Give and Take
Er war Künstler. Als sie ihn in einer Bar kennen lernte, lud er sie auf teuren Whisky ein und erzählte von gefeierten Ausstellungen und unzähligen Unis an denen er als Gastdozent lehrte. Pfauenhaftes Gepluster, aber der Whisky war gut. Sie hatte seine Visitenkarte. Sie wartete drei Tage, bis sie ihm eine kurze Nachricht schickte. Er antwortete auf französisch. Sie konnte diese Sprache nicht, aber sie trafen sich dennoch.
Er überhäufte sie mit Geschenken. Er schickte täglich Nachrichten. Tägliche Anrufe. Sie erhielt Briefe mit kleinen Zeichnungen und französischen Texten. Er buchte Hotels in München, Frankfurt oder Rom. Lies sie kommen oder holte sie und führte sie aus. Einmal pro Woche. Immer Freitag. Manchmal über das Wochenende.
Er war verheiratet. Er nannte sie sein Licht. Er machte sie zu seiner Hure.
In Rom legte er sie auf das Bett und verband ihr die Augen.
"Bleib liegen - glaub mir..."
Alles war ruhig - im Fernsehen lief der Sender für Muslime mit gesungenen Suren.
Sie hörte das leise Klacken der Tür. Jemand berührte sanft ihre Zehen am Ende des Bettes. Fast gleichzeitig spürte sie einen Luftzug auf ihrer Brust. Einen Atem, eine Zunge, die ihre Brust zart leckte und ansaugte. Hände.... Sie fühlte Hände auf ihrem Körper - viele Hände. Eine winzige Sekunde erstarrte sie - das war so nicht möglich.
Seine Stimme an ihrem Ohr. "Glaub mir. Du wirst es mögen. Alles ist gut..."
Warme Flüssigkeiten auf ihrem Körper - es roch leicht nach Vanille und Rosmarin. Hände - so viele Hände berührten sie. Streichelten ihre Brüste, strichen über ihre Schenkel, drückten ihre Schultern in das Kissen als sie sich leicht aufbäumte, spreizten ihre Beine. Eine Zunge die einen kurzen Moment über ihre Schamlippen leckte und sich suchend Zugang verschaffte. Hände - überall. Seine Stimme neben ihr "Alles ist gut...".
Sie weiß bis heute nicht, wie viele Männer sie berührten, wie viele in sie eindrangen. Irgendwann nahm er ihr die Binde von den Augen und sie sah ihn an. Er strich sanft über ihr Gesicht, sprach mit ihr und sie wendete den Blick nicht mehr von ihm ab....
Am nächsten Morgen wachte sie allein im Hotelzimmer auf. Das Rückflug-Ticket auf dem Nachttisch...
Er schickte am nächsten Tag eine Nachricht - ein französisches Gedicht. Sie antwortete nicht. Sie sah ihn nie wieder.