Wem dient Political Correctness wirklich? -think-
Heute hab ich einen Blog-Beitrag von Frau Schrupp gelesen, in dem sie die diesjährige Vergabe des Literaturnobelpreises (bzw der Literaturnobelpreise!) thematisiert. Bekommen werden ihn Peter Handke, der streitbare Österreicher und Olga Tokarczuk, eine polnische Autorin.
Die These, die sie entwickelt, fasziniert mich und ich finde sie extrem anregend und bin daher gespannt, was ihr dazu meint!
Schrupp argumentiert, ausgehend vom Medienecho, das der Bekanntgabe folgte, dass es natürlich eine Frage der 'political correctness' war, die mit beeinflusste, an wen die Preise dieses Jahr vergeben werden.**
Doch sie argumentiert unerwartet: nicht Frau Tokarczuk als Frau ist die Besonderheit, die qua quote 'geschützt' bzw protegiert werden muss, sondern Herr Handke als weißer Mann aus dem Westen.
ja, richtig gelesen: im Grunde diene die Quote, so Schrupps These, den weißen Männern in der Literatur.
Die Behauptung, Frauen (und andere „Andere“) müssten heutzutage immer irgendwie vorkommen, verschleiert nämlich die Tatsache, dass die Werke von Frauen oder von anderen Anderen häufig einfach interessanter sind als das, was die weißen Männer so schreiben.
Nicht weil sie qua Geschlecht oder Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund besser oder wertvoller wären, sondern weil sie als „Andere“ einfach Perspektiven und Erfahrungen haben, die den weißen Männern fehlen.
Nämlich die Erfahrung eines Andersseins, das nicht aus der eigenen Individualität herrührt (weiße Männer sind groß darin, sich persönlich „anders“ zu fühlen als die ganze Welt), sondern aus einer Zuschreibung von außen, der man ausgeliefert ist.
Eine solche Erfahrung des Andersseins, die daher rührt, gegen den eigenen Willen in eine demografische Schublade gesteckt zu werden („die Frauen“, „die Muslime“). Die Erfahrung des Andersseins, die eine Folge des „Othering“ als gesellschaftlichem Prozess ist.
Nicht weil sie qua Geschlecht oder Hautfarbe oder kulturellem Hintergrund besser oder wertvoller wären, sondern weil sie als „Andere“ einfach Perspektiven und Erfahrungen haben, die den weißen Männern fehlen.
Nämlich die Erfahrung eines Andersseins, das nicht aus der eigenen Individualität herrührt (weiße Männer sind groß darin, sich persönlich „anders“ zu fühlen als die ganze Welt), sondern aus einer Zuschreibung von außen, der man ausgeliefert ist.
Eine solche Erfahrung des Andersseins, die daher rührt, gegen den eigenen Willen in eine demografische Schublade gesteckt zu werden („die Frauen“, „die Muslime“). Die Erfahrung des Andersseins, die eine Folge des „Othering“ als gesellschaftlichem Prozess ist.
Ich stelle fest, dass ich diese Argumentation so frisch und anders und neu empfinde, dass ich nach einiger Zeit des Sacken-Lassens komplett mit ihr konform gehe: als Frau bin ich es gewohnt, 'die andere' zu sein; Männer sind die Norm (ich lese gerade einen interessanten Artikel über Schulmedizin und Pharmaindustrie, die so gut wie alle Medikamente bis vor kurzem ausschließlich (!) an Männern testete und damit billigend in Kauf nahm, dass sie bei Frauen nicht oder anders oder gar gegenteilig wirken könnten).
Als Frau wachse ich auf in dem Wissen, dass ich zwar immer (herzlich) mitgemeint bin, wenn von Schülern/Studenten/Arbeitnehmern/Bürgern die Rede ist, dass Frau-Sein aber irgendwas ist, das 'anders' ist als das normale. Und was normal ist, gaben lange Zeit eben die weißen Männer vor.
Daher ja: über Anderssein - und eben nicht, weil ich (!) als Person mich anders fühle, sondern weil mir meine Umwelt sagt, ich sei 'anders', ich würde zu 'den Anderen' gehören - über das Gefühl, nicht zur Gruppe der Normalen zu gehören, zur Gruppe der selbstverständlich und schuldlos und arrogant Tonangebenden zu gehören, über den Schmerz, die Verwirrung, die Wut können nur wir schreiben, die wir "zu Anderen gemacht" wurden:
Frauen
MigrantInnen
LBTQ
People of Colour
Menschen mit körperlichen Einschränkungen - kurz alle, die nicht weiß, westlich und männlich sind.
Und Schrupp führt weiter aus, dass eben in unserer heutigen Welt, die so komplex ist und selten einfache Antworten bereithält, die von uns fordert, uns immer wieder auf neue Situationen einzustellen, die uns zwingt, nie mit dem Lernen aufzuhören und über den Tellerrand zu schauen, dass in dieser Welt Berichte von Menschen, die quasi 'von außen' berichten, davon, wie sie sich anpassen, welche (neuen und un_erhörten!) Wege sie gehen, welchen Mut sie brauchen, Gold wert sind.
Insofern sei die Vergabe an einen der Vertreter der Riege der weißen Männer ein Akt der Rücksichtnahme wegen der Quote: weil weiße Männer eben selten mit Geschichten aufwarten könnten aus der spannenden und interessanten Perspektive von außen, werden ihre Geschichten mitunter immer langweiliger, redundanter, nabelschauiger und irrelevanter. Dass diese Männer also überhaupt noch Preise bekämen, hätten sie der 'political correctness'-Quote zu verdanken.
Überspitzt? Sicher
und:
Ja, ich finde sie hat Recht.
Was meint ihr?
Ich freue mich auf eine spannende Diskussion
Der Artikel:
https://antjeschrupp.com/201 … orrectness-als-maennerquote/
** Warum dieses Jahr 2 Literaturnobelpreise? Weil die Jury letztes Jahr nicht entscheidungsfähig war: aufgrund eines massiven Mißbrauchs-, Veruntreuungs- und Indiskretions-Skandals waren viel zu viele Jurymitglieder zurückgetreten oder hatten ihr Amt niedergelegt.