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polyamores Somerville

*********marrn Mann
1.397 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
polyamores Somerville
https://www.spiegel.de/partnerschaft/polyamorie-in-den-usa-in-somerville-experimentieren-die-menschen-mit-der-liebe-a-da48db82-310e-4841-8092-276d4b5ef6f4

Leider ist der Artikel im Spiegel nur für zahlende Leser sichtbar, ich fand das aber sehr interessant. Ein Städtchen in den USA mit nur 80.000 Einwohnern zieht Polyamore an, weil rechtliche Regelungen geschaffen wurden, dass man dort eine Lebensgemeinschaft auch mit 3 oder mehr Partnern eintragen lassen kann. Das hat verschiedene praktische Vorteile, z.B. als Angehöriger überhaupt in einem Krankenhaus akzeptiert zu werden, oder in die Krankenversicherung eines Partners mit aufgenommen werden zu können. Es gibt ein Diskriminierungsverbot, dass z.B. bei Wohnungsbewerbungen gilt. Inzwischen haben sich wohl 2 Nachbargemeinden den Regelungen angeschlossen.

Mal hypothetisch (weil das in Deutschland mangels kommunaler Kompetenzen ja nicht ginge) würdet ihr für verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen beim Zusammenleben einen Ortswechsel in Betracht ziehen?
***le Mann
332 Beiträge
Die Bundesregierung ist dabei, die Voraussetzungen zur Einführung der Verantwortungsgemeinschaft zu schaffen. Ich bin schon auf den Gesetzesentwurf gespannt.

https://www.bmj.de/DE/themen/gesellschaft_familie/ehe_nichteheliche_gemeinschaft/verantwortungsgemeinschaft/verantwortungsgemeinschaft_node.html
*****2SU Mann
32 Beiträge
Ohne den Artikel gelesen zu haben, klingt das erstmal super. Nicht zuletzt, weil dadurch Polyamorie weiterhin in den Mainstream-Medien bleibt und zeigt, dass man nicht so eine kleine Randgruppe repräsentiert, wie manche es gerne glauben.

Um dafür allerdings selber umzuziehen, müssten für mich allerdings aktuelle bzw. auch notwendige Vorteile damit verbunden sein.
Wegen theoretischer Vorteile würde ich meine Kinder nicht aus ihrem sozialen Umfeld reißen oder auch berufliche Nachteile riskieren.
Wie immer alles ein abwägen von Pro und Contra.

Beste Grüße, Andy
******Fox Mann
2.202 Beiträge
Ich hab den Artikel auch gelesen und dachte daran ihn hier zu posten. Wegen der Paywall hab ich's nicht gemacht.

Der Artikel ist angenehm unaufgeregt. Sommerville zieht also tatsächlich wegen seiner Gesetze viele Poly's an, drei Polyküle hatten sich für den Artikel interwieven lassen.

Ich zahle übrigens nix für die Zeitung, ich hatte einfach Glück.
********chen Frau
278 Beiträge
Zitat von *********marrn:
Mal hypothetisch (weil das in Deutschland mangels kommunaler Kompetenzen ja nicht ginge) würdet ihr für verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen beim Zusammenleben einen Ortswechsel in Betracht ziehen?
Nein, würde ich nicht. Einfach, weil mir in einer Großstadt zu leben wichtiger ist.
****on Mann
16.112 Beiträge
Zitat von ***le:
Einführung der Verantwortungsgemeinschaft [...] Ich bin schon auf den Gesetzesentwurf gespannt.

Ich auch! Zwar beschreiben sie es mehr als Lebensgemeinschaft "jenseits von Liebesbeziehungen", denken an Senioren-WGs und Gemeinschaften alleinerziehender Mütter, aber voraussichtlich wird es auch polyamoren Lebensgemeinschaften dienen.

Zitat von *********marrn:
würdet ihr für verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen beim Zusammenleben einen Ortswechsel in Betracht ziehen?

Ich spüre zur Zeit keinen Leidensdruck, meine Polyamorie verstehen die meisten, und diskriminiert wurden wir bisher weder bei der Wohnungssuche noch im Krankenhaus, weil keiner den genauen Status unserer Beziehungen wissen wollte. Ich glaube, es gibt diesen Einmischungssinn ins Private nicht mehr so wie früher.
****on Mann
16.112 Beiträge
Zitat von *********marrn:
Leider ist der Artikel im Spiegel nur für zahlende Leser sichtbar

Ich habe den Artikel gelesen und habe mich darin wiedergefunden. So wie dort beschrieben funktioniert das bei uns in etwa auch.

