"Sexworker" – Die vielen Facetten der SexarbeitWas fasziniert uns an Sexarbeit? Ein Buch sucht na

"Sexworker" aus dem Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag schaut hinter die Kulissen der Sexarbeit.
"Sexworker" aus dem Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag schaut hinter die Kulissen der Sexarbeit.

Sexworker bzw. Sexarbeiter/innen, das sind für viele in erster Linie Prostituierte. Doch diese Denke greift deutlich zu kurz. Denn (Tantra)Masseure, Stripper, Erotikshop-Betreiber, Pornodarsteller, Dominas, Anbieter von Telefonsex oder Erotik-Coaches fallen beispielsweise ebenfalls in die weit gefasste Berufsgruppe der Sexarbeiter. Den relativ neutral klingenden Begriff der Sexarbeit hatte man im Übrigen eingeführt, um Vorbehalte gegen die Tätigkeiten der in der Sexindustrie tätigen Menschen abzubauen. Das dahingehend nach wie vor viel zu tun ist, belegt die Existenz des "Internationalen Tages der Rechte für Sexarbeiter/innen", den wir heute, am 3. März 2015, begehen.

Zum besseren Verständnis und zum Abbauen von Vorurteilen möchte ein neues Buch viel beitragen. Dieses ist mit "Sexworker" betitelt und stellt wirklich interessante Fragen an weibliche Sexarbeiterinnen: Wer hat nun eigentlich die "Macht"? Derjenige, der bezahlt, oder derjenige, der die Handschellen verschließt? Wie funktioniert das Familienleben von Sexarbeiterinnen? Wann fühlt sich eine Prostituierte benutzt und wann geadelt? Warum kümmern wir uns so wenig um die sexuellen Bedürfnisse älterer Menschen? Oder wieso kaufen nach wie vor kaum Frauen sexuelle Dienstleistungen?

Diesen und vielen weiteren Fragen gingen die Autorinnen Cornelia Jönsson, Silke Maschinger und Tanja Steinlechner für ihr hochaktuelles und aufschlussreiches Buch auf den Grund. Eine der Autorinnen, Silke Maschinger, erlaubt uns einen kleinen Blick hinter die Kulissen von "Sexworker".

Wir verlosen drei Exemplare des Buches

"Sexworker" - 33 Frauen aus der Sexbranche im Portrait

In dem Buch "Sexworker" werden 33 Frauen vorgestellt, die sich beruflich, freiwillig und selbstbestimmt mit der Lust beschäftigen. Sie arbeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel in der Beratung, der Kunst, in Ladengeschäften, in SM-Studios, in der Prostitution oder sind Tantra-Masseure. Jeder Frau ist ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem man mehr über die jeweilige Frau erfährt als nur das, was sie beruflich macht. Ihre Geschichten machen Mut, sich seiner eigenen sexuellen Identität zu stellen und auch unübliche Lebenswege einzuschlagen.

Geschrieben wurde das Buch von drei Berlinerinnen: Cornelia Jönsson, Autorin von "111 Gründe SM zu lieben" & "111 Gründe, offen zu lieben". Die zweite Autorin ist Tanja Steinlechner, die sich beruflich mit dem Thema Sexualität sowohl als Autorin als auch als Lektorin befasst. Und als Dritte im Bunde bin ich dabei, Silke Maschinger, Coach, Autorin und Veranstalterin des Erotischen Salons in Berlin.

Die Idee hinter "Sexworker": Den Facettenreichtum der Sexarbeit illustrieren

Die Idee zu dem Buch hatte Cornelia Jönsson: "Kreativität und Sexualität sind Themen, die mir sehr am Herzen liegen und denen ich ja auch schon andere Bücher gewidmet hatte. Ich war immer wieder erstaunt darüber, wie vielseitig die Möglichkeiten sind, sich als Frau im Bereich Sexualität beruflich zu verwirklichen." Deswegen wollte sie ein Buch darüber machen und hat Tanja Steinlechner und mich gefragt, ob wir Lust hätten, gemeinsam mit ihr an diesem Projekt zu arbeiten.

