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Lehrerin schwärzt Schüler als Extremisten an

****ode Mann
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Themenersteller Gruppen-Mod 
Lehrerin schwärzt Schüler als Extremisten an
Niedersachsen

Von Anna Reimann und Oliver Trenkamp


Eine Ethik-Lehrerin aus Niedersachsen warf einem Schüler Kontakt zu einer "extremistisch-islamischen Gruppe" vor - in einem anonymen Brief an die Polizei. Mit dem falschen Verdacht löste die Pädagogin eine Hysterie aus, die jetzt sogar den Landtag beschäftigt.

Drei kurze Zeilen genügten, um Ermittlungen "zum Zwecke der Gefahrenabwehr" auszulösen. Drei Zeilen ohne Anrede, Absender, Unterschrift. Eingegangen in der Polizeidirektion Garbsen, Niedersachsen. Unter der Überschrift "Hinweis" heißt es in dem Schreiben, der Elftklässler Yasin C. habe "Kontakt zu einer extremistisch-islamischen Gruppe".

Ein islamischer Extremist in einer niedersächsischen Kleinstadt? Ein Radikaler in der elften Klasse der Integrierten Gesamtschule Garbsen? Die Polizei ermittelte und stellte schnell fest: nichts dran an den Vorwürfen.

Die Beamten fanden aber auch heraus, woher der anonyme Brief stammte: Geschrieben hatte ihn die Ethik-Lehrerin des Schülers.

Jetzt, mit zwei Jahren Verspätung, wird der Vorgang in Niedersachsen zum Politikum und beschäftigt sogar den Landtag. Eine Abgeordnete erfuhr über Umwege von der Geschichte. Die rot-grüne Opposition wirft Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nun vor, indirekt an dem Vorgang mitschuld zu sein: Er schüre Ängste gegen Muslime. "Jeder guckt jeden schief an, eben auch in der Lehrerschaft", sagt etwa die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat.

Die Frage, die sich in Niedersachsen nun viele stellen: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass die Lehrerin den eigenen Schüler beschuldigt? Was ist geschehen? Zu erzählen ist die Geschichte einer Hysterie.

Hysterie-Stufe Eins - Eine Klassenarbeit mit Folgen

Im Frühling 2008 schreibt Yasin C. eine Klausur zum Thema "Das Weltethos". Es geht darum, welche Werte alle Weltreligionen gemein haben. Etwas umständlich formuliert er, das Weltethos sei "zu spät" bei den Menschen angekommen. Und: Christen sei nicht beizubringen, islamische Werte anzuerkennen.

Diese Worte alarmieren seine Ethik-Lehrerin. Sie spricht ihn an, will wissen, was er meint. Über ihren Verdacht, der Junge könnte Kontakt zu Extremisten haben, spricht sie nach Angaben des Schülers allerdings nicht - nicht mit ihm, nicht mit ihren Kollegen, nicht mit der Schulleitung.

Yasin C. ist kein guter Schüler, er rechnet damals schon nicht mehr damit, versetzt zu werden. Er kommt nur selten zur Schule. Die Lehrerin sieht auch das als Hinweis. Im September schickt sie die anonymen Zeilen an die Polizei. Aus dem Schreiben spricht kein Zweifel: "Yasin C. (...) hat Kontakt zu einer extremistisch-islamischen Gruppe." Und einen pädagogischen Rat gibt sie den Beamten auch: "Wenn ihm Verständnis und Wertschätzung entgegengebracht wird, würde er vielleicht reden."

Yasins Klausur bewertet die Lehrerin mit "mangelhaft", einer Fünf.

Hysterie-Stufe Zwei - Ermittlungen gegen den Schüler

Der Vorgang hat jetzt die Schule verlassen, die Auseinandersetzung um eine Klassenarbeit ist gewachsen. Zwar nicht zu einem offiziellen Ermittlungsverfahren, wie die Polizei betont, wohl aber zu Ermittlungen "zum Zwecke der Gefahrenabwehr", sagt ein Sprecher. "Die Polizei ist dem Hinweis acht Wochen lang nachgegangen."

Als Yasin C. erfährt, dass in seinem Umfeld recherchiert worden sei, ist er empört. Mitbekommen habe er aber vorher nichts. Er sagt, die Beamten hätten herausgefunden, dass er in einem Freizeitheim Bewerbungen geschrieben hat. "Ich weiß nicht, in welche Richtung sie noch ermittelt haben."

Die Sache wird an der Schule bekannt. Yasin C. sagt, auf dem Hof würden ihn Mitschüler jetzt als "Terrorist" beschimpfen.

Hysterie-Stufe Drei - Ermittlungen gegen die Lehrerin

Der Schüler will, dass seine Lehrerin bestraft wird für ihre Verdächtigung. "Mit Terrorismus ist nicht zu spaßen", sagt er. Seine schulische Motivation habe nach dem Vorfall noch mehr gelitten, auch deshalb habe er schließlich, im Dezember 2008, die Schule abgebrochen. Seitdem schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch.