Wenn jemand den Artikel als PDF haben mag - kurze ClubMail an mich genügt.
****owR Mann
11 Beiträge
Polyamorie in den USA: In Somerville experimentieren die Menschen mit der Liebe
Zogen extra nach Somerville: Jace, 38, Doktor der Mathematik, Kirstin, 31, Biologisch-technische Assistentin, und Dee, 36, Künstlerin, mit Katze Nala
Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Neue Formen der Partnerschaft
Wie Liebe zu dritt, viert oder fünft funktioniert
In der US-Stadt Somerville leben und lieben viele polyamore Menschen in neuen Beziehungsmodellen. Hier erzählen drei Haushalte von ihrem Alltag zwischen Freiheit und Terminplanung, Zusammenhalt und Eifersucht.
Aus Somerville berichtet Antje Windmann
05.11.2023, 18.33 Uhr

Die Ehe gilt bis heute als Goldstandard der Beziehungen. Viele finden diesen einen Menschen, mit dem sie durchs Leben gehen – viele aber auch nicht. In Deutschland wird mehr als jede dritte Ehe geschieden, Alleinerziehende und Patchworkfamilien sind längst fester Bestandteil der Gesellschaft.

Wie zeitgemäß ist das klassische Ehe- und Familienmodell also noch?

Im amerikanischen Somerville, 80.000 Einwohner, nur wenige Autominuten von Boston entfernt, experimentieren Männer und Frauen seit Jahren mit der Liebe. Die Stadt wurde zum Beziehungslabor Amerikas.

An den Häusern Somervilles wehen Regenbogenfahnen, Männer fahren in Kleidern Skateboard, Frauen spazieren in Anzügen auf den Straßen. Ob man sich als Frau oder Mann identifiziert und wer wen liebt, das spielt hier kaum noch eine Rolle. Einige Einwohnerinnen und Einwohner haben in der Polyamorie ihr Glück gefunden.

Polyamorie beschreibt eine Form des Liebeslebens, in der man mit mehreren Menschen liiert ist und alle damit einverstanden sind. Im Gegensatz zu offenen Beziehungen suchen polyamore Menschen eher feste, gleichberechtigte Partnerschaften. Oft ist es der Zweifel, der sie eint. Der Zweifel daran, ob ein Mensch allein einen anderen dauerhaft erfüllen kann.

Eine US-Studie zeigt, dass Google-Suchanfragen zu Polyamorie über Jahre gestiegen sind. Auch in Deutschland interessieren sich die Menschen für dieses Lebensmodell.

Der Schauspieler Gedeon Burkhard (54, »Kommissar Rex«) zeigte sich kürzlich wieder mit seinen beiden Freundinnen in der Öffentlichkeit. »Das ist eine richtige Dreierbeziehung, nicht nur sexuell, sondern eine in allen Aspekten ausgewogene und tiefgehende Verbundenheit«, hatte er mal in der »Bunten« erklärt . »Wenn einer schlecht gelaunt ist, kann man mit dem anderen reden. Es muss nicht ein Partner alle Bedürfnisse erfüllen.«

Um neuen Familienmodellen gerechter zu werden, will die Ampelkoalition hierzulande den Familienbegriff weiten und eine sogenannte Verantwortungsgemeinschaft einführen. Zwei oder mehr Erwachsene sollen dann rechtlich füreinander verantwortlich sein können, ohne Heirat.

Somerville hat eine derartige Verordnung bereits 2020 erlassen, als erste Stadt in Amerika. Seitdem können sich mehr als zwei Menschen in einer Lebensgemeinschaft eintragen lassen: Zwei Frauen und ein Mann, drei Männer und zwei Frauen oder vier Frauen. Es muss nicht Liebe sein, sie können auch nur gute Freunde sein.

Mit der Verordnung sind rechtliche und wirtschaftliche Vorteile verbunden, die polyamore Beziehungen näher an den Status einer Ehe beziehungsweise Familie heranführen: Polyamore Menschen können nun etwa leichter mit in die Krankenversicherung ihrer Partner und gelten in Kliniken als Angehörige.

