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Wem dient Political Correctness wirklich? -think-

*****ida Frau
17.303 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Wem dient Political Correctness wirklich? -think-
Heute hab ich einen Blog-Beitrag von Frau Schrupp gelesen, in dem sie die diesjährige Vergabe des Literaturnobelpreises (bzw der Literaturnobelpreise!) thematisiert.
Bekommen werden ihn Peter Handke, der streitbare Österreicher und Olga Tokarczuk, eine polnische Autorin.

Die These, die sie entwickelt, fasziniert mich und ich finde sie extrem anregend und bin daher gespannt, was ihr dazu meint!

Schrupp argumentiert, ausgehend vom Medienecho, das der Bekanntgabe folgte, dass es natürlich eine Frage der 'political correctness' war, die mit beeinflusste, an wen die Preise dieses Jahr vergeben werden.**
Doch sie argumentiert unerwartet: nicht Frau Tokarczuk als Frau ist die Besonderheit, die qua quote 'geschützt' bzw protegiert werden muss, sondern Herr Handke als weißer Mann aus dem Westen. *g*
ja, richtig gelesen: im Grunde diene die Quote, so Schrupps These, den weißen Männern in der Literatur.

Die Behauptung, Frauen (und andere „Andere“) müssten heutzutage immer irgendwie vorkommen, verschleiert nämlich die Tatsache, dass die Werke von Frauen oder von anderen Anderen häufig einfach interessanter sind als das, was die weißen Männer so schreiben.
Nicht weil sie qua Geschlecht oder Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund besser oder wertvoller wären, sondern weil sie als „Andere“ einfach Perspektiven und Erfahrungen haben, die den weißen Männern fehlen.
Nämlich die Erfahrung eines Andersseins, das nicht aus der eigenen Individualität herrührt (weiße Männer sind groß darin, sich persönlich „anders“ zu fühlen als die ganze Welt), sondern aus einer Zuschreibung von außen, der man ausgeliefert ist.
Eine solche Erfahrung des Andersseins, die daher rührt, gegen den eigenen Willen in eine demografische Schublade gesteckt zu werden („die Frauen“, „die Muslime“). Die Erfahrung des Andersseins, die eine Folge des „Othering“ als gesellschaftlichem Prozess ist.

Ich stelle fest, dass ich diese Argumentation so frisch und anders und neu empfinde, dass ich nach einiger Zeit des Sacken-Lassens komplett mit ihr konform gehe: als Frau bin ich es gewohnt, 'die andere' zu sein; Männer sind die Norm (ich lese gerade einen interessanten Artikel über Schulmedizin und Pharmaindustrie, die so gut wie alle Medikamente bis vor kurzem ausschließlich (!) an Männern testete und damit billigend in Kauf nahm, dass sie bei Frauen nicht oder anders oder gar gegenteilig wirken könnten).
Als Frau wachse ich auf in dem Wissen, dass ich zwar immer (herzlich) mitgemeint bin, wenn von Schülern/Studenten/Arbeitnehmern/Bürgern die Rede ist, dass Frau-Sein aber irgendwas ist, das 'anders' ist als das normale. Und was normal ist, gaben lange Zeit eben die weißen Männer vor.
Daher ja: über Anderssein - und eben nicht, weil ich (!) als Person mich anders fühle, sondern weil mir meine Umwelt sagt, ich sei 'anders', ich würde zu 'den Anderen' gehören - über das Gefühl, nicht zur Gruppe der Normalen zu gehören, zur Gruppe der selbstverständlich und schuldlos und arrogant Tonangebenden zu gehören, über den Schmerz, die Verwirrung, die Wut können nur wir schreiben, die wir "zu Anderen gemacht" wurden:
Frauen
MigrantInnen
LBTQ
People of Colour
Menschen mit körperlichen Einschränkungen - kurz alle, die nicht weiß, westlich und männlich sind.

Und Schrupp führt weiter aus, dass eben in unserer heutigen Welt, die so komplex ist und selten einfache Antworten bereithält, die von uns fordert, uns immer wieder auf neue Situationen einzustellen, die uns zwingt, nie mit dem Lernen aufzuhören und über den Tellerrand zu schauen, dass in dieser Welt Berichte von Menschen, die quasi 'von außen' berichten, davon, wie sie sich anpassen, welche (neuen und un_erhörten!) Wege sie gehen, welchen Mut sie brauchen, Gold wert sind.