Er erstattet Anzeige wegen Beleidigung, fühlt sich von der Pädagogin verleumdet. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren allerdings ein, mangels Tatverdacht. Die Landesschulbehörde wird ebenfalls eingeschaltet und leitet im Sommer 2009 ein Disziplinarverfahren ein. Bis heute gibt es kein Ergebnis.

An der Schule wundern sich die Kollegen über die ganze Angelegenheit, die Lehrerin arbeitet schon seit 1973 dort, unterrichtet vor allem Mathematik und Ethik. Als Islam-Phobikerin gilt sie nicht, im Gegenteil. Sie ist bekannt dafür, dass sie sich für den interreligiösen Dialog einsetzt, hat promoviert, leitet einen Fachverband.

Hysterie-Stufe Vier - Die Politik entdeckt das Thema

Bei einem Fließbandjob lernt Yasin C. eine Studentin kennen, Mitglied bei den Grünen. Sie ist empört von seiner Geschichte und berichtet davon der Landtagsabgeordneten Polat, migrationspolitische Sprecherin der Grünen.

"Ich konnte erst gar nicht glauben, die ganze Geschichte schien sehr skurril", sagte Polat SPIEGEL ONLINE. Im Herbst 2010 habe sie den Schüler dann in die Grünen-Fraktion eingeladen.

Kurz vor Weihnachten übergibt Yasin C. seine Unterlagen der Abgeordneten, auch die Klausur. Polat und ihre Kollegen wollen eine Anfrage an die Landesregierung richten, um zu klären, ob die Schulaufsicht versagt hat und ob die Ermittlungen rechtmäßig waren. Aber nicht nur das: Die Grüne stellt einen Zusammenhang zur Landesregierung her. Sie will auch die Rolle des CDU-Innenminister Schünemann bei dem Vorgang klären lassen.

Die Auseindersetzung um eine Klassenarbeit hat die große Politik erreicht.

Hysterie-Stufe Fünf - Die Presse entdeckt das Thema

Die "Hannoversche Allgemeine" schreibt im Januar 2011 von einem Schüler "unter Terrorverdacht". Auch andere Lokalzeitungen berichten über den Fall. Der anonyme Brief hat es in die Schlagzeilen geschafft. Fernsehsender rufen bei Yasin C. an.

Weitere Politiker melden sich zu Wort. So verlangt auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Aufklärung, Klaus-Peter Bachmann: "Der öffentliche Vorwurf, dass der Schüler observiert wurde, steht - jetzt muss es im Landtag eine Antwort darauf geben." Auch er sieht die Geschichte als Ergebnis der Politik des Innenministers. "Schünemann ist ein Zuspitzer, das wirkt irgendwann - er verbreitet einen bestimmten Geist der Politik, es ist kein Wunder, wenn die nachgeordneten Behörden überziehen."

In eine ähnliche Richtung argumentiert sogar die Lehrerin. Über ihren Anwalt lässt sie mitteilen, die Politik habe die Bürger aufgefordert, "Verdachtsmomente den Sicherheitsbehörden zu melden". Sie betont aber: Von Terrorismus sei in ihrem Anschwärzbrief mit keinem Wort die Rede.

So ziemlich jeder, der mit der Sache zu tun hat, verschickt mittlerweile Pressemitteilungen und Stellungnahmen, selbst der Schülerrat der Gesamtschule Garbsen: Die Schule sei tolerant und weltoffen.

Yasin C. hat gerade keinen Job. Er denkt darüber nach, das Fach-Abitur nachzuholen. Aber erstmal muss er noch ein paar Interviews geben.

Quelle: Spiegel-Online
http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,739495,00.html

Ich finde es schon bezeichnend und traurig, daß es in Deutschland so leicht ist, daß Leben eines Mannes zu zerstören. Die ganze Hysterie um den Islam hat seit dem 11.09. leider ein Level erreicht, von dem man so leicht nicht mehr herunter kommt und viele fürchten in ihrem türkischen, arabischen (etc.) Nachbarn einen potentiellen Schläfer.

Wie denkt ihr über dieses Thema?
Der Ruf der Muslime wird von einigen verrückten religiösen Spinnern, die in Wirklichkeit aber einen verschwindend kleinen Bruchteil der Muslime ausmachen und vor allem von den Medien zerstört.
Immer wieder liest und hört man von den gewaltbereiten, "fundamentalistischen" Muslimen, die nur zu gern ihr Leben lassen, wenn sie dabei nur so viele "Ungläubige" wie möglich mitnehmen können.
Es reicht schon aus, regelmäßig in eine Moschee zu gehen oder einem islamischen Verein anzugehören, schon ist man ein potentieller "Schläfer". Eigentlich reichen manchmal auch schon schwarze Haare.

