herr kontrollieren kann. Ich denke wir sind da auf dem richtigen Weg. Ich komme jetzt ja schon öfter, was für mich sehr emotional befreiend ist das überhaupt zu können.
„Ich glaube die Quintessenz ist einfach dass die O nicht zu bestimmen hat wie Master O ja auch schon verdeutlicht hat.“
Ja. Wobei ich für meine Psyche immer folgenden Teil anhänge: In einer sexuell und partnerschaftlich funktionierenden, harmonischen Ds-Liebesbeziehung.
Ich habe halt von einem Ex-Freund (Narzisst) oft gehört: „Du musst das tun, denn ich bin der Meister.“ Allerdings in Alltags-Situationen, die unsere angeknackste, toxische Beziehung noch weiter in den Abgrund gezogen haben. Mein Vertrauen in den gesunden Menschenverstand von Doms ist da leider dran kaputt gegangen. (Und noch viel mehr hat der Idiot kaputt gemacht.)
P, wenn deine Worte wirr waren, was für ein Chaos habe ich dann hier zusammengeschrieben?
Master O schrieb:
„Die Os, die ich kennen gelernt habe, empfinden es meistens als befriedigend zu dienen. Hierzu gehört auch eine gewisse Bedingunglosigkeit.“
Von dieser romantisierten, idealisierten Vorstellung bin ich, wie Sie vielleicht aus dem ganzen vorherigen Gerede von mir herauslesen können, durch schmerzhafte Erfahrungen „befreit“ worden. Es gibt keinen Weg zurück. Was geschehen ist, ist geschehen. Es gibt keine komplette Bedingungslosigkeit und jeder, der sich als tabulos bezeichnet, war schlicht glücklicherweise noch nicht in der Situation, dass diese nötig gewesen wären.
„Ein Herr tut daher gut daran, eine gewisse, oder sogar maximale Unklarheit darüber zu lassen, wie er wozu steht. […]“
Puh. Da bin ich sehr zweigeteilter Meinung. Klar, wenn es um Planungen von Sessions oder Erlebnissen geht, dann natürlich. Wo bliebe der Reiz, wenn alles nach Drehbuch läuft und es keine Herausforderungen gäbe.
Doch bei grundsätzlichen Einstellungen zum Leben als Ds-Paar, schrillen bei mir alle Alarmglocken, wenn ich in Unsicherheiten gehalten werde. Denn alles was ich nicht weiß, füllt mein Unterbewusstsein mit Negativem. Wenn ich nicht wüsste, dass mein Herr möchte, dass ich Lust empfinde, und er mir ständig sagen würde, wie egal ihm meine Lust ist, dann würde es sich für mich anfühlen, als wäre mein Wohlbefinden und meine seelische Gesundheit ihm egal. Und dann habe ich kein Vertrauen mehr.
Also bei allen Themen, die grundlegend wichtig sind, um erfüllt und gesund zu leben, macht Unklarheit ziemlich viel kaputt.
Ich denke allerdings, dass ich einfach in so einigen Themen inzwischen anders ticke als früher.
Meinem Herrn vertraue ich tatsächlich nahezu bedingungslos. Und je mehr wir übereinander wissen, umso tiefer wird das Vertrauen und meine Hingabe. Weil er mir einfach hilft meine Vergangenheit zu bewältigen und zeigt, dass er vertrauenswürdig ist. Und weil er mir zeigt, dass ich ihm es wert bin und er mich ernst nimmt, obwohl ich vielleicht etwas seltsam und extrem bin.
Das klingt jetzt so als könnte ich niemandem sonst vertrauen. Das stimmt nicht, das kann ich sogar sehr gut bis zu gut. Nur die endgültige Bedingungslosigkeit in den kleinen Details, die sind schon schwierig. Wobei ich auch hier denke, dass viele denken, dass es bedingungsloses Vertrauen ist, aber dass es einfach nie so richtig auf die Probe gestellt wurde. Vielleicht auch besser so. Denn wer hoch fliegt, der fällt auch tief. Und der Aufprall wird sehr hart.
Ob wohl jemand so weit liest?
Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich das so posten soll. Aber der Austausch über solche Themen ist für mich eine gute Art damit klarzukommen. Und da ich mich nicht für meine Vergangenheit schäme, sondern sehr stolz darauf bin, trotzdem an dem Punkt zu sein wo ich jetzt bin, habe ich mich entschieden es mit Ihnen / euch zu teilen. Vielleicht hilft es ja jemandem oder regt zum Nachdenken an. Mir selber hat es geholfen und mich wieder einen kleinen Schritt weiter gebracht auf meinem Weg.
Daher abschließend ein großes Danke an dich, P, und an Sie, Master O, für die Unterstützung bei meiner Selbstreflexion. Es hat mich beruhigt, dass wir die richtige Richtung einschlagen und ich nicht in die nächste Katastrophe steuere, die mir nicht gut tut. Denn bei aller Hingabe ist mein höchstes Gut nun mal meine seelische Gesundheit.
Liebe, nachdenkliche Grüße,
Kiwi