Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
For women only
1492 Mitglieder
zum Thema
Die Tasche mit dem „Großen“
1. Brat Mein Herr hat mir einen Teil meiner Spielzeugtasche…
zum Thema
Koffer/Tasche für Spielzeug gesucht29
Ich bin auf der Suche nach einem Koffer oder einer Tasche, in der ich…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Vom Beutel, der keine Tasche ist, sondern ein Netz

Keine Beschreibung angegeben.
**SK
7.791 Beiträge
Themenersteller 
Vom Beutel, der keine Tasche ist, sondern ein Netz
Herr Beutel war ein hagerer Mann, der sein schlohweißes Haar schulterlang trug und sich selbst ständig irgendwohin verlegte, damit er sich auf weiter Flur in der Einöde seines Eilandes im wilden Meer der Bergjaner immer wiederfinden konnte. Denn nur so war es ihm möglich, auf die Gelege des Paradiesvogels unter den Vögeln in seiner Eiland-Voliere zu stoßen.
Meist bestanden diese aus bunten Kieselsteinen, manchmal aber auch aus freilich gekonterten Bildnissen seiner Couleur und wörtlicher Luft und Liebe. Letzteres war Herrn Beutel am liebsten, denn das war seine Leibspeise. Davon konnte er monatelang zehren, bis es abermals zum akrobatischen Ausbruch in seinem Paradiesvogel kam.
Desderwegen trug Herr Beutel auch ständig eine seiner weiten Latzhosen am Leib. Die hatten sehr große Hosentaschen, in denen er sein Guthaben an gelegentlichen Kiesel- und anders gearteten Eiern seines Paradiesvogels als Labsal für die mitunter langanhaltenden Durststrecken bunkern konnte.

Herr Beutel war nämlich der Schatten seines Paradiesvogels. Der sich einerseits von ihm nährte, andererseits ihn aber auch in sich gefangen hielt, damit er seine Gelege essen konnte.
Eines Tages jedoch geschah es, dass ihm auf einem seiner seltenen Streifzüge über das wilde Meer eine Matrjorne begegnete. Diese bewegte sich schwebend auf das walnussgroße Boot des Herrn Beutels zu. Das Meer hatte schon seit Tagen getobt und Herrn Beutel in seiner Nussschale zwischen Wellenkämmen und -tälern hin- und hergeworfen.
Als jedoch die Matrjorne – die Oberhäuptin der Zwitterwesen aus Nornen und Matrjoschkas – unmittelbar vor seiner Nase schwebte und einen Veitstanz sonders gleichen aufführte, legte sich der Orkan im wilden Meer augenblicklich. Sie schnippte mit ihren Fingern, das Wasser teilte sich zu einer hohlen Gasse und setzte dabei Herrn Beutels Boot sanft auf dem Schlickmeeresboden ab.

Herr Beutel staunte nicht schlecht, als er seinen linken Fuß auf den Schlick setzte und die Ode der Meerjungfrauen plötzlich erklang. Sein Gehör lockte ihn die Gasse des geteilten Meeres entlang bis er schließlich an eine Spiegelwand herantrat und sich selbst darin erblickte. Wie in Trance krempelte er die Hosentaschen seiner Latzhose um und fand darin nur löchriges Gewebe vor. Seine Schultern hingen nach vorn und die sehnigen Arme berührten fast den Meeresboden zu seinen nackten Füßen. Er sah alt aus und fühlte sich auch so.
In diesem Augenblick sah er auf der Oberfläche der Spiegelwand, dass die Matrjorne hinter ihm aufgetaucht war und ihre Hände auf seine gebeugten Schultern gelegt hatte. Herrn Beutels Ohren hörten noch immer die Ode der Meerjungfrauen, als die Matrjorne eindringlich in seinen Kopf zu ihm sprach, dass er nur seine rechte Hand auf die Fläche des Spiegels legen müsse, dann würde er sich selbst erfahren.

Die Knie wurden dem Herrn Beutel weich, als er der Stimme der Matrjorne folgte und ihn plötzlich ein Stromschlag durchfuhr. Der Gesang der Meerjungfrauen war plötzlich gar keine Ode mehr, sondern nun erklang das Gekreische einer Sirene, die hungrig ihr Haifischmaul aufgesperrt hatte, um ihn immer hungrig zu verschlingen.
Herr Beutel wollte schreien und davonrennen, doch es war zu spät. Die Sirene hatte ihm bereits ihre tausend Tode beschert, und nun ruhte er in ihrem Mutterleib, bis sie ihn schließlich nach sieben Tagen in Form von ungezählten bunten Kieselsteinen wiedergebar und aus dem Inneren seines ehemaligen Paradiesvogels an das Ufer des Feuerflusses spie.

Die Kinder der Nachtwanderer erfreuten sich daran, weil sie dort gerade in diesen Augenblicken spielten und die Kieselsteine allesamt einsammelten, um hübsche Murmeln aus ihnen zu schleifen. Dafür wollten sie den Schleifstein ihres Urvaters verwenden, den der Dorfschmied immer für die Schwerter der Krieger des Stammes verwendete.
Und so kam es, dass die Kinder um die Wette murmelten, damit der Sieger unter ihnen schlussendlich ihre Mär vom Beutel der Matrjorne erzählen konnte, der nur aus ungezählten Löchern bestand und ihr als Tarnnetz ihrer Schicksalssagen diente.

© CRK, BS, 06/2021
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.