Insofern sei die Vergabe an einen der Vertreter der Riege der weißen Männer ein Akt der Rücksichtnahme wegen der Quote: weil weiße Männer eben selten mit Geschichten aufwarten könnten aus der spannenden und interessanten Perspektive von außen, werden ihre Geschichten mitunter immer langweiliger, redundanter, nabelschauiger und irrelevanter. Dass diese Männer also überhaupt noch Preise bekämen, hätten sie der 'political correctness'-Quote zu verdanken.

Überspitzt? Sicher *smile*
und:
Ja, ich finde sie hat Recht.
Was meint ihr?
Ich freue mich auf eine spannende Diskussion *gg*

Der Artikel:
https://antjeschrupp.com/201 … orrectness-als-maennerquote/

** Warum dieses Jahr 2 Literaturnobelpreise? Weil die Jury letztes Jahr nicht entscheidungsfähig war: aufgrund eines massiven Mißbrauchs-, Veruntreuungs- und Indiskretions-Skandals waren viel zu viele Jurymitglieder zurückgetreten oder hatten ihr Amt niedergelegt.
*****ida Frau
17.303 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Anmerkung: mir geht es gar nicht um die literarische Qualität der Werke von Herrn Handke oder Frau Tokarczuk, die ist ja sowieso eine durchaus diskussionswürdige Kategorie, mir geht es auch in keiner Weise um Herrn Handke als Mensch, es geht um die Dahinterstehende Denke, ich hoffe, das ist wie immer klar! *g*
*******blau Mann
3.560 Beiträge
Die Annahme, daß Frauen und andere "Andere" schon durch das Anderssein andere Perspektiven haben und Interessanteres schreiben können und es auch tun klingt beim ersten Mal plausibel. Vor allem birgt es die wichtige Erkenntnis, daß Frauen zu den "Anderen" gehören, nicht die Norm sind, was aber auch nicht gerade neu ist. Und beim zweiten Mal klingt es immer noch plausibel. Beim dritten Mal kommen die ersten Einschränkungen und Ausnahmen in den Sinn, ob sich das alles so übers Knie brechen lässt. Ich nenn mal die für mich wichtigste. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, die gesellschaftliche Klasse in die die Autorin / der Autor geboren wurde und in der sie sich jetzt befindet. Die Perspektive auf die Gesellschaft wird hiervon am meisten geprägt.

Aber sei's drum. Geschenkt. Schrupp nimmt einfach ihre Annahme und schleppt sie an den Haaren rüber zu der Vergabe des Nobelpreises und sagt 'Jetzt spielt mal miteinander'.

Aber die beiden haben sich nichts zu sagen. Das Komitee ist gar nicht so weit. Die waren bis letztes Jahr noch im 20. Jhd. und mussten nach den Skandalen dieses Jahr eine Frau wählen. Die haben es tatsächlich für politisch korrekt gehalten. Die sind da noch. Handke der zwar gut, aber jetzt auch nicht so gut ist bekommt einen, weil er schon lange wartet und zu dem Kreis weißer, alter, männlicher Autoren gehört, die zur ersten Riege gezählt werden. Tokarczuk haben sie dazu genommen. Also was nutzt es die Beweggründe hinter der politischen Korrektheit des Komitees umzudeuten, sie schönzufärben? Nur um die ausbaufähige und nicht gerade originelle Annahme vom Bessersein durchs Anderssein unterzubringen? Das ist doch schwach.

Also nochmal, selbst wenn mittlerweile die interessantere Literatur von Frauen geschrieben würde, ist doch nicht gesagt, daß das Komitee das auch so sieht und deswegen entschieden hat, wie es eben getan hat.
*****ida Frau
17.303 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Zitat von *******blau:
Also nochmal, selbst wenn mittlerweile die interessantere Literatur von Frauen geschrieben würde, ist doch nicht gesagt, daß das Komitee das auch so sieht und deswegen entschieden hat, wie es eben getan hat.