Die Autorinnen von "Sexworker": Cornelia Jönsson, Tanja Steinlechner und Silke Maschinger © Schwarzkopf Verlag
Die Autorinnen von "Sexworker": Cornelia Jönsson, Tanja Steinlechner und Silke Maschinger © Schwarzkopf Verlag

Wir beide fanden die Idee spannend und waren sofort dazu bereit. Wir setzten uns zusammen, sammelten Ideen und Kontakte, wen wir alles gerne im Buch dabei hätten. Uns ging es um eine möglichst bunte Mischung aus allen unterschiedlichen Bereichen. Wir wollten nicht nur Prostituierte oder Dominas porträtieren, sondern auch all die anderen Frauen würdigen, die sich in ganz unterschiedlichen Bereichen dafür einsetzen, dass der Umgang mit Lust, Erotik und Sex leichter wird. Denn wo sollten wir auch eine Grenze ziehen: Beim Geschlechtsverkehr? Bei Orgasmen der Kund/innen? Auf welche Weise der Orgasmus zustande kommt? Ob er überhaupt immer das Ziel ist? Egal, in welchem Geschäftsfeld die vorgestellten Frauen tätig sind: Bei jeder einzelnen geht es um die Befreiung bzw. das Ausleben sexueller Lust.

Warum wir nur Frauen interviewt haben? Weil in den letzten 10-20 Jahren viele Frauen etwas verändert haben. Sie haben in unterschiedlichen Bereichen, sei es Beratung, Sextoys oder Pornos, ihre eigenen Wünsche und Ideen in die Tat umgesetzt und sich damit auch für einen gesellschaftlichen Wandel eingesetzt. Sie haben den männlich besetzten Markt der Erotik selbstbewusst um ihren weiblichen Blick ergänzt und damit grundlegend verändert.

33 Frauen sprechen über ihre Tätigkeit als Sexarbeiterinnen

Die von uns vorgestellten Frauen zusammenzufassen, ist eigentlich unmöglich. Sie sind zwischen 26 und 69 Jahren alt. Sie haben Kinder oder nicht, sind verheiratet oder nicht (mehr), sie leben in festen Beziehungen, in offenen Beziehungen oder sind gerade Single.

Sabines (eine Domina) heutiger Ehemann weiß, was sie tut, hört sich abends an, was sie vom Tag berichtet, und ist zufrieden darüber, dass sie keinen Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hat.

Einige hatten schon früh eine Ahnung davon, was später mal aus ihnen werden sollte (siehe die Leseprobe auf Seite zwei des Artikels). Dann gibt es diejenigen, die sich nie dafür interessiert haben, bis sie eher zufällig darauf gestoßen sind:

  • Anja Koschemann etwa interessierte sich mit Ende 20 zum ersten Mal für Sextoys. Doch sie fand nichts, was ihr wirklich gefallen hätte. Deswegen entwickelte die gelernte Chemielaborantin einfach selbst welche, errichtete einen eigenen Shop ("Selfdelve") und verdient damit seit neun Jahren ihren Lebensunterhalt.
  • Gundula Schildhauer, die Inhaberin des Hannoverschen Frauenerotikshops, hörte irgendwann eher zufällig von einem Erotikladen nur für Frauen und wusste einfach sofort: Ja, das ist es, was ich machen will.
  • Dann gibt es auch Frauen wie Katrin Laux, die Inhaberin des Dresdner Seminarzentrums "Sinnes Art". Sie hatte damals mit erotischen Massagen angefangen, weil sie als alleinerziehende Mutter dringend Geld brauchte. Und hat dann gemerkt, dass das eine Arbeit ist, die sie wirklich zutiefst befriedigte und die sie weiterentwickeln konnte.
  • Kristina Marlen wiederum wurde von anderen Menschen inspiriert. Sie hatte die Erfahrung als Physiotherapeutin gemacht, dass ihr sehr häufig "unanständige" Angebote gemacht worden. Sie entschied sich, das nicht zu verleugnen oder zu verdrängen, sondern arbeitet jetzt als Domina, Bondagekünstlerin und gibt Massagen.
Anja (Sextelefonistin) macht es wie die Anrufer: Die denken, sie hätte wirklich eine lange, dunkle Mähne, riesige Titten und rote Nägel, wie es in der Anzeige steht. Anja stellt sich derweil junge, muskulöse Typen vor...

Manche der Frauen sind sehr spirituell, andere wiederum ganz bodenständig. Für einige ist die Sexarbeit die finanzielle Grundlage für ihr Leben, für andere wiederum nicht. So unterschiedlich sie alle auch sein mögen, sie vereint, dass sie ihren Job freiwillig und selbstbestimmt machen. Sie arbeiten so, wie es ihnen gefällt, in Bereichen, für die sie ein Talent haben, und sie verdienen damit häufig ihren Lebensunterhalt. Aber sie tun es nicht nur des Geldes wegen, so wie andere vielleicht einfach an der Kasse im Supermarkt arbeiten gehen, sondern weil es für sie eine Art Berufung darstellt.

