21.02.21 Dortmund - Faber - Heile Welt (1157)

vor

Sehr guter Tatort!
Super emotional gespielt, leider sehr aktuell, spannend bis zum Schluss.... Sunshine Reggae 👍

Hass erzeugt Gegenhass, Gewalt trifft auf Gegengewalt – und jede Seite beansprucht die Wahrheit für sich – eine Wahrheit, die auf den berühmten alternativen Fakten beruht, weil man nur das sieht, was man sehen will.

Das ist das Grundszenario des neusten Tatorts aus Dortmund, des ersten reinen Dortmund-Tatort ohne Aylin Tezel (mal nur so by the way: Aylin Tezel ist Deutsche, in Deutschland geboren, in Deutschland aufgewachsen mit deutscher Mutter und türkischem Vater – soviel zum Thema „alternative Fakten“). Ersetzt wurde Tezel durch Stefanie Reinsperger als Hauptkommissarin Rosa Herzog, die gleich mal zu Beginn wie ein Güterzug in den Mordfall reindonnert, aber sehr schnell auch erkennen lässt, dass sie eigene Dämonen mit sich rumträgt. Ich erlebe sie als Bereicherung von Faber, Bönisch und Pawlak und bin gespannt, welche dunklen Flecken sich bei ihr in den kommenden Folgen offenbaren. Denn das Storytelling der Ermittlermannschaft war schon immer eine Stärke der Dortmund-Fälle… und hier passt Herzog bestens dazu.

Zum Fall selbst: auch wenn hier im Rezensentenkreis das Genöhle über diese ständige Thematisierung der rechts-links-Problematik in Deutschland groß ist, war dies in meinen Augen in „Heile Welt“ doch eigentlich nur Mittel zum Zweck, um Macht und Wucht von Social-Media-Mobbing zu demonstrieren. Willkommen in der Realität!

Ich empfand Handlung und Spannungsbogen sehr gelungen in Szene gesetzt… irgendwie hatte hier jede und jeder seinen Teil zur Eskalation der Situation rund um die Mordermittlungen beigetragen:
– Bönisch, die übermotiviert verhaftet hat, wo es zumindest in dieser Form nicht nötig gewesen wäre.
– Faber, der sich aus Liebeskummer genau dann gehen lässt und das Offensichtliche übersieht, als es am wichtigsten war.
– Herzog, die sich Anfangs nur allzu leicht von der vermeintlichen Wahrheit der linken Szene vereinnamen lässt.
– Pawlak, der sich im entscheidenden Moment um seine privaten Probleme gekümmert hat, statt konzentriert für die Ermittlungsarbeit zur Verfügung zu stehen.
– Die Polizeiführung, die Bönisch demonstrativ hat fallen lassen, wie eine heiße Kartoffel und so die aufkochende Stimmung der linken wie rechten Lager erst recht befeuerte.
– Hakim Khaled, der als Drogendealer wegen eines verschwundenen Kokain-Päckchens unter Druck stand.
– Sein Vater, dem nur der Schutz der Familie und die religiös motivierte Erziehung/Bestrafung seines Sohnes wichtig war.
– Der Hausmeister, der von seiner eigenen Schuld „nur“ ablenken wollte.
– Der ehemalige PC-Geschäft-Besitzer Jonowski, der Corona-bedingt seinen sozialen Halt verloren hat und dessen zutiefst verletztes Ego im falschen Moment die Oberhand gewonnen hat.
– Die rechte Szene, die sich mit Begeisterung für den „Schutz des Deutschen Volkes“ stark machte und Hetze betrieb.
– Die linke Szene, die sich mit Begeisterung für den „Schutz von Randgruppen“ und den Kampf gegen Polizeiwillkür stark machte und Hetze betrieb.
All die „kleinen Bürger“, die auf dieser wie jener Seite mit ihren Posts die Stimmung aufheizen und letztendlich eskalieren ließen.

Und letzten Endes war es eigentlich nicht mehr wichtig, wer am Schluss wirklich die Tat begangen hat und dass weder das Tatmotiv noch der Täter selbst aus der linken oder rechten Szene kam. Aber es war spannend, wie Regisseur Sebastian Ko die Dramatik in „Heile Welt“ konsequent bis zum Schluss aufgebaut und entwickelt hat. Ich habe mich zu keiner Sekunde gelangweilt – vielmehr hat mich der Sog der Hetze hin zur unausweichlichen Eskalation gefangen genommen und beschäftigt mich auch jetzt noch. Denn das Eskalationsszenario war nur zu realistisch.

Für mich mal wieder ein besonderer Fall des Dortmunder Ermittlerteams… ein besonders guter.