In diesem Frühjahr ging der Stadtrat noch einen Schritt weiter: Er verbot, Polyamore zu diskriminieren – sei es bei der Wohnungsvergabe, im öffentlichen Dienst oder durch die Polizei. Einer der elf Stadträte, Willie Burnley, 29, selbst polyamor, hat diese Verordnung initiiert. »Mir ist wichtig, dass man auch offen poly leben kann, ohne Angst vor Nachteilen«, sagt Burnley.

Wie lebt es sich in so einem Beziehungsgeflecht? Wie organisiert man sich mit mehreren Partnerinnen und Partnern? Welche Rolle spielt Eifersucht? Der SPIEGEL hat drei Beziehungsgemeinschaften in Somerville besucht.

Die Fünferkette
Leben zu fünft unter einem Dach (v.u.n.o.) : Halie, 30, Softwareingenieurin, Andrew, 55, Berater, Kit, 42, Doktor in Roboterwissenschaften, Colin, 42, Softwareentwickler. Die Hand im Bild oben links gehört zu Robin, 34.
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Leben zu fünft unter einem Dach (v.u.n.o.) : Halie, 30, Softwareingenieurin, Andrew, 55, Berater, Kit, 42, Doktor in Roboterwissenschaften, Colin, 42, Softwareentwickler. Die Hand im Bild oben links gehört zu Robin, 34. Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Halie, Kit, Colin, Andrew und Robin (Name geändert) sind über Jahre zusammengewachsen. Sie leben zusammen in einem dreigeschossigen Haus in Somerville, verreisen gemeinsam und schlafen miteinander, zumindest teilweise: Kit liebt Colin und Andrew. Andrew liebt Kit und Halie. Colin liebt Kit und Robin.

Kit, 42, und Colin, 42, sind so etwas wie der Zellkern des Beziehungsgeflechts. Das Ehepaar traf sich 1999 im Studium in Minneapolis im ersten Semester Computerwissenschaften. Zwei Nerds, die im selben Wohnheim lebten. Er fand sie kreativ und schlau, sie fühlte sich gleich wohl mit ihm, 2006 heirateten sie. Doch da war diese Neugier, die Kit umtrieb.

Kit: »Ich fühlte mich auch zu Frauen hingezogen, und es war etwa 2009, dass ich an den Punkt kam und dachte: Hey, ich möchte mal mit einer Frau ins Bett. Das alles hatte nichts mit Colin zu tun, es lief gut mit uns, auch sexuell, es war eher so, dass ich das erleben wollte. Und irgendwann habe ich ihn gefragt, ob das okay wäre. Wir haben dann zuerst etwas mit einem anderen Paar gehabt. Als bei mir später neben den Frauen auch Männer ins Spiel kamen, war es für Colin erst nicht einfach, er war verunsichert, wohin uns das führt.«

Colin sagt: »Ich wollte ihr nicht im Weg stehen. Und weil es um Frauen ging, fiel es mir auch leichter. Mit dem anderen Geschlecht kann man sich ja nicht wirklich vergleichen. Als Kit aber anfing, andere Männer zu daten, die ich nicht kannte, hat mich das verunsichert.«

Colin ist ein großer Mann mit langen Haaren und Brille, der eher schüchtern wirkt. Kit trägt das Haar kurz, T-Shirts und Hosen. Vor acht Jahren, als sie noch Kristen hieß, waren es Blumenkleider, inzwischen möchte sich Kit auf kein Geschlecht mehr festlegen. Im Englischen verwendet man für nicht-binäre Menschen das Pronomen they, für das es bislang aber keine adäquate deutsche Übersetzung gibt.

»Es ist total befreiend, nicht allein verantwortlich für all die emotionalen und sexuellen Bedürfnisse des anderen zu sein.«
Colin, 42, Softwareentwickler
Das Ehepaar kommt aus dem mittleren Westen, aus konservativen Familien. Sich ein Stück freizulassen und zugleich des anderen sicher zu fühlen, sei herausfordernd gewesen, sagen sie. Mittlerweile lebt das Paar seit 14 Jahren »poly«. Einmal die Woche, montags, besprechen sie, wie es ihnen geht. Jeder Sonntagmorgen ist reserviert für »ein romantisches Date«.