D'accord!
das ist Interpretation, geb ich dir recht. *gg*

Und sie war halt Anlass über das Anders-Sein nachzudenken, und das hat Spaß gemacht - weil, wir haben darüber gerade lange beim Frühstück diskutiert *smile*, das leider noch immer viel zu wenigen Menschen bewusst ist: wer 'die Anderen' sind, legt immer noch die meinungsbeherrschende Klasse fest. Und diese Einteilung ist a- willkürlich und war b- jahrhundertelang die unangefochtene Domäne weißer Männer.
Daher find ich jeden Anlass gut und recht, darüber zu reden!
Sonst ändert sich nie was *g*
*******blau Mann
3.560 Beiträge
Das ist wahr. Wenn das Bewusstsein sich nicht ändert, ändert sich gar nichts.

Was die Meinungsherrschaft angeht, und insoweit hat Schrupp nicht Unrecht, ändert sich das allmählich schon und die weißen, alten Männer geben sie langsam aus der Hand.

Ich fürchte halt nur, daß es noch dauert bis sich das auf unser Bewusstsein unter Unterbewusstsein auswirkt. Ne Meinung ist ist schwächer als eine Prägung.
***ui Frau
11.546 Beiträge
"die anderen" sind immer alle anderen aus der subjektiven sicht - egal ob mann/frau/divers über "die anderen" redet...
kommt für mich eher auf die intention drauf an, was ich mit "die anderen" ausdrücken will... differenzierend, ein- oder ausschließend.

wieder mal nur meine meinung *g* schönen sonntag euch allen!

P.S.: political correctness dient denen die's brauchen. *zwinker*
*******blau Mann
3.560 Beiträge
Mit dem "die Anderen", wie wir es hier benutzt haben sind alle diejenigen gemeint, die nicht dem Kern angehören, der über die Meinungsherrschaft verfügt.
*******_nw Frau
7.609 Beiträge
Bei mir hat dieser gedankliche Ansatz eine Menge angestoßen - ich denke seit Tagen darüber nach. Ich finde dass da eine Menge Wahrheit drin steckt.

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die meisten erstrebenswerten Eigenschaften mit 'männlich' assoziiert. Mut, Stärke, Verlässlichkeit, Treue, Rationalität - und das vor allem im Sinne von 'Vernunft', - handwerkliches Geschick und sicher noch einige andere die mir gerade nicht einfallen. Das Kuriose bei einer solchen Zuschreibung zu einem Geschlecht ist, dass damit quasi automatisch impliziert wird, andere Geschlechter und andere Gruppen wären, in Bezug auf diese Eigenschaften, 'männlich - X' - denn wenn sie alle diese Eigenschaften im gleichen Maße besäßen wären sie ja praktisch Männer. Und wo wäre dann der Unterschied?

Mit einer solchen Zuschreibung geht also zwangsläufig eine Abwertung anderer Gruppen einher, die vermeintlich weniger dieser positiven Eigenschaften haben - oder andere, die geringer geschätzt oder nur gelegentlich mal 'positiv' sind. Menschen, vor allem Frauen beispielsweise, die die gleichen Eigenschaften die Männern zugeschrieben werden aufweisen werden abgewertet, als Mannweiber oder nicht feminin dargestellt - eine 'richtige' Frau ist man also nur wenn man weniger ist als ein Mann ...

Diese Haltung schwingt in unserem Alltagsleben nach meiner Wahrnehmung sehr stark mit. Und das kann sehr wohl zu einem Gefühl der Fremdheit die von außen an einen heran getragen wird führen. Niemand wundert sich wenn einem Mann, nur weil er den entsprechenden Chromosomensatz hat, technisches Verständnis und handwerkliches Geschick pauschal unterstellt wird - obwohl es sehr viele gibt die nichts davon in nennenswertem Maße besitzen.

Umgekehrt erscheint es vielen normal. Frauen solche Fähigkeiten grundsätzlich erst mal abzusprechen. Frauen müssen erst mal aufwändig beweisen dass sie über solche Fähigkeiten verfügen - da reicht nicht mal dass sie einen Berufsabschluss in diesem Bereich haben oder einen Arbeitgeber der sie für diese Tätigkeiten bezahlt. Trotzdem fühlen sich viele männliche Laien berechtigt, ihre Kompetenz anzuzweifeln nur weil sie vermeintlich naturgemäß von der Sache mehr Ahnung zu haben meinen ...