Zauberhase hat es trefflich zusammengefasst.
Wir fanden den Tatort, den Mord mal ausgenommen, sehr komplex und zeitnahe.
Irgendwie waren wir emotional sehr ergriffen, weil man gegenüber der Medienhetze, die Posts ballerten nach jeder Neuigkeit auf den Bildschirm, regelrecht ohnmächtig ist.
Was kann man tun, wenn man derart und dann auch noch unberechtigt zur Zielscheibe wird?

Wir mögen die dortmunder Ermittler.
Richtig, das war auch der 1. Auftritt von Hauptkommissarin Rosa Herzog. Eine Vorstellung gab es noch nicht, wenn ich mich richtig erinnere.
Schauen wir mal, was aus ihrer Vergangenheit noch hochkommt.
Faber war diesmal eher der stille Held.
Die neue Beziehung von Kollegin Bönisch setze ihm wohl doch etwas mehr zu, als er gedacht hätte.
Einen Knockout hab es noch dazu mit der Flasche.
In Western zerplatzen die immer so schön, das ist also eine Fehlannahme.

Was aus der Kokaingeschichte wird, kann man nur ahnen.
Der Vater (der Imam) hat absolut richtig gehandelt, aber der Verlust von 1. Kg dürfte Konsequenzen für den Sohn bedeuten. Das bleibt bekanntlich im Drogenmilieu nicht ungestraft.

Ein starker Tatort,- viele Gefühle, noch mehr Hass und intensive Gedanken an die "Heile Welt" bleiben in Erinnerung.


ER

Super Tatort, wobei gefühlt inzwischen jeder 2. Tatort Rechts/Links aufgreift, so langsam nervt es...

Rosa Herzog, also die Neue hat mir sehr gut gefallen, passt ins Team. Die Szene vor der Wohnung der Syrer war allerdings krass, da hat sie wohl ein wenig die Beherrschung verloren, als sie ihre Waffe zuckte, Pawlak brachte sie zum Glück recht schnell runter.

Ein wenig musste ich an die Folge "Hydra" zurückdenken, als Nora das Hakenkreuz auf den Bauch gemalt wurde... Das Faber tatsächlich verliebt ist, bezweifel ich, obwohl die Szenen sehr melancholisch dargestellt waren. Den Manta fand ich spitze, passte zu Faber wie auch:
"Sunshine, sunshine reggae
Let the good vibes
Get a lot stronger..."

Sehr sehr gute Beiträge, ich danke euch sehr dafür.

Das ist ein Film, den werde ich nicht sehen, das habe ich schon vor der Ausstrahlung beschlossen. Das Thema ist mir zu heftig, zu komplex, zu real, das verkrafte ich gerade nicht, eure Beiträge bestätigen mir, dass ich mich intuitiv richtig entschieden habe.
Und zum Dortmunder Team finde ich keinen Zugang, auch nicht nach einer Weile von einigen gesehenen Filmen.

Liebe Grüße von mir.

Der erste Tatort, der das Thema Corona aufnimmt. Ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie hat man sich nun also doch dazu entschlossen, um authentisch und zeitnah zu wirken, den Menschen Mund- und Nasenschutzmasken aufzusetzen. Anders wäre es auch kaum möglich, Massenszenen zu drehen, wie hier in einem Einkaufszentrum.
Hatte man im März 2020 noch gedacht, dass die Krise und der erste Lockdown bald vorbei seien und man die Masken nicht im Bild haben wollte, sieht es nun, ein Jahr später, ganz anders aus.

Ein Jahr "Tatort" im Kammerspiel-modus reicht irgendwie auch, finde ich, und so ist es der Typ, der in seinem leergeräumten Laden haust, der es als erster ausspricht, was der wohl am häufigsten gesagte Satz Deutschlands ist: "Wegen Corona ..." ist sein Laden pleite gegangen.

Dafür bekommt das Drehbuch von mir einen ganz großen Daumen Hoch!

Doch dann kam es mir vor, als wollten die Dortmunder einfach alles in diesen Fall hineinpacken, was sonst noch so los war in einem Jahr Pandemie in Deutschland und der Welt.
Polizeigewalt.
Linke und rechte Hetze
Fake News
Frau Böhnisch als George Floyd Opfer
Populistische Politiker ("Aus Ihnen hätten wir etwas Großes, etwas ganz Großes machen können")
Und dessen nicht genug kamen auch noch ein Kilo Koks ins Spiel und mit ihm ein Imman, der um den rechten Glauben seines Sohnes fürchtet. Klar, das Thema Frauenfeindlichkeit durfte in dem Zusammenhang natürlich auch nicht fehlen. ("Meine Frau spricht kein Deutsch")
Linker Investigativjournalismus, alles in Echtzeit per Handy, und dann doch die Fakten verdreht, damit eine Szene gut "passt". Bildbearbeitungsprogramme machen es möglich. Annika Freytag (Jaëla Probst) war da tatsächlich ein sehr hübscher Lichtblick. Leider eben vollkommen verbohrt.