Anfangs sei er skeptisch gewesen, sagt Colin rückblickend, mittlerweile schätze er die Vorteile. »Es ist total befreiend, nicht allein verantwortlich für all die emotionalen und sexuellen Bedürfnisse des anderen zu sein.« Aktuell hat er neben der mit Kit zwei weitere Beziehungen. Da ist eine Frau in Minnesota, sie ist etwas älter als er, sie gehen gemeinsam campen und probieren sexuell Sachen aus, auf die Kit nicht steht.

Wegen Colin lebt auch Robin, 34, im Haus. Sie kennen sich von der Arbeit, musizieren zusammen, Colin spielt Gitarre, Robin Klavier, beide begeistern sich für Fotografie. Nichts, wofür sich Kit interessiert.

Robin möchte aus familiären Gründen anonym bleiben. In manchen Kulturen ist es bis heute schwer, sich zu seinem Liebesleben zu bekennen.

Kits zweiter Partner im Haus ist Andrew. Er trägt Bart und eine blaue Haarsträhne. Sie lernten sich 2012 auf einem Erfinder-Event kennen. Fünf Jahre später zog er zu Kit und Colin. Manchmal gehen sie zu dritt händchenhaltend durch ihr Viertel. Mit einer Frau hat Kit aktuell keine Beziehung.

Mit Colin macht Kit es sich oft gemütlich, sie spielen gern Videospiele. Andrew dagegen hole sie aus dem Haus, erzählt Kit, neulich waren sie auf einem Konzert einer Funkadelic-Band, von der sie noch nie etwas gehört hatte.

Er sei bereits poly gewesen, bevor es das Wort überhaupt gab, sagt Berater Andrew
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Er sei bereits poly gewesen, bevor es das Wort überhaupt gab, sagt Berater Andrew Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Andrew ist mit seinen 55 Jahren der Älteste im Haus, er kommt aus New Jersey, arbeitete an der Wall Street. »Ich war poly, bevor das Wort überhaupt existierte«, erzählt der Unternehmensberater. Seine erste Freundin in der Highschool wollte parallel etwas mit einem anderen Jungen anfangen. Für ihn war das okay.

Andrew erklärt, wie die fünf ihr Leben in einem Haus mit sieben Schlafzimmern organisieren: Alle Termine kämen in einen gemeinsamen Google-Kalender. Mittwochs haben Kit und er Date-Night. In der Zeit unternehmen Colin und Robin etwas. Unter der Woche schlafe er bei Kit, an den Wochenenden bei Halie. Darüber hinaus hätten alle noch Partner außerhalb. Er zählt etwa ein halbes Dutzend Namen auf.

Andrew und Halie, 30, Programmiererin, lernten sich vor ein paar Jahren beim Tanzen kennen.

Halie: »Als Andrew mir gesagt hat, dass er poly ist, habe ich total cool getan, aber in Wahrheit musste ich das erst mal googeln.«

Andrew: »Eine Beziehung kam für mich erst nicht infrage wegen des Altersunterschieds. Beziehungen funktionieren nur, wenn das Machtverhältnis ausgewogen ist, gerade, wenn man poly lebt. Aber dann war es mit Halie so, wie es bei mir so oft ist: Man kennt sich lange, unternimmt etwas, und plötzlich sieht man den anderen mit anderen Augen.«

Halie reflektiert, wie schwer es war, sich von den Erwartungen ihrer Familie zu distanzieren. Sie sei ein behütetes Einzelkind. Dass sie den Richtigen finde und dann Kinder bekomme, stand für ihre Eltern außer Frage. »Es hat mich einige Zeit gekostet, herauszufinden, was ich eigentlich will.« Halies anderer Freund lebt nur wenige Häuser die Straße runter mit zwei weiteren Partnern.

Zugleich führt Halie noch vier Fernbeziehungen, ein Partner lebt in Texas, einer in Kalifornien, zwei in England. Sie geht auch auf Sexpartys und trifft seit Kurzem Frauen. Auf ihrem Handy hat sie einen Google-Kalender. Jeder Tag besteht aus vielen farbigen Zeitblöcken. »Es ist manchmal ein wenig wie Tetris«, sagt sie.

