KG: Eng umschlungen und doch so flüchtig
Es waren einige der heißen Tage des letzten Sommers, als Daniel auf einem Tangofestival war. Die Bälle begannen spät, erst ab 5 Uhr leerte sich so langsam die Tanzfläche. Wer zwischendurch mal eine Tangopause brauchte, ging hinaus, setzte sich an ein Korbfeuer, hörte einem Gitarrenspieler zu oder einem Akkordeonisten, der irgendwo unter dem Sternenhimmel noch ein paar Lieder spielte, russische Lieder und Musetten. Ein fantastischer Sommer. Daniel hatte B. schon vor ein paar Tagen kennengelernt, war das als Partnerin bei einer Practica oder im Cafe, er wusste es nicht mehr. Nach der Nacht ihrer ersten Tänze begrüßte er sie, sie, die da mit anderen Tänzerinnen am nächsten Morgen fröhlich schnatternd bei Latte und Dolce saß, setzte sich zum kurzen Small Talk. Er bemerkte, dass er am vollbesetzten Tisch gleich einen Platz bekam, ihre Freundinnen beschäftigten sich rasch mit sich selbst. Schön, solche Signale einfach mal wahrzunehmen.Der Ball in der Nacht war voll, es war Samstag und die Tänzer der umliegenden Großstädte gaben auch noch ihr Stelldichein. Verabredungen im Ballsaal ergaben sich per Zufall oder man musste innerhalb des Saales das Handy benutzen. Es mag gefühlte 3 Uhr gewesen sein, als Daniel verschwitzt und gerade mit neuem Hemd ausgestattet sich von der Musik treiben ließ und sie wieder sah. B., die nordische Figur, den Anschein etwas unsicher, der Weigerung sich von dem, was andere über ihre geringen Tanzkenntnisse (was immer das sein soll) beeindrucken zu lassen oder etwa gar zu früh ins Bett zu gehen. Ein Blick genügte, beiden war sofort klar, die nächste Tanzrunde gehört ihnen, die kommenden Tänze, die nicht einfach so aufhören werden, bloß weil einem vielleicht die Füße wehtun oder der andere durstig ist.
Nach ein, zwei Liedern haben sich ihre Körper wieder aneinander gewöhnt. Die Füße liefen gemeinsam ihre Schritte, die Arme lagen entspannt, ihre Wangen passte ohne Anstrengung aneinander und die Nasen waren etwa gleich lang, sie schmiegten sich weich als Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte aneinander. Die Musik um diese Uhrzeit war wild, Fusion, Swing, Folk, auf die sich Tango, Milonga oder Valse hervorragend tanzen ließen. Also flogen die Beine, ihre Beine schlangen sich gerne um seine, die Oberkörper verdrehten sich bei den Ochos immer öfters um vergnügt wieder zueinander zu finden. Die so zurückhaltende Tänzerin war wild nach Bewegung, feurig nach Genuss, forderte trotz der schon engen Haltung mehr und heftigere Berührung. Bei einer Beimumschlingerfigur hatte Daniel die Vorstellung, sie ist feucht. Ein solcher Gedanke machte ihn heiß und er ließ ihr Bein bei jeder Gelegenheit etwas länger als nötig an sich, drehte sich dann etwas, dass die Beine leicht aneinander rieben – sie genoß.
Sie genoß umso mehr, als er anfing, corazon d'oro ihr ins Ohr zu summen. Ein Walzer, der zu so vielen Drehungen anregt, die nicht nur B. in einen Schwebezustand versetzten. Gut, dass er den Text nicht so richtig konnte, den sein Summen vibrierte durch ihr Ohr in die verschiedensten Körperregionen und so flog ein leichtes Stöhnen an sein Ohr. Was seinem Summen ein entspanntes Timbre gab, das wiederum in ihr Ohr.... Es war seine Art zu stöhnen. Ihr Atem wurde schnell, ihre Umarmung inniger und wenn es sich ergeben konnte, dann rieben sich die Oberkörper aneinander. Das Dekolleté ihres einfachen blauen Kleides hat sich schon längst verschoben, bei einer Drehung sah Daniel, dass auch der BH nicht mehr saß, wo er sollte. so leuchteten ihm fest aufgestellte Brüste mit ihren harten Knospen entgegen, die er schon längst durch sein dünnes Hemd erspürt hat. Natürlich hätte sie auf die Toilette gehen können um alles wieder zurechtrichten, die einzige realistische Alternative war jedoch, dass seine Brust der ihren Schutz vor fremden Blicken bot. Ein Angebot, das sie doch gerne annahm ...
Castillo sang Baila los morenos, bei dieser Candombe kleben die Oberkörper eh aneinander. Daniel entdeckte ein luststeigerndes Spiel, er ließ seinen Arm locker, so dass die Brust selbst einen Weg suchen musste, den Kontakt zu intensivieren. Sie fand ihn. Bei einem Swing führte er sie gekonnt ein, zwei Schritte von sich weg und dann wieder ran. B. sackten fast kurz die Knie weg, wie sichtbar nun der Zustand ihres Kleides sichtbar sein könnte. Sie spürte aber Daniels feste Hand, erstaunt über ihren Genuss der Vorstellung, dass Blicke nun an ihr klebten.
Der Sandwich, bei dem der Mann einen Fuß der Tänzerin zwischen den seinen einklemmt, entwickelte sich als nächste spannende Figur. In der kleinen Abwandlung, dass nicht seine Schuhe, sondern die Oberschenkel den ihrigen in die Zange nahmen. M. schien es zu gefallen, dass sie dabei nicht nur einen schönen Hosenstoff an ihrem Bein fühlte sondern zudem eine harte Ausbeulung oberhalb Daniels Oberschenkels. Sie verstand dies als Kompliment, das sie gerne annahm. Ihm schien, sie wollte diese sich ihr hinstrebende Lust vor fremden Blicken (oder Zugriff ) schützen. Er führte die Hüften gerne in jene Gelegenheiten, bei denen sich beide aneinander pressen konnten. Nina Simone sang Here comes the sun, draußen ging die Sonne auf.
Sie genossen die Lust inmitten der vollen Tanzfläche, taten so als ob sie sie nach außen verbergen wollten und wussten nicht, ob sie es aushalten konnten oder sich gleich laut stöhnend auf einem der Sofas am Rand der Tanzfläche gegenseitig verzehren. Das Ende war jäh.
Ein paar Anrempler, oh entschuldigung, geht schon, nix passiert, wie schnell kam diese Lüge über die Lippen, wir tanzen morgen wieder, ja?
Tango ist Leiden. Die Kunst, stundenlang kurz vor dem Point of no return zu spielen, den letzten Schritt doch nicht zu tun. Wenn Tango „ich berühre“ heißt, dann eben genau dies und nicht „ich ergreife“. Oder vielleicht doch?