Im krassen Gegensatz dazu dann Faber im Opel Manta. Die Sehnsucht nach der frühereren heilen Welt. Sunshine Reggae Das hatte schon etwas von Romantik. Dazu ein fesches Mädel neben sich. Frau Böhnisch. So ein Feeling von: Von Dortmund nach Rimini.

Doch Pustekuchen, Böhnisch schäkert mit Kollege Haller herum. So ein Pech. Bedeutungsschwangere Blicke, Augenbrauenzucken, Zeitlupe, Super Slow Motion ... es wurde kein Stilmittel ausgelassen.

Und dann kam Rosa! Rosa Herzog. "Ich bin die Neue". Sie brachte so etwas wie Herz und Bauch mit hinein in diesen Krawall-Tatort, und das tat dem Film auch wirklich gut. Und führte dann letztendlich auch zur Auflösung des Mordfalls. Fast schon typisch Tatort: Das Motiv lag wieder einmal ganz wo anders. Hatten wir schon vergangene Woche in "Hetzjagd" die verletzte Eitelkeit als Mordmotiv, taucht es hier auch wieder auf.

Fazit: Zwischendurch mal heiß duschen und die Klamotten wechseln kann die Würde des Menschen bewahren. Auch wenn die Zeiten grad nicht sehr wohlduftend sind.

Yes, so mag ich Tatort!

Nein, Polizist:innen, die Opfer von Social-Media-Shitstorms sind, sind jetzt nix so bewegend Neues, und ja, immer wieder eindrücklich, das so vorgeführt zu kriegen, wie sich Menschen fühlen, die völlig unschuldig und ohne Not und ohne ein Fitzelchen von Beweis an den Internet-Pranger gestellt und dem Shitstorm ausgesetzt werden.
Mir fiel sofort ein Kölner Tatort ein, in dem Freddy angeblich ein Mädchen angegrabscht hat und das auch böse Dinge im www nach sich zog....

Krass natürlich die Straßenschlacht-Szenen, rechts gegen links und links gegen rechts und alle gegen die Polizei.
Das ist für mich (!) das eigentlich erschreckende an diesen Szenen - und der hinterstehenden Realität - dass die Polizei, als Symbol für diesen Rechtsstaat, sowohl von links als auch von rechts nicht mehr akzeptiert wird als Exekutive.
Wie sehr die Menschen den abstrusesten Theorien und alternativen Fakten hinterherlaufen und mit der Meinungsbildung schneller bei der Hand sind, als sie "selber denken" sagen können, wird uns ja auch bei anderen aktuellen Themen gerade täglich vorgeführt... und ja, macht mir Angst.
Z.B. die Mutter auf dem Spielplatz zu Pawlak: die Tochter wird vom Kindergeburtstag ausgeladen, weil angeblich eine Kollegin von Pawlak rechts ist, und sie 'ein Zeichen setzen' müsse?!?! Was für eine Kinderkacke, sie KENNT den Pawlak doch? Oder nicht?!? Menschen sind furchtbar....
Fabers Kommentar zu dem ganzen Social Media-Irrsinn: "Je mehr die Menschen sehen, desto weniger verstehen sie." ja. ja. und ja. Leider.



Ja!!! Köstliche Szenen im alten Manta - und WIE gut stand der da, bitte?
Ich denke auch nciht, dass es Liebe ist, die Faber melancholisch machte, eher die Einsicht, dass er allein ist, weil sogar Frau B. einen Lover an ihrer Seite hat, während er....?
Und dann trifft er einen Menschen, mit dem es sich schön schweigen lässt - und was passiert? Er ist der Mörder. (Faber tanzend zu Cindy Lauper: das war doch echt ein Augenschmaus!! )
In dem Sinne finde ich schon, dass Faber da auf seinen Riecher vertrauen konnte, weil er letztlich doch von selber auf den Mörder kam - kann er die so gut erkennen, weil er selber eben so kaputt ist?

Frau Herzog gefällt mir sehr sehr. Ich freue mich auf diesen Bullterrier, die hat vielleicht eine Wucht

Oberbeängstigend für mich einmal mehr die fürchterlichen Argumente der Rechten 'wir müssen unsere Frauen beschützen' - DAS sind wahrlich schreckliche Aussichten, diese menschenverachtenden Würstchen sind die Letzten, von denen sich mensch beschützt fühlen kann!

Wiederholung von diesem Tatort Dienstag Abend: Tatort-Fans: ~2021 - Welche Folge läuft wann wo?