In Somerville, Massachusetts, können sich seit 2020 mehr als zwei Menschen in einer Lebensgemeinschaft eintragen lassen
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In Somerville, Massachusetts, können sich seit 2020 mehr als zwei Menschen in einer Lebensgemeinschaft eintragen lassen Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Spricht man mit Andrew und Halie über Eifersucht, sagen beide, dass es nur einen Weg gebe, damit umzugehen: Die eigenen Unsicherheiten zu kennen und zu kommunizieren.

Halie sagt: »Wenn ich unter der Woche einen schlechten Tag bei der Arbeit hatte, sage ich das Andrew. Ich kriege dann eine kurze Kuscheleinheit, bevor er zu Kit geht. Damit ist es meist okay. In einer Zweierbeziehung ist der Partner ja auch nicht immer verfügbar, mal beim Bowling oder verreist. Außerdem, das ist ja das Gute, bin ich nicht zu 100 Prozent auf Andrew angewiesen.«

Andrew sagt: »Eifersucht ist nicht mein Problem, eher Neid. Ich werde mürrisch und fühle mich schlecht, wenn meine Partnerin viele Partner hat, mit denen sie wirklich coole Fantasien ausleben kann, und ich das in dem Moment nicht so habe. Dann muss ich mir immer klarmachen, woher das Gefühl kommt, was ich dann brauche und das dann auch artikulieren.«

Eine Chatgruppe ist der Kommunikationskanal im Haus. Wenn das Abendessen fertig ist, heißt es »dinner ready«. Wenn sie füreinander kochen, achten sie auf die Vorlieben aller. Sie nehmen Rücksicht darauf, dass Kit es in der Küche ordentlich mag und Halie »pissy« wird, wenn jemand etwas auf ihrem Schreibtisch ablegt. Colin geht eher früh zu Bett, Andrew ist manchmal morgens um vier noch wach.

Andrew lebt seit 1998 in Somerville. Er ist gut vernetzt in der Polyszene, kann viele Anekdoten erzählen: »Eine meiner Ex-Freundinnen hatte mal was mit einem verheirateten Mann. Für dessen Frau war das kein Problem, dass sie Sex hatten. Als meine damalige Freundin ihm aber die Pickel auf dem Rücken ausdrückte, wurde die Frau zur Furie. Was zeigt: Weshalb es Ärger geben kann, ist manchmal nicht vorhersehbar.«

Es gibt nur wenige Grundregeln im Haus der Fünferkette: Ganz oben auf der Liste steht geschützter Sex, alle sind für die Gesundheit aller verantwortlich. Konflikte versuchen sie schnell und in Ruhe zu besprechen. Wichtige Investitionen oder Veränderungen am Haus entscheiden sie gemeinsam.

»Nur drei Prozent aller Säugetiere leben monogam.«
Heath Schechinger
Der kalifornische Psychologe Heath Schechinger forscht seit 13 Jahren zu Polyamorie und identifizierte 25 Faktoren, warum Menschen sich für diese Beziehungsform entscheiden. Nur drei der Faktoren seien sexbezogen. »Das Vorurteil, dass Poly-Menschen sexsüchtig und oberflächlich sind, hält sich hartnäckig«, sagt er. »Wenn wir diese Familien beobachten, sehen wir jedoch, dass die einzelnen Personen oft über einen längeren Zeitraum füreinander da sind und sich gegenseitig versorgen und unterstützen.«

Laut Schechinger suchen sie vielmehr emotionalen, sozialen und manchmal auch wirtschaftlichen Support, wollen sich weniger einsam fühlen und ehrlicher leben. »Nur drei Prozent aller Säugetiere leben monogam«, sagt er, »dass wir uns von anderen Menschen angezogen fühlen, ist also etwas ganz Natürliches.« Er würde sich wünschen, dass man endlich anfange, darüber zu reden.

Der kalifornische Psychologe Heath Schechinger sagt: »Dass wir uns von anderen Menschen angezogen fühlen, ist etwas ganz Natürliches«
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Der kalifornische Psychologe Heath Schechinger sagt: »Dass wir uns von anderen Menschen angezogen fühlen, ist etwas ganz Natürliches« Foto: Privat
Zu den weiteren Mythen über Polyamorie zählt, dass es meist Männer sind, die polyamor leben wollen, oder dass dahinter der verzweifelte Versuch steckt, eine Beziehung zu retten, die eigentlich am Ende ist. Das Gegenteil sei der Fall, sagt Schechinger. »Den meisten geht es darum, das gemeinsame Leben zu verbessern.« Zudem könnte ein wenig Wettbewerb dazu führen, dass sich beide Partner wieder mehr umeinander bemühten.