Die Bürger, die sich natürlich nicht die Mühe machen, sich tiefer gehend über den Islam zu informieren, werden programmatisch verängstigt und aufgehetzt - und dann kommt es zu solchen "Überreaktionen": Menschen werden diffamiert, ausgegrenzt, vom Staat überwacht.

Und das in unserer hoch gelobten Demokratie...

Aber mal eine andere Frage: Was ist denn eigentlich "fundamentalistisch"?

Im Wortursprung müsste das ja bedeuten, dass sich jemand am Fundament, um Ursprung von etwas orientiert. Dann bin ich eine Fundamentalistin, denn ich bemühe mich, mich an dem Fundament des Islam zu orientieren, an dem, was der Prophet Mohammed (saws) gesagt und getan hat und nicht an dem, was seine "Nachfolger" so alles daraus gemacht haben. Selbstmordattentate gehören da z.B. eindeutig nicht dazu, genau so wenig wie Intoleranz und das Befolgen sinnentleerter Rituale.
Ich bekenne mich also dazu, eine islamische Fundamentalistin zu sein. Nicht in dem Sinne, wie es von den Medien missverstanden und missbraucht wird, sondern im ursprünglichen Sinne.

Wer mich nun anzeigen möchte, kann es ja tun *g*
Alles übertrieben!
Meiner Meinung nach hatte die Lehrerin richtig gehandelt. Das, was daraus gemacht wurde, wie dann damit umgegangen worden war, ist m.E. alles übertrieben.
Es ist nur im Sinne der öffentlichen Sicherheit, dass solchen Anzeigen nachgegangen wird. Oft genug wurden so Verbrechen verhindert- und da habe ich auch nur das Wissen aus den öffentlichen Medien...
Dass dem Schulschwänzer sein Leben nun verpfuscht sein soll, ist doch auch schon wieder reine Effekthascherei: wenn er nun sogar den Willen zeigt, sein FachAbi nachzuholen, ist das doch eher ein Zeichen, dass ihm die nun entgegengebrachte Aufmerksamkeit gut tut und er sein Leben endlich selbst in die Hand nimmt. *gg*

Grüsse *wink*
****ode Mann
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Themenersteller Gruppen-Mod 
@Gloriaaa08
Tut mir leid, aber da bin eindeutig anderer Meinung.

Ich war auch mal ein Schulschwänzer und habe es trotzdem weit gebracht. Und ja, ich habe mein Abi in der Tasche und habe studiert, nur um es mal präventiv anzumerken *zwinker*

Was mich da eher erschreckt ist die Tatsache, daß ein nichtssagender Dreizeiler einer Lehrerin ausreichte, um die Behörden zu Ermittlungen zu führen.

Auch bei mir standen schon die Leute vom Innenministerium vor der Tür und befragten mich ausgiebig. Und das nur aufgrund der Tatsache, daß ich mich zum Islam bekenne und versuche die Extremisten etwas zu mäßigen. Dies geschah alles online und ich hatte zu keinem dieser Leute persönlichen Kontakt. Trotzdem wurde ich vom Staatsschutz aufgesucht.

Da wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie sehr das Internet, insbesondere Muslime vom Staat in einer Art Generalverdacht überwacht werden... Das erschreckte mich schon sehr.

Dabei hatte ich mich IMMER von jeglichem Extremismus distanziert und verurteile diesen sehr !!!

Wenn also Ermittlungsbehörden jedem Hinweis in dieser Art nachgehen, dann gleicht das für mich schon den Methoden der Hexenverfolgung der Inquisition. Da konnte auch ein Mensch über einen anderen einfach sagen, sie sei eine Hexe und damit wurde dann schon ein Stein ins Rollen gebracht der oftmals tödliche Folgen hatte...

Bevor ich also jemanden anschwärzen würde, würde ich mich in einem persönlichem Gespräch vergewissern, ob meine Vermutungen auch wirklich zutreffen. Dies hatte diese Lehrerin aber nicht getan. Sie richtete praktisch aus dem Bauch heraus und darin liegt m.E. nach der große Fehler.

Sicherlich sollten wir alle im Interesse der Gemeinschaft wachsam sein, aber Hysterie ist da eindeutig der falsche Weg !!!

Nur weil jemand religiös ist und die Schule schwänzt, ist er noch lange kein potentieller Schläfer.

Und wenn dieser junge Mann nun bestrebt ist sein Fachabi nachzuholen, dann ist es für mich eher ein Zeichen dafür, daß er noch die nötige Kraft besitzt, um sein Ziel weiter zu verfolgen. Ob nun diese Kraft aus dem Glauben geschöpft wird, von Familie und Freunden ist dabei unerheblich.

Fakt ist, die Lehrerin hat sein Leben geschadet mit ihrer absurden Aktion !!!
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