"Sexworker" entpuppt sich als lehrreiche Reise für die Autorinnen

Sexarbeiterinnen wird vorgeworfen, ihr Innerstes zu verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall! © afhunta
Sexarbeiterinnen wird vorgeworfen, ihr Innerstes zu verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall! © afhunta

Tanja hat während der Arbeit an "Sexworker" festgestellt, dass die vielen unterschiedlichen Sichtweisen ihrer Interview-Partnerinnen auf ihr Leben, ihren Beruf und ihr Verhältnis zur Liebe sie während der Arbeit an dem Buch stets aufs Neue überrascht haben. Die Gespräche mit den Frauen öffneten ihr Türen zu Gedanken- und Gefühlswelten, die sie ohne diese Gespräche nicht betreten hätte. Und Tanja hat für sich ein Vorurteil entkräften können: "Sexarbeiterinnen wird oft unterstellt, dass sie ihr Innerstes verkaufen. Unsere Interviews zeigen oft genau das Gegenteil: Gerade weil sich die Frauen so intensiv mit ihren Sinnen, mit Körperlichkeit und Grenzen auseinandersetzen, haben sie ein sehr feines Gespür dafür bekommen, was ihnen gut tut und was nicht."

Cornelia Jönsson hat durch ihre Gespräche plötzlich verstanden, welche Vorurteile sie selbst hatte. Sie dachte, es müsste etwas mit der Seele machen, wenn man seine Sexualität verkauft. "Doch so scheint es nicht zu sein. Meine Interviewpartnerinnen berichteten von dem Respekt und der Anerkennung, die freundliche Kunden und ein angemessenes Honorar bedeuten."

Für mich persönlich waren diese Gespräche sehr bewegend. Mich hat immer sehr interessiert, auf welchem Weg die Frauen zum Thema Lust gekommen sind und ich war wirklich fasziniert davon, wie unterschiedlich die Wege, Ansichten und Perspektiven dieser Frauen sind. Die vorgestellten Frauen machen ihre Arbeit aus tiefster Überzeugung und lassen sich auch von Widrigkeiten aller Art nicht davon abbringen, für ihre Sache einzustehen. Für mich sind diese Geschichten nicht einfach nur unterhaltsam, sondern ich möchte damit auch stellvertretend alle diejenigen würdigen, die diese gesellschaftlich nicht wirklich anerkannte und doch so wichtige Arbeit leisten.

Ressentiments gegen Sex und Erotik erschwerten die Arbeit an "Sexworker"

Ob es Probleme während der Realisierung des Buches gab? Nun, die meisten Frauen waren sofort bereit, bei diesem Projekt mitzumachen. Es gab aber auch einige Frauen, die sich nicht interviewen lassen wollten oder es nur anonym getan haben. Das hatte meist den Grund, dass sie sowohl im Bereich Erotik als auch in einem anderen Bereich arbeiten, der damit nichts zu tun hat.

Und auch wenn das hier im JOYclub sicher kaum vorstellbar ist, so betrachtet ein überwiegender Teil der Gesellschaft alles, was mit Erotik und Sex zu tun hat, immer noch als rotes Tuch. Deswegen vermeiden es viele, allzu öffentlich zu ihrer Sexarbeit zu stehen. Sie möchten verhindern, dass der negative Eindruck von Sexarbeit ihr zweites berufliches Standbein beeinträchtigt.

Eine Leseprobe zu dem Buch findet ihr auf Seite zwei unseres Artikels.

Alle Informationen zu dem Buch "Sexworker"

Sexworker - 33 Frauen, die mit Lust arbeiten
Porträts und Interviews
Von: Cornelia Jönsson, Tanja Steinlechner, Silke Maschinger
Broschiert: 312 Seiten
Verlag: Schwarzkopf & Schwarzkopf (1. Februar 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3862653911

Das Buch bestellen

Gewinnt drei Ausgaben von "Sexworker"

Gemeinsam mit dem "Schwarzkopf & Schwarzkopf"-Verlag verlosen wir drei Ausgaben des hier vorgestellten Buches. Wer eines der Bücher gewinnen möchte, muss uns sagen können, von wann bis wann die diesjährige "Leipziger Buchmesse" stattfindet.

Gesucht war: 12. - 15. März 2015


Gewonnen haben:
immoboy70
chillibeans
koerperfreuden


Wir wünschen ein paar interessante Stunden mit dem Buch!