Interessanterweise sei Eifersucht in polyamoren Beziehungen weniger ausgeprägt als in Zweierbeziehungen, sagt Schechinger. »Was zwei Gründe haben kann: Dass sich eher Menschen, die von Natur aus nicht so eifersüchtig sind, auf Polyamorie einlassen, und/oder dass Menschen in dieser Beziehungsform lernen, ihre Eifersucht besser zu händeln.«

Der Dreier
Liz, 34, EDV-Technikerin, mit Ehemann Kevin, 50, Fantasyautor, (rechts) und Partner Iain, 59, Ingenieur. Vorn: Labradorhündin Hope
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Liz, 34, EDV-Technikerin, mit Ehemann Kevin, 50, Fantasyautor, (rechts) und Partner Iain, 59, Ingenieur. Vorn: Labradorhündin Hope Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Liz, 34, ist Computertechnikerin und seit zehn Jahren mit Kevin, 50, Fantasyautor, zusammen. Sie haben sich über die Datingapp »OkCupid« kennengelernt. Ingenieur Iain, 59, traf Liz vier Monate vor ihrer Hochzeit mit Kevin. Alle drei haben schon poly gelebt, bevor sie sich kannten.

Liz sagt: »Ich bin schon mit zwei Freunden zum Abschlussball in meiner Highschool gegangen. Diese Nummer mit der einen großen Liebe kam mir schon immer irgendwie dumm vor. Ich hatte schließlich auch mehrere gute Freunde gleichzeitig und konnte meine Eltern beide lieben.«

Kevin sagt: »Die Leute stecken nach der Hochzeit oft weniger Energie in die Beziehung. Die Aufmerksamkeit für den Partner lässt nach, und die Beziehung gerät ins Wanken. Ein großer Vorteil von Polyamorie ist, dass wir unsere Partner nicht so leicht als selbstverständlich ansehen.«

Kevin und Liz schlafen beide mit Männern und Frauen. Geschützter Sex – Kondome, Handschuhe, spezielle Tücher für Oralverkehr – sind auch für sie oberstes Gebot.

Kevin bezeichnet Iain inzwischen als Freund. Hätten er und Liz ein Date, könne er sich aufrichtig für sie freuen. »Compersion« nennen sie das in Poly-Kreisen, Mitfreude. Damit ist das Glück gemeint, das man empfindet, wenn ein geliebter Mensch mit einem anderen eine tolle Zeit hat. Es ist das Gegenteil von Eifersucht. »Man muss sich wirklich klarmachen«, sagt Kevin, »Zeit ist eine endliche Ressource, Liebe nicht.«

Liz dagegen kennt schon Momente der Unsicherheit: »Einmal hatte Kevin eine Beziehung mit einer Frau, die klein und zierlich war, das totale Gegenteil von mir. Das ist mir schwergefallen, weil ich dachte, vielleicht sieht er mich danach anders an. Auch das anzusprechen, fiel mir nicht so leicht.«

Kevin: »Und ich habe dir dann versichern können, dass ich mich nicht zu einem bestimmten Körpertyp hingezogen fühle, sondern zu bestimmten Persönlichkeiten. Dass ich intelligente, selbstbewusste Frauen mag, so wie dich.«

Liz, Kevin und Iain haben in den vergangenen zehn Jahren schon einiges miteinander erlebt. Gingen Beziehungen in die Brüche, waren sie füreinander da, trösteten sich – und spürten, dass noch anderen Säulen sie tragen.

Als sie sich kennenlernten, war Kevin noch in erster Ehe verheiratet. Seine drei Kinder, berichtet er, hätten von klein auf erlebt, dass die Eltern noch andere »Sweeties« hatten. Auch Liz war zunächst »Auntie Liz«, Tante Liz.

