Ich finde das alles ist nur dem tieferen SINN eines konsensuellen Machtgefälles. Wer nur auf die Szene hört und sich allenfalls mit den Wurzeln der Neigung beschäftigt, schaut oft gar nicht mehr aufs ganz normale Beziehungsleben, das ja oft mehr ein “Beziehungselend” ist. Dabei kommt das intensive Erleben, das in Beziehungen mit DS-Elementen so tief berührt, zu großen Teilen aus der Vermeidung und Umschiffung dieses von vielen in vergangenen Beziehungen ausschweifend erlittenen Elends – ganz unpathologisch also, als eine Art radikaler Befreiungsschlag.
Die Etablierung einer klaren Hierarchie aus freier Willensentscheidung beider Beteiligter beendet nämlich erst einmal den üblichen Machtkampf, der das Liebesleben vieler Paare bestimmt: Wer hat recht? Wer sagt, was anliegt? Wer bestimmt, wann es zur sexuellen Begegnung kommt? Vom offenen Streit bis hin zu subtilen Formen emotionaler Erpressung bildet diese Auseinandersetzung ja weithin den Beziehungsalltag, sobald die rosa Wolke der ersten Verliebtheit nicht mehr trägt.
Mittels einer klaren Hierarchie wird dem jeglicher Boden entzogen: Wann immer “Dom” will, ist “Sub” zu Diensten! Da beiden Seiten die Freiwilligkeit, ja Erwünschtheit dieses Arrangements jederzeit bewusst ist, verfallen die Partner gar nicht erst in die Routinen und Gewohnheiten des üblichen Machtkampfes, sondern gewinnen einen Freiraum, im neuen, so grundsätzlich anderen Rahmen Erfahrungen mit sich selbst und dem Partner zu machen.
Der Machtkampf verunmöglicht die Selbsterfahrung in der Sache – und genau das ist in DS-Arrangements anders. Hier konzentriert sich Sub auf die Aufgabe und versucht, zu gehorchen, was immer “der Herr” oder “die Herrin” auch verlangt.
Der Blick wendet sich nach innen, hin zum eigenen Erleben mit der ungewohnten Zumutung: Kann ich das? Was denke, fühle und empfinde ich dabei? Wie weit reicht meine Fähigkeit, zu leisten, was Dom wünscht, bzw. zu ertragen, was er/sie verordnet? Wo ist die Grenze? Was bedeutet “Grenze”? Wie gehe ich mit inneren Widerständen um? Woher kommen sie, was bedeuten sie im Einzelnen? Kann ich meine Gefühle und Empfindungen zeigen oder verstumme ich? Warum?
Sub erlebt ein spannendes Match zwischen Körper, Geist und Gefühl, lernt, wie diese Ebenen aufeinander wirken bzw. miteinander verschränkt sind. Mit zunehmender Erfahrung ereignen sich Entwicklungen und Veränderungen: die oft falschem Vorstellungen vom “richtigen BDSM” verlieren sich, etwa die Idee, dass Sub immer passiv und still Doms Befehlen gehorchen sollte, was der natürlichen Gefühlslage angesichts so mancher Herausforderung doch gar nicht entspricht. Sub lernt, dass es möglich ist, spontan Gefühle zu zeigen, auch OHNE den Konsens über das Machtgefälle grundsätzlich in Frage zu stellen – Dom lernt, mit der gelegentlich “renitenten” Sub umzugehen, ohne sich gleich als Dominanter in Frage gestellt zu sehen.
Denn auch für den dominanten Partner ändert sich das gesamte Erleben, wenn er nicht mehr um die Macht kämpfen muss, sondern von vorne herein das Sagen hat. Auf zwei Ebenen eröffnet sich ein neues Feld. Einerseits das der freien Selbsterfahrung: Was will ich eigentlich, wenn ich “alles haben” kann? Was ist denn im einzelnen “meine Lust”? Worin besteht der Kick dieser oder jener Zumutung an Sub? Fantasie und Kreativität bekommen einen ausgedehnten Abenteuerspielplatz, auf dem jede Menge Experimente möglich sind. Das innere Bangen, ob das jeweilige Ansinnen beim Partner “ankommt”, ist durch das vereinbarte Machtgefälle zumindest insoweit befriedet, dass es nicht grundsätzlich um die “Berechtigung” geht: Dom hat (im Prinzip) immer recht und darf “alles” verlangen – DAS ist das befreiende Arrangement, auf dessen Bestand Dom vertrauen kann.
Wie weit kann ich gehen? Wie weit wird Sub folgen? Wo sind die Grenzen und wie erkenne ich sie? Das ist das zweite “neue Erlebensfeld”, das sich erst durch Abwesenheit des üblichen Machtkampfes, bei dem es nur um die eigene Durchsetzung geht, eröffnet: Intensive Zuwendung, genaue Beobachtung, Konzentration der Aufmerksamkeit auf das Verhalten von Sub und kleinste Anzeichen des Befindens (Fürsorge). Wenn ich das Sagen habe, trage ich auch Verantwortung und muss darauf achten, nicht zu weit zu gehen.
Auch intensive und ehrliche Kommunikation mit dem submissiven Partner ist erforderlich, um das Spiel an den Grenzen erfolgreich spielen zu können. Denn alleine aus den Reaktionen lässt sich nicht immer entnehmen, ob Sub bereits am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen ist, egal wie aufmerksam Dom schaut. Es ist ja gerade das “Verschieben der Grenze”, das viele Subs erleben wollen, wozu dann auch das Ertragen und Ausdrücken negativer Emotionen und Widerstände gehört. Hier hilft also nur das miteinander Reden, der offene Austausch über das je eigene Erleben und die daraus erwachsenden Wünsche und Ängste. Dies zu tun, bzw. dafür eine Form zu finden, die das Erleben nicht stört, und den Dominierenden nicht zum bloßen Umsetzer von Subs Kopfkino-Szenarien degradiert, ist für Einsteiger (bzw. mit einem neuen Partner) oft nicht leicht, für eine auf längere Dauer angelegte Beziehung jedoch unverzichtbar. Unterm Strich müssen beide Seiten im gemeinsamen Arrangement Erfüllung finden