Das war nur ein Beispiel das ich aus eigener jahrzehntelanger Erfahrung immer wieder erlebt habe, stellvertetend für viele andere Beispiele in denen Nicht-Männern weniger oder geringere Fähigkeiten unterstellt werden, völlig ungeachtet der jeweiligen Kompetenzen.
***ui Frau
11.546 Beiträge
*lol* so viel zum thema political correctness *zwinker*


*******blau Mann
3.560 Beiträge
Ich kann das nicht mehr witzig finden. Ich kann auch nicht als gerecht empfinden wenn dämliche Vorurteile aufgefahren werden, um sie anderen dämlichen Vorurteilen gegenüber zu stellen. Das baut nicht ein Vorurteil ab, sondern nur neue hinzu.
*****ida Frau
17.303 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
*dito*
*******na57 Frau
22.195 Beiträge
JOY-Angels 
Zumal ja die Gender-Medizin herausgefunden hat, dass Männer unter solchen Infekten echt mehr leiden als Frauen...
*******n_HH Frau
5.918 Beiträge
Für mich als weiße Mitteleuropäerin des Bildungsbürgertum, ist es relativ einfach ihrem Gedankengang zu folgen. ( Ich hoffe ich liege nicht falsch *lach*)
Agiere ich und betone ich meine Andersartigkeit... zementiere ich nicht nur diese Rolle, mache mich nicht nur indirekt abhängig von äußerlichen Maßstäben, sondern festige auch die gesellschaftliche Wahrnehmung. Denke ich ohne diese "Andersartigkeit" und lebe ich dies, gestalte ich aktiv an einer Gesellschaft ohne Andersartig, sondern mit selbstverständlicher Vielfalt.
Meine Luxuskrise in jungen Jahren jedoch, brauchte dringend die Abgrenzung und legte Wert auf "Andersartigkeit" . In der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter war mir diese Abgrenzung sehr wichtig und unter "den Anderen" fand ich eine Heimat und Identität. Rückblickend war es für meine Persönlichkeitsentwicklung sehr wichtig. Soviel zu mir persönlich.
Zudem:
Wie ist es als Mensch mit/ ohne... (Geschlecht/ Hautfarbe/ Name/ ohne Kategorie etc)
Wie finde ich Heimat(das Gefühl) und Zugehörigkeit, wenn ich vielfach auf Ablehnung/ Abwertung stoße? Und sei es nur temporär.
Schnell greifbar ist natürlich der Mensch neben mir, welcher sich auch "anders" nennt.
Wer bin ich dem Menschen diese Sehnsucht nach "Familie" (im Anderen neben mir), Ruhe und Heimat abzusprechen, wenn ich keinen Kraftquell/ keine Alternative bieten kann. Oder jene zwar nett ist, aber fern der eigenen gelebten Realität.
Ich würde wohl eher hoffen, das sich "im anders sein" nicht verschlossen werden muss/ zu werden braucht. Sich als gestalterisches Element in einer Gesellschaft zu sehen ( auch wenn es mir fern liegt, die Bürde für gesellschaftliche Veränderung jenen aufzuladen, die es in ihr mit am schwersten haben. Hier gibt es meist Probleme , die persönlich eine viel größeren Priorität haben), durchlässig und offen für "das andere" zu bleiben.
Jedoch auch akzeptieren, dass es aktuell Rückzugsräume/ Definitionsräume "des Anderen" braucht, um Gemeinschaften zu generieren und so als Gruppe mit Nachdruck aufzutreten. Sei es nun räumlich oder per Definition. Das Menschen Interesse daran haben sich weiterhin zu begegnen, sich kennenzulernen und gemeinsam gestalten wäre schön.
*******n_HH Frau
5.918 Beiträge
P.s.
. Für mich als weiße Mitteleuropäerin des Bildungsbürgertum, ist es relativ einfach ihrem Gedankengang zu folgen .
Damit meine ich nicht, dass ich ihr Anliegen inhaltlich verstehe, sondern daß es mit meinem Hintergrund relativ leicht wäre, dem nachzukommen.
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