Als Kevin und seine erste Frau sich scheiden ließen, habe sie vor Gericht versucht, genau das gegen ihn zu verwenden: Sie warf ihm Ehebruch vor. Bis heute ist das ein legitimer Scheidungsgrund in Massachusetts, genau wie sexuelle Unlust im Bundesstaat New York. Beide Gesetze sollen jedoch seit den Achtzigern nicht mehr angewandt worden sein. Am Ende konnte Kevin belegen, dass er vor Jahren mit seiner Frau von Vermont nach Somerville gezogen war, damit sie näher bei ihrem Freund sein konnte.

»Väter bekommen das Sorgerecht, nur weil die Mutter polyamor ist.«
Diana Adams
Die New Yorker Anwältin Diana Adams ist Expertin für Sorgerechtsverfahren, in denen das Sexleben eines Elternteils vor Gericht angeführt wird, um dessen Erziehungsfähigkeit infrage zu stellen.

Besonders Müttern würde vor Gericht jedes Recht auf ein Sexleben abgesprochen, sagt Adams. Hat eine Frau mehrere Partner, gelte sie fast als geisteskrank. »Die Lesart ist oft, dass ihr Urteilsvermögen generell fragwürdig ist, sie den Kindern schadet.«

Je konservativer der Staat, desto eher verliert Adams vor Gericht. »Da bekommen dann Väter das Sorgerecht, die nicht mal den Namen des Kindergartens kennen, nur weil die Mutter polyamor ist oder ein aktives Sexualleben hat.«

Diana Adams ist Expertin für Sorgerechtsverfahren, in denen das Sexleben eines Elternteils vor Gericht angeführt wird.
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Diana Adams ist Expertin für Sorgerechtsverfahren, in denen das Sexleben eines Elternteils vor Gericht angeführt wird. Foto: Privat
Auch Adams sieht sich als weder weiblich noch männlich an, ist verheiratet und hat selbst zugleich andere Beziehungen mit Männern und Frauen. Im Internet gibt es einen TED-Talk von Adams , fast zwei Millionen Menschen haben ihn gesehen. Darin wirbt die Juristin dafür, dass alle Menschen ihre Familien selbst definieren dürfen und der Staat sicherzustellen habe, dass diese dann den gleichen Schutz genießen wie eine traditionelle Familie. »Die Mehrheit der amerikanischen Kinder lebt nicht mit verheirateten Eltern«, sagt Adams, »denn die Hälfte aller Amerikaner ist nicht verheiratet. Wir dürfen diese Menschen nicht länger als soziale Versager deklarieren und vor dem Gesetz schlechter stellen.« Verheiratete Paare in den USA, behauptet Adams, hätten etwa tausend finanzielle Vorteile gegenüber Unverheirateten.

Dass in Somerville verboten ist, polyamore Menschen zu diskriminieren, sieht Adams als entscheidenden Schritt dafür, dass diese in Zukunft selbstbewusster auftreten können. Viele lebten bis heute im Verborgenen, aus Furcht, dass ihr Liebesleben irgendwann gegen sie verwendet werden könnte – wenn Kinder im Spiel sind, aber auch im beruflichen Kontext.

Adams hat der Stadtverwaltung in Somerville geholfen, bereits das erste Gesetz von 2020 juristisch wasserdicht zu machen. So wie es jetzt angelegt sei, sagt Adams, wäre es problemlos auf alle amerikanischen Städte anwendbar. Zwei Nachbarstädte von Somerville haben es inzwischen adaptiert, Cambridge und Arlington.

Doppeltes Glück
Jace, Kirstin, und Dee sehen sich als Familie an. Nicht im Bild: Kirstins Ehemann Tyler
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Jace, Kirstin, und Dee sehen sich als Familie an. Nicht im Bild: Kirstins Ehemann Tyler Foto: Sara Naomi Lewkowicz / DER SPIEGEL
Jace, 38, Doktor der Mathematik, und seine Frau Dee, 36, Künstlerin, heirateten mit Anfang 20, kauften ein Haus. Irgendwann begannen sie jedoch zu hinterfragen, ob die Welt, die sie sich miteinander erschaffen hatten, nicht zu klein für sie war.

Vor drei Jahren lernten sie erst Kirstin, 31, biologisch-technische Assistentin, auf einem Konzert kennen, später auch ihren Mann Tyler, 33. Der Softwareingenieur möchte ungern in der Öffentlichkeit stehen.

