Ihr Lieben!
Ich finde es gar nicht so seltsam, dass die Frage nach "der Zahl" immer wieder gestellt wird, und auch, dass um sie immer wieder herum gedruckst wird.
Es erscheint mir als ein bilderbuchhaftes Beispiel für Daniel Kahnemanns Prinzip: "Ist das System (aus Denken und Fühlen etc.) mit einer Frage konfrontiert, die so komplex und schwierig ist, dass sie sich nicht ohne großen Aufwand beantworten lässt, so ersetzt das System die schwierige Frage durch eine leichtere und beantwortet diese. Selbst wenn die Antwort auf die leichte Frage nichts mit der Intention hinter der schwierigen Frage zu tun hat."
Die schwierige(n) Fragen(n), die hier betroffen sind, lauten in den meisten Fällen höchstwahrscheinlich:
• Wie erfahren ist er/sie/* im Umgang mit seiner/ihrer/*er Sexualität?
• Wie erfahren ist er/sie/* wohl im Umgang mit meiner Lust?
• Wie anspruchsvoll ist er/sie/*, wenn es um neue Sexualpartner geht?
• Welche Bedeutung hat das, was ich für ihn/sie/* gerade empfinde (Lust, Nähe, Vertrauen...) , in seiner/ihrer/*er Welt?
• Wie groß ist die Gefahr, dass ich im Umgang mit ihm/ihr/* Dinge passieren, die mir nicht gut tun? (gesundheitlich, körperlich, emotional)
• Kann ich ihm/ihr/* (körperlich und emotional) vertrauen?
All das sind wichtige Fragen, wenn es darum geht, eine/n neue/n Sexualpartner*in in unser Leben zu integrieren. All dies sind aber auch komplizierte Fragen. Es sind Fragen, von denen die meisten von uns nie gelernt haben, wie wir sie stellen können, ohne uns dabei unsicher, unbeholfen oder als Spaßbremse zu gelten.
Die Frage: "Wie viele waren es denn bei dir?" lässt sich leichter stellen. Die Antwort besteht nur aus einer Zahl. Der Haken ist, dass wir auf diese Weise weder erfahren werden, ob die Zahl, die wir hören, der Wahrheit entspricht. Noch, was diese Zahl wirklich aussagt. Denn das hängt von so so vielen Facetten ab, dass es mehr braucht als Pre-Sex-Smalltalk, um zu erfahren, was uns wirklich interessiert.
Ich besipielsweise habe mit etwas mehr als dreißig Frauen geschlafen in meinem Leben bisher. Aber was sagt das? Unter diesen dreißig Frauen waren ein paar (zum Glück waren es wenige und werden es voraussichtlich bleiben), deren Bedeutung bei Lichte betrachtet die einer Portion Pommes an der Raste gleichen: Ein Knebel für den drängenden Hunger, akut zwar durchaus wirksam, aber im Nachhinein kaum mehr hinterlassend als einen schalen Geschmack auf der Zunge und ein dumpfes Drücken im Darm. (Leider gilt dies so unisono für jede der wenigen Begegnungen, die ich bislang im Joyclub hatte. Was wiederum eine ganz andere Frage aufmacht. Nämlich die, ob ein offener Umgang mit der eigenen Sexualität allein einen Menschen zu einem guten Liebhaber oderr einer guten Liebhaberin macht. Meine Antwort hierauf lautet: Nein! Dazu braucht es noch einiges mehr!)
Andere Frauen dagegen, mit denen ich nie geschlafen habe, waren zum Teil viel bedeutsamer, weil sie mir Dinge gezeigt haben, mich neugierig machten oder mich inspirierten, meine gewohnten Grenzen zu verlassen.
Was also bleibt mein Fazit zu der Frage?
Vielleicht sollten wir beginnen, einander die richtigen Fragen zu stellen. Diejenigen Fragen, die uns wirklich interessieren. Diejenigen Fragen, deren Antworten uns wirklich etwas sagen.
Um diese Fragen zu stellen jedoch, reicht es nicht, sich für sexpositiv zu halten. Hierfür braucht es eine emotionale Reife und Kompetenz, die meiner Erfahrung nach bislang (selbst hier im JC?) noch eine gehörige Seltenheit ist.