Jace führt neben der Beziehung mit Dee nun auch eine mit Kirstin und Tyler parallel eine mit Dee. Im Verborgenen erprobten sie ihr Crossover-Modell. Ein Leben zu viert auf Dauer im konservativen Alabama war für das Quartett nur schwer vorstellbar.

Vor wenigen Monaten zogen sie deshalb von Huntsville nach Somerville. Auf der Landkarte hatten sie alle republikanischen Staaten aussortiert und recherchiert, an welchem Ort sie so unbefangen wie möglich leben könnten. »Und da landet man schnell in Somerville«, sagt Jace.

Obwohl sie bereits miteinander verheiratet sind, können sie sich hier zusätzlich als Lebensgemeinschaft eintragen lassen. Kinder kommen für sie nicht infrage. Kirstin und Dee haben sich sterilisieren lassen.

Wie haben ihre Eltern darauf reagiert, dass sie polyamor leben?

Jace: »Vor dem Umzug wollte ich Kirstin meinen Eltern vorstellen. Als ich meiner Mutter am Telefon erzählte, dass ich polyamor bin, war sie völlig überfordert. Danach kam nur eine Nachricht meines Vaters, dass ich mich zu Hause nicht mehr blicken lassen soll. Auch wenn es vielleicht merkwürdig klingt, für mich ist das total okay. Die Pandemie hat mich ein Stück weit mutiger darin gemacht, wer ich sein will. Ich will nicht mehr auf Zehenspitzen durch mein Leben laufen.« Inzwischen identifiziert sich auch Jace weder als Mann noch als Frau.

Dee sagt: »Meine Eltern sind geschieden. Als ich meinem Vater erzählte, dass ich noch einen Partner habe, dachte er erst, ich rede von einem Geschäftspartner. Seine Reaktion war dann: Ich finde es nicht gut, aber ich werde es akzeptieren. Meine Mutter dagegen ist fast schon aggressiv in der Art, wie sehr sie uns unterstützt. Sie ist sogar hergeflogen und hat uns geholfen, die Kisten auszupacken und alles einzurichten. Ein wenig ist sie jetzt die Mutter von uns allen geworden.«

Kirstin sagt: »Ich habe keine enge Beziehung zu meinen Eltern, deshalb habe ich ihnen nichts erzählt und plane es auch nicht. Es geht sie nichts an.«

Jace, Dee, Kirstin und Tyler sehen sich inzwischen als Familie an. Neulich etwa gab es einen familiären Notfall in der Heimat, Tylers Mutter starb plötzlich. In den ersten Tagen stand ihm Kirstin zur Seite, als sie wieder arbeiten musste, löste Dee sie ab.

Was ist der größte Vorteil ihres Liebesquartetts im Alltag? »Dass wir uns auch mal aneinander abgeben können«, sagt Jace, »Kirstin und ich sind manchmal ganz schöne Hitzköpfe.«
*******enig Mann
8.381 Beiträge
Tut mir leid, aber ich konnte den Jubelbericht aus Somerville nicht komplett lesen, weil mir zwischendurch immer wieder schlecht wurde von der Plattheit der Bilder, besser gesagt Klischees, die damit bedient werden. Solche Berichte erinnern mich regelmäßig an seriös recherchierte Geschichten aus dem Puff.

Prinzipiell ist der Gedanke, dass eine eingetragene und wie auch immer legitimierende Partnerschaft von mehr als 2 Menschen gelebt werden kann, ganz toll. Extra deswegen nach Somerville zu ziehen, käme für mich aber nicht in Frage. Der Weg ist mir einfach zu weit. *g*
****on Mann
16.112 Beiträge
Zitat von *******enig:
Tut mir leid, aber ich konnte den Jubelbericht aus Somerville nicht komplett lesen, weil mir zwischendurch immer wieder schlecht wurde von der Plattheit der Bilder, besser gesagt Klischees, die damit bedient werden.

Einerseits weiß ich genau, was Du meinst, und ich verstehe es! Andererseits... trifft die Beschreibung unser Polykül... das manche Klischees bedient. Also von den Berufen, der Queerness, den Statements, den kleinen Problemen und Erlebnissen. Also ein wahrheitsgemäßer Bericht, soweit ich es empfinde.
*******enig Mann
8.381 Beiträge
Alles